Von Obernburg (Minnesänger)

Von Obernburg (Minnesänger)
„Von Obernburg“, Miniatur im Codex Manesse, fol. 342v

Ein von Obernburg, dessen Vorname unbekannt ist, erscheint im Codex Manesse als Minnesänger. Da auf dem Idealporträt im Codex Manesse kein Wappen dargestellt ist, kann zu seiner Herkunft keine Aussage getroffen werden. Weil auch die Bezeichnung „her“ (Herr) fehlt, wird angenommen, dass er nicht von adliger Abkunft war. Friedrich Heinrich von der Hagen äußerte allerdings die Vermutung, dass der Minnesänger aus dem Ort Oberburg (Gornji Grad) in der Untersteiermark stammte und Ministeriale des dortigen Stifts gewesen sei. Frank Wunderlich merkt an, Obernburgs Sprache sei rein, ohne mundartliche oder regionaltypische Merkmale, deshalb könne er auch aufgrund seiner Sprache regional nicht eingeordnet werden; auch fehlten für eine zeitliche Einordnung in seinen Texten entsprechende orts- und personenbezogene Angaben. Es wird angenommen, dass seine Lieder nicht vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sind.

Inhaltsverzeichnis

Bildinterpretation

Auf der Miniatur des Codex Manesse sind als wesentliche Elemente ein Baum mit roten Blüten, links davon eine stehende Frauengestalt, ein weißes Schoßhündchen im linken Arm haltend, und rechts vom Baum vor der Frau kniend ein junger Mann – vermutlich der Minnesänger Obernburg selbst - dargestellt.

Ingo F. Walther interpretiert das Bild sinngemäß folgendermaßen[1]: Das dunkle Gewand und das schleierartige Tuch über dem Gebende der Dame könnte ein Hinweis auf ein geistliches Amt und der „Goldbesatz an Hals und Ärmeln“ ein Kennzeichen für adlige Abkunft sein. Das Schoßhündchen wird als ein Attribut der höfischen Damen jener Zeit gedeutet. Die kniende Haltung des jungen Mannes in ritterlicher Gewandung weise auf eine demütige Haltung hin, die eine Unterwerfungsgeste zwischen Herr und Vasall kennzeichnete. Seine erhobene rechte Hand drücke zugleich Gruß und Huldigung aus. Mit der Linken überreicht der junge Mann der Dame einen Brief in Form eines verkleinerten Schriftbandes als Zeichen seines Werbens und seiner Minne. Der Baum mit den roten Blüten, dessen Stamm zwischen den Händen der beiden und dem Schriftband aufsteigt, soll die sie verbindende Minne versinnbildlichen.

Minnesang

Von der Dichtung des von Oberburg sind sieben Lieder mit 20 Strophen erhalten. Seine Dichtung wird als konventionell, ohne jegliche Individualität bezeichnet, sie weise auf die Art des höfischen Minneliedes im dritten und vierten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts hin: „Gewöhnliche sentimentale Liebesseufzer und Bitten, das hergebrachte Spielen mit Hoffen, Wünschen und Verzweiflung, volltönendes Lob der Frauenschönheit, Natureingang – alles ohne Originalität. Reminiszenzen an den älteren Reinmar und Walther von der Vogelweide fallen besonders auf.“ [2]. Allerdings kann man den Liedern formale Kunstfertigkeit zusprechen: „Die Verwendung des Refrains, die Freude an Wortspielen sowie vor allem die Beherrschung kunstvoller Reimtechniken weisen den Obernburg als begabten Formkünstler aus.“ (R. Hausner)

Vorkommen des Namens Oberburg

Eine schlüssige Beweisführung über die Herkunft des Minnesängers ist aus Mangel an entsprechenden Urkunden nicht möglich. Zu beachten dürften auch die unterschiedlichen Namensbezeichnungen „Obernburg“, Oberburg und „von Oberburg“ sein. Oberburg als Ortsname und als Familienname kommt jedenfalls in der Schweiz in Bayern, in der Steiermark und im ehemaligen Herzogtum Krain vor. Die Obernburg im nordhessischen Gudensberg war von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis 1277 Sitz der Grafen von Niederhessen bzw. Hessen, so dass eventuell auch hier ein Schlüssel zur Herkunft des Sängers liegen könnte.

