Vlorë

Vlorë
Vlora
Vlora (Albanien)
DEC

40.46555555555619.4880555555560Koordinaten: 40° 28′ N, 19° 29′ O

Basisdaten
Staat: Albanien
Qark: Vlora
Kreis: Vlora
Höhe: m ü. A.
Einwohner: 124.000 (2005)
Zeitzone: MEZ (UTC+1)
Telefonvorwahl: (+355) 033
Postleitzahl: 9401-9404
Kfz-Kennzeichen: VL
Struktur und Verwaltung (Stand: 2008)
Gemeindeart: Stadt
Gliederung: keine
Bürgermeister: Shpëtim Qamil Gjika[1] (PS)
Postanschrift: Sheshi 4 Heronjtë
Vlorë
Webpräsenz:
Sonstiges
Schutzpatron: Ismail Qemali
Blick über die Stadt
Friedhof der Kriegshelden
Unabhängigkeitsdenkmal
Rathaus
Neue Hotels in der Nähe des Hafens

Vlora (albanisch auch Vlorë, italienisch Valona, griechisch Αυλώνα) ist eine Hafenstadt in Mittel-/Südalbanien an der Straße von Otranto, der engsten Stelle der Adria. Mit rund 124.000 Einwohnern gehört die Stadt zu den größten des Landes. Die Bucht von Vlora und die Strände in Stadtnähe sind beliebte Ziele albanischer Touristen.

Vlora ist auch Hauptort des Qark Vlora und des gleichnamigen Kreises, der das nähere Umland und die Albanische Riviera umfasst.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Dank seiner strategischen Lage am Eingang zur Adria war die Bucht von Vlora, die einen natürlichen Hafen bildet, ein von vielen Völkern begehrter Handelsplatz. Für die Entwicklung der Stadt in der Antike ergibt sich mittlerweile diese Abfolge: ein Ortswechsel von Treport nach Vlora um das 1. Jahrhundert v. Chr. und eine Zuwanderung im 6. Jahrhundert n. Chr.

Zunächst bestand eine Siedlung sieben Kilometer nordwestlich nahe der Spitze der Halbinsel Treport. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde hier bereits gegraben, aber erst seit den Ausgrabungen durch Vasil Bereti um 1990 lassen sich verschiedene Phasen der Besiedlung vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. nachweisen. Es wurden Reste einer 600 Meter langen, parallel zur Küste verlaufenden Befestigungsmauer freigelegt. Die Stadt, als deren Name Daulia vermutet wird, erlebte ihre Blüte zwischen dem 4. und 2. Jahrhundert v. Chr. Das zur selben Zeit zur Hauptstadt eines wenige Kilometer inland-siedelnden Illyrerstammes ausgebaute Byllis hatte mit Daulia seinen nächsten Hafen. Der Ort war im 1. Jahrhundert v. Chr. aufgegeben.

Römische Quellen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. erwähnen eine Zwischenstation auf der Handelsroute entlang der Küste zwischen Dyrrachium und Buthrotum. Seit 1988 in der Nähe der Muradi Moschee in der Altstadt Teile einer Stadtbefestigung aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. ausgegraben wurden, wird dieses römische Aulon an der Stelle der heutigen Stadt vermutet. Im 5. Jahrhundert wurde Aulon innerhalb dieser Festungsmauern Bischofssitz. Unter Kaiser Justinian (527–565) wurden die Mauern verstärkt. Eine Zuwanderung erfolgte aus Apollonia, das im 6. Jahrhundert aufgegeben wurde.

Ende des 6. Jahrhunderts wurde die Stadt bei einem Slaweneinfall verwüstet, viele der Einwohner flohen auf die Insel Sazan. Ende des 11. Jahrhunderts eroberten von Apulien aus Normannen im Kampf gegen Byzantiner und zeitweilig auch gegen Venezianer die Stadt, die zwischenzeitlich Valona hieß. Es folgte eine weiterhin wechselvolle Geschichte bis ins 15. Jahrhundert. 1204 gelangte Valona zum Despotat Epirus und 1272 in den Besitz des Hauses Anjou. Es wurde im 14. Jahrhundert von Serben und 1417 als erster adriatischer Hafen von Osmanen erobert. Unter osmanischer Herrschaft entwickelte sich Valona – nunmehr türkisch Avlona – zur wichtigsten Hafenstadt im Bereich Albaniens und profitierte vor allem durch den Handel mit Ragusa.

Dies dürfte auch der Grund sein, warum gerade hierher ab 1492 aus Spanien sephardische Juden flohen und eine größere Gemeinschaft in der Stadt bildeten. Im Jahre 1520 wurden unter türkischer Herrschaft 701 einheimische und 531 jüdische Familien gezählt.[2]

1537 wurde die Stadt unter Suleyman dem Prächtigen durch Festungsmauern in Form eines Achtecks mit 90 Meter Kantenlänge gesichert, teilweise mit Baumaterial aus dem antiken Daulia. Im Innern befand sich auch ein mächtiger Rundturm; bis 1906 alles abgerissen und für den Bau der Hauptstraße zum Hafen verwendet wurde.

