Vollwaise

Vollwaise
Waisen von Thomas Kennington, 1885 (Tate, London)

Als Waise oder Waisenkind wird ein Kind bezeichnet, das einen oder beide Elternteile verloren hat. Hierbei wird zwischen sogenannten Vollwaisen, wobei beide Eltern gestorben sind, und Halbwaisen, die einen Elternteil verloren haben, unterschieden. Waise wird nur genannt, wer unter einem bestimmten, gesellschaftspezifischen Alter liegt. Sind bei Erwachsenen beide Eltern gestorben, spricht man nicht mehr von einer Waise.

In umgekehrter Weise bezeichnet man Eltern, die ein Kind verloren haben, als verwaiste Eltern. Von Sozialwaisen spricht man, wenn zwar die leiblichen Eltern noch am Leben sind, diese jedoch aufgrund sozialer Umstände nicht die Erziehung des Kindes wahrnehmen (können).

Wenn bei Voll- oder Sozialwaisen weder die Großeltern noch Tanten, Onkel oder andere Verwandte sich der Erziehung der Kinder annehmen, werden in Deutschland in derartigen Fällen in Absprache mit dem Jugendamt die Kinder entweder bei einer Pflegefamilie, in einem Kinderheim (früher: Waisenhaus) oder, bei Jugendlichen, im betreuten Jugendwohnen (manchmal Jugendheim genannt) untergebracht. Die Eltern können im Testament bestimmen, zu wem im Falle eines frühen Todes die Kinder kommen sollen. Sie benennen einen Vormund, der die Aufgaben der Elterlichen Sorge übernehmen wird. Das Vormundschaftsgericht ist an die Entscheidung der Eltern gebunden, solange sie dem Wohl des Kindes bzw. der Kinder dient.

Einige der in Deutschland und Österreich bekanntesten Träger von Kinderheimen sind die Organisation SOS-Kinderdorf, das Deutsche Rote Kreuz, Diakonien, Pro Juventute in der Schweiz und viele weitere freie Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Inhaltsverzeichnis

Waisen in der Literatur

In literarischen Werken sind Protagonisten in der Gestalt von Waisen besonders in der Fantasy-, Jugend- und Volksliteratur sehr beliebt. Dies erlaubt den Autoren eine Ausgestaltung ihrer Werke beispielsweise ohne langwierig komplizierte familiäre Strukturen erklären zu müssen und ihre Helden von familiären Obliegenheiten und Kontrollen freizustellen. Nebenbei erregt eine Waise beim Leser auch Gefühle von Mitleid und führt zu leichterer Identifikation mit dem Protagonisten, wobei auch eine schnellere und prosaischere Charakterentwicklung möglich ist.

Bekannte Autoren, in deren Büchern Voll- oder Halbwaisen Handlungsträger sind, sind u.a. Mark Twain (Tom Sawyer), J. K. Rowling (Harry Potter) oder Cornelia Funke (Herr der Diebe, Drachenreiter). Eine bekannte Halbwaise aus dem Märchen ist außerdem das Aschenputtel.

AIDS-Waisen

Als AIDS-Waisen werden solche Kinder bezeichnet, die ihre Eltern aufgrund des HI Virus verloren und deshalb vorrangig in afrikanischen Ländern wie Südafrika oder Zimbabwe[1] – dort jedoch in sehr hoher Zahl – vorkommen. Pro Jahr werden ca. 70.000 Kinder durch AIDS zu Waisen.[2]

Indisches Leihmutter-Waisenkind

2008 wurde der Fall des indischen Babys Manji bekannt. Das Mädchen war nach der zwischenzeitlich erfolgten Scheidung der ursprünglichen japanischen Auftraggeber, also der vorgesehenen sozialen Mutter und des biologischen Vaters, bereits als „Waisenkind“ auf die Welt gekommen. Aufgrund der Scheidung des japanischen Paares wurde das Kind dem biologischen Vater nicht übergeben, da nach indischem Recht allein erziehende Väter nicht adoptionsberechtigt sind.[3]. Das Mädchen wurde zunächst von der japanischen Großmutter und der Leihmutter versorgt.[4]. Das höchste indische Gericht übertrug das Sorgerecht anschließend vorläufig auf die japanische Großmutter, das Kind selbst blieb jedoch weiterhin staatenlos.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. AIDS-Waisen bei Avert.org (en)
  2. AIDS Orphan's Preventable Death Challenges Those Left Behind (en)
  3. Indian laws prohibit Manji's father to adopt her. Express India, 25. August 2008
  4. Can law come to little Manji’s rescue?. Thaindian, 7. August 10098

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