Vorkommen nach Ingo F. Walther

Ingo F. Walther[1] schreibt, dass die Herkunft des Minnesängers ungewiss sei. Als mögliche Abstammung nennt er die Burggrafen von Obernburg, die um die Mitte des 13. Jahrhunderts in der Untersteiermark westlich von Cilli bezeugt sein sollen. Von Pirchegger wissen wir, dass der größte Teil des oberen Sanntales Mitte des 12. Jahrhunderts dem Hochfreien Diebald von Chager und seiner Frau Truta gehörte. Um 1140 übergaben sie diesen Besitz an den Patriarchen von Aquileja und stifteten mit ihm zusammen das Benediktinerkloster Oberburg. Im Zuge dieser Übergabe kam auch die Feste Oberburg samt der ritterlichen Mannschaft des Chagers, etwa 100 Ministerialen mit ihren Familien an Aquileia. In einer Urkunde des Patriarchen aus dem Jahre 1243 wird das „alte“ Schloss - antiquum castrum – Oberburg erwähnt, das auf dem Hügel Gradische (Gradišče) am Drietbach (Dreta) gelegen haben soll, wo noch im Jahre 1820 Mauerreste sichtbar waren. Zwei bürgerliche Geschlechter lebten nach Walther in St. Gallen und in Bern.

Vorkommen in der Schweiz nach Stettler

Der Schweizer Historiker und Publizist Karl Ludwig Stettler (1773–1858) verfasste neben zahlreichen anderen Arbeiten auch das 6 Bände umfassende Werk Genealogien der Bernergeschlechter, das als Manuskript erhalten geblieben ist. Dort berichtet Stettler auch von einem Geschlecht von Oberburg und bezeichnet das Dorf Oberburg im Tal der Emme unweit Burgdorfs als den Stammort – gemeint ist sicherlich der Stammsitz – eines Geschlechts freier Landbesitzer, „unbekannt zwar der Geschichte, aber doch einst durch ziemlich bedeutenden Güterbesitz nicht ohne einiges Ansehen unter der Bürgerschaft des alten Hauptsitzes der gewaltigen Grafen von Kyburg-Burgdorf.“[3]. Nach Stettler gehörten die Oberburg dem Adelsstand an. Eine Linie des Hauses soll aber auch zu Bern „verburgert“ gewesen sein. Dieses „alte“ Geschlecht erlosch jedoch schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts.

Stettler überlieferte auch das Wappen der Oberburg:

Im silbernen Schild zwei schwarze Balken. Auf dem Schild ein Bügelhelm. Helmzier: Ein schwarz-weißer geschlossener Flug. Helmdecken: schwarz-weiß. Das Wappen ist sehr ähnlich dem Wappen, das das Geschlecht von Oberburg in Kärnten, Steiermark und in Krain geführt hat.

Stettler nennt als Vertreter des Geschlechts von Oberburg:

  • Johann von Oberburg, genannt Wyman, der 1240 mit Einwilligung seines Lehnsherrn von Kyburg einige seiner Güter an das Kloster Interlaken verkauft hat. Sein Stiefvater war Rudolf von Buchsee.
  • Rudolf erscheint 1257 in einer Urkunde der Grafen von Kyburg als „quondam scultetus“ (einstiger Schultheiß). Mit diesem Amt wurden nur die vornehmsten gräflichen Dienstmannen betraut.
  • Ludwig wird als „Burger zu Burgdorf“ bezeichnet, erscheint 1277 und 1297 als Zeuge, 1294 als Schultheiß zu Hutwyl.
  • Rudolf, der sich in einer Urkunde von 1327 als Ludwigs sel. Sohn bezeichnet; mit seiner Frau Ita, verkaufte er einige Güter an das Kloster Interlaken.
  • Johann von Oberburg, „Burger zu Bern“, erwirbt 1286 mehrere Güter zu Britenried.
  • Die Brüder Ulrich und Niklas erscheinen 1328 in Urkunden als Zeugen. Niklas besaß 1347 noch einen Garten in Bern.