Die neuere Geschichte der Stadt war wiederholt von großer Bedeutung für das ganze Land. In Vlora rief am 28. November 1912 Ismail Qemali die Unabhängigkeit Albaniens aus. Bis 1914 war Vlora Sitz der ersten provisorischen Regierung des Landes und somit Hauptstadt. 1920 wurden hier die letzten italienischen Truppen aus dem Land geworfen.

1939–1943 war die Stadt erneut von Italienern besetzt, deren U-Boothafen bei der vorgelagerten Insel Sazan Anlass für Bombenabwürfe der Alliierten während des Zweiten Weltkriegs auf Hafen und Stadt war. Nach dem Krieg waren kaum noch Gebäude aus osmanischer Zeit erhalten. Bis zum politischen Bruch mit Moskau 1961 unterhielt die Sowjetunion eine Marinebasis in der Bucht.

In jüngerer Zeit war das Augenmerk der ganzen Welt auf Vlora gerichtet, als im Januar/Februar 1997 die Unruhen, die zum Sturz der Regierung und anarchischen Verhältnissen führten, von hier aus auf ganz Albanien übergriffen.

In den 1990er Jahren wurde Vlora zu einem Zentrum des Schmuggels über die Adria. Das italienische Festland ist nur rund 60 Kilometer entfernt. Mit Schnellbooten können die Schmuggler die Straße von Otranto in einigen wenigen Stunden erreichen. Die Mafia transportierte so Drogen und zum Teil auch Waffen, insbesondere aber Menschen (Flüchtlinge aus Albanien und Asien sowie Frauen für Prostitution) nach Westeuropa. Wiederholt kam es zu Unfällen, bei denen mehrere Flüchtlinge ertranken. Gegenwärtig kämpfen die albanischen Behörden mit Unterstützung von Italienern, Deutschen und Amerikanern gegen das organisierte Verbrechen. Die illegalen Geschäfte haben Vlora zu einer der wohlhabendsten Städte des Landes gemacht.

Stadtbild

Vom Zentrum der Neustadt in Hafennähe mit Wohnblocks, Hotels und Banken führt die breite Hauptstraße 1,5 Kilometer nach Norden in den alten Stadtteil um den Platz des Unabhängigkeitsdenkmals. In dessen Nähe sind noch kurze Abschnitte der mittelalterlichen Stadtmauer zu sehen. Schnell gebaute Wohnblocks dehnen die Stadt entlang der Küste und westlich der Hauptstraße nach Norden aus.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus verloren viele Bewohner Vloras ihren Arbeitsplatz. Der Schmuggel über die Straße von Otranto entwickelte sich und viel illegales Geld floss dadurch in die Stadt, das, so wird vermutet, in luxuriöse Immobilien – Hotels oder Boutiquen – angelegt wurde.

Sehenswürdigkeiten

  • Die Muradije-Moschee im Stadtzentrum aus dem 16. Jahrhundert hat als einzige der osmanischen Moscheen die Kriege und zuvor 1851 ein Erdbeben überlebt.
  • Unabhängigkeitsmuseum und Unabhängigkeitsdenkmal.
  • Historisches Museum
  • Ethnographisches Museum mit Alltagsgegenständen aus den Haushalten und Handwerksbetrieben sowie volkstümlicher Kleidung
  • In der Lagune von Narta befindet sich auf einer kleinen Insel das orthodoxe Kloster von Zvernec.
  • Ausflugsziele in der näheren Umgebung sind auch die fünf Kilometer entfernt auf einem Hügel und am antiken Weg von Aulon nach Amantia gelegene Burg Kanina mit Mauerresten aus illyrischer (4. Jahrhundert v. Chr.), justinianischer (6. Jahrhundert n. Chr.), byzantinischer (11. Jahrhundert) und noch osmanischer Zeit (16. Jahrhundert) – danach ging die Bedeutung des Ortes durch den Bau der Festung in Vlora zurück –
  • und das antike Orikum, aus dem in der Türkenzeit der Hafen Pashaliman wurde.

Wirtschaft und Umwelt

Hafen

Der Hafen ist der zweitgrößte des Landes. In den Jahren nach 2001 nahm der Warenumschlag aber laufend ab und erreichte 2004 mit 300.000 Tonnen nur noch ein Zehntel der Menge vom Hafen in Durrës. Arbeitsplätze sind in den letzten Jahren im Tourismus entstanden. Die neuen Mittelklassehotels rund um die Bucht von Vlora werden vorwiegend von einheimischen Badeurlaubern genutzt.

