Viola

Viola
Dieser Artikel behandelt die Bratsche. Das Stichwort Viola leitet hierher. Für andere Bedeutungen des Worts Viola siehe Viola (Begriffsklärung)
Bratsche / Viola
engl./ital.: viola, frz.: alto
Klassifikation
Chordophon
Streichinstrument
Tonumfang
Verwandte Instrumente
Violine, Violoncello
Klangbeispiel
Gesprochener Inhalt anhören
Musiker
Liste von Bratschisten
Kategorie:Bratschist

Die Bratsche (oder Viola) ist ein zu den Geigen gehörendes Streichinstrument, das, wenn auch leicht anders mensuriert, im Wesentlichen eine größere, tiefer klingende Bauform der Violine ist. Sie stellt das Alt-Instrument der Violinfamilie dar. Das Wort Bratsche leitet sich vom italienischen Viola da braccio (Arm-Viola) ab, was die Spielhaltung im Gegensatz zur Viola da gamba (Bein-Viola) bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Charakteristika

„Scheinbar ist die Viola nur eine größere Violine, einfach eine Quint tiefer gestimmt. Tatsächlich liegen aber Welten zwischen den beiden Instrumenten. Drei Saiten haben sie gemeinsam, die A-, D-, und G-Saite. Durch die hohe E-Saite erhält der Klang der Violine eine Leuchtkraft und metallische Durchdringlichkeit, die der Viola fehlen. Die Violine führt, die Viola bleibt im Schatten. Dafür besitzt die Viola durch die tiefe C-Saite eine eigenartige Herbheit, kompakt, etwas heiser, mit dem Nachgeschmack von Holz, Erde und Gerbsäure“, schrieb der ungarische Komponist György Ligeti im Vorwort zu seiner Sonate für Viola solo (1991–1994).

Die Physik der Bratsche ist der der Violine sehr ähnlich; Details über den Aufbau des Instruments und die Funktion der einzelnen Bestandteile können im dortigen Artikel nachgelesen werden. Auch der Bogen gleicht dem der Violine, er ist allerdings länger und 10–15 g schwerer und hat eine abgerundete Kante.

Ein Unterschied zur Geige besteht in der Größe und Stimmung der Viola, deren leere Saiten eine Quinte tiefer auf c – g – d’ – a’ gestimmt sind. Die drei höheren Saiten der Bratsche entsprechen damit in der Tonhöhe den drei unteren der Violine.

Der Klang der Bratsche wird als voll, weich, dunkel bis in die höchsten Lagen, immer etwas melancholisch, leicht rauchig und etwas näselnd beschrieben. Der tiefsten Saite, der C-Saite, ist zumal im „forte“ etwas Wildes, Rauhes, Drohendes zueigen, eine Eigenschaft, die in der Opern-, der sinfonischen und häufig in der Filmmusik genutzt wird. In der Höhe, auf der A-Saite, fehlt der Bratsche die Brillanz und Helligkeit der Violine, der Klang ist dunkler und gleichzeitig von einer charakteristischen Schärfe, die an den Klang der Oboe erinnert. Die Eigentümlichkeit des Bratschenklangs beruht auf der Tatsache, dass der Korpus der Viola für ihre Stimmung eigentlich zu klein ist: Da sie eine Quinte tiefer als die Geige erklingt (Frequenzverhältnis 2:3), müsste der Korpus auch im gleichen Verhältnis länger sein als der etwa 36 cm lange Geigenkorpus, also ungefähr 54 cm lang. So wie die Violine verfügt die Viola über einen obertonreichen und damit warmen Klang, der zu kleine Korpus dämpft jedoch die einen hellen, brillanten und härteren