Die Quellen, aus denen Stettler schöpfte, sind nicht näher erläutert. Eine der wesentlichsten Quellen Stettlers bei der Forschung nach Vertretern des Geschlechts von Oberburg, scheint das Burgdorfer Jahrzeitbuch gewesen zu sein. Als weitere Quellen nennt Stettler: „Int. Doc.“ (gemeint dürften Urkunden des Klosters Interlaken sein), „St. Urban Doc.“, „Stifts Doc.“ (gemeint sind vermutlich Urkunden des Klosters Frauenkappelen) und „Hall. Sammlung“.

Nachweise

  1. a b vgl. Ingo F. Walther: Codex Manesse. Frankfurt 1988
  2. K. Burdach, in: Allgemeine Deutsche Biographie
  3. Zitat Stettler

Literatur

  • Konrad Burdach: Der von Obernburg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 24, Duncker & Humblot, Leipzig 1887, S. 102.
  • Friedrich Heinrich von der Hagen: Minnesinger. Deutsche Liederdichter des 12. 13. und 14. Jahrhunderts. Barth, Leipzig 1838, Bd. II, Nr. 116, S. 513–514 (Digitalisat)
  • Renate Hausner: Der von Obernburg. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 7. De Gruyter, Berlin 1989, Sp. 6-7 (nicht eingesehen)
  • Ambros Kocher: Solothurner Urkundenbuch. Erster Band. 762–1245. Herausgegeben vom Regierungsrat des Kantons Solothurn. (= Quellen zur solothurnischen Geschichte; 1). Staatsarchiv, Solothurn 1952
  • A. Kracher: Der von Obernburg - ein Steirer? In: Festschrift für D. Kralik, Horn 1954, S. 162-182.
  • Josef Kraßler: Steirischer Wappenschlüssel. Landesarchiv, Graz 1968
  • Hans Pirchegger: Geschichte der Steiermark. Leuschner & Lebensk, Graz u. a. 1932–1934
  • Hans Pirchegger: Die Untersteiermark in der Geschichte ihrer Herrschaften und Gülten, Städte und Märkte. Oldenbourg, München 1962
  • Johannes Baptist Rietstap, Victor Rolland: Planches de l'Armorial Général. IV. Paris 1910
  • Franz Schumi (Hrsg.): Urkunden- und Regestenbuch des Herzogtums Krain. II. Band. 1200–1269. Selbstverlag, Laibach 1884–1887
  • Karl Ludwig Stettler (1773–1858): Genealogien der Bernergeschlechter. 6 Bände. Manuskripte der Stadt Bern
  • Heinrich Türler (Hrsg.): Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz. 2./4./6. Band, Neuenburg 1924/1927/1931
  • Johann Weikhard von Valvasor: Die Ehre Deß Hertzogthums Crain. Endter, Laibach 1689 (Nachdruck: Trofenik, München 1971)
  • Ingo F. Walther: Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift. 3. Auflage. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-14385-8
  • Frank S. Wunderlich: Ich wil wol von wibes gvete. 7 Lieder des Minnesängers von Obernburg. Mit Melodien von Frank S. Wunderlich. Verlag der Spielleute, Reichelsheim 2002, ISBN 978-3-927240-71-1
  • Joseph von Zahn: Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter. Hölder, Wien 1893
  • Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft „Adler“. Wien 1884–1885

Weblinks


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