Umweltschäden

An der Küste fünf Kilometer nordwestlich vom Hafen liegt das Industriegebiet der Stadt. Dort hat die rücksichtslose Industrialisierung in der kommunistischen Nachkriegsära dazu geführt, dass Vlora zu einem der fünf am meisten durch Umweltschäden betroffenen Gebiete Albaniens geworden ist.[3] Verursacher ist ein 1970 in Betrieb genommenes Chemieunternehmen zur Produktion von Alkalichloriden und Polyvinylchlorid (PVC). Die Fabrik wurde 1992 geschlossen und während der genannten Unruhen 1997 zerstört. Übrig geblieben sind Betonruinen und eine um das Tausendfache gegenüber dem EU-Grenzwert erhöhte Konzentration von Quecksilber im Boden. Des Weiteren ist der Boden durch chlorierte Kohlenwasserstoffe verseucht. Eine Abwasserreinigung war nicht vorgesehen.[4] Unmittelbar Leidtragende sind neu angesiedelte Bewohner in der Nähe, und die Narta-Lagune als eines der wichtigsten Feuchtbiotope nördlich angrenzend.

Industriepark-Projekt

Seit dem Jahr 2000 sind Planungen bekannt, an dieser Stelle ein sechs Hektar großes Gelände für den Bau eines mit Öl befeuerten Wärmekraftwerks (Thermo Power Plant TPP) auszuweisen. Das Projektmanagement wird von der albanischen Betreibergesellschaft KESH (Korporata Energjike Shqiptare) übernommen; Kredite von 110 Millionen Euro wurden durch die Weltbank und zwei europäische Großbanken in Aussicht gestellt. Bürgerinitiativen kritisieren das Projekt wegen mangelhafter Bürgerbeteiligung, fehlender Folgenabschätzung für Umwelt und Fischerei und befürchten negative Auswirkungen auf den Tourismus.[5]

Ungeachtet mehrerer Demonstrationen in den letzten Jahren und einer Weltbank-Studie vom Juli 2007,[6] in welcher ein Überdenken des Projekts empfohlen wird, wurde im August 2007 vorbereitend für den Bau mit dem Fällen der Bäume auf dem Gelände begonnen.

In Zusammenhang mit diesem Kraftwerk steht ein an der Küste geplantes Erdöl-Terminal, für dessen Bau eine italienische Firma für einen Euro die Genehmigung erhalten hat.[7] Die strategische Planung sieht auch den Bau der seit vielen Jahren von Albanien und den USA befürworteten, 900 Kilometer langen Erdöl-Pipeline vom bulgarischen Burgas über Mazedonien nach Vlora vor.[8] Im Mai 2007 hat das bulgarische Parlament dem Projekt zugestimmt.

Verkehr

Nach dem italienischen Otranto verkehrt eine Fähre, im Sommer gibt es regelmäßig Schnellboote nach Himara, Saranda und Korfu.

In Vlora endet zudem eine Linie der albanischen Eisenbahn der Hekurudha e Shqipërisë. Täglich verkehren zwei Züge pro Richtung zwischen Tirana und Vlora. Die Straße nach Norden ist erneuert und wird in nächster Zeit zu einer Autobahn ausgebaut, siehe Liste der Autobahnen in Albanien. Die Straße nach Süden über den Llogara-Pass ist zwar kurvenreich und eng, wurde aber streckenweise bereits erneuert.

Sonstiges

Der lokale Fußballklub KS Flamurtari Vlorë spielt in der Ersten Liga.

Söhne und Töchter der Stadt

Partnerstädte

Einzelnachweise

  1. Infos über die Kommunalwahlen 2007
  2. Bashkia Vlora: History of Vlora; leicht abweichende Zahlen finden sich bei Albert Ramaj: Rettung von Juden in Albanien, in: David, Nr. 73, Juni 2007 und Haroey Samer: Rescue in Albania, Brunswick Press, Cathedral City, California, 1997, ISBN 1-888521-09-0 (Online-Version), wo von 609 von Juden bewohnten Häusern resp. Haushalten die Rede ist.
  3. BBC News vom 27.4.2001: Albania's environmental wasteland und Post-Conflict Environmental Assessment – Albania
  4. Fotos der Fabrikruinen und einer Abwasserleitung, die direkt ins Meer führte Geotest BRNO
  5. Bankwatch.org
  6. Weltbank Studie englisch
  7. La Petrolifera Italo Albanese Sh.A.
  8. Go-ahead for Balkan oil pipeline

Literatur

  • Alain Ducellier: La Facade maritime de l’Albanie au moyen age. Durazzo et Valona du 11e au 15e siecle. (= Documents et recherches sur l’economie des pays byzantins, islamiques et slaves et leurs relations commerciales au moyen age. 13). Thessaloniki 1981.
  • Zeko Braho: Vlora në rrjedhat e historisë. Tirana 1997.
  • Johann Berner: Kulturgeschichtliche Berichte über die Hafenstädte der Balkanhalbinsel: Skutari, Durazzo, Valona. Leipzig 1917.
  • Zenepe Luka: Vlora. Shënime. Tirana 1998 (über die Unruhen in Vlora 1997)

Weblinks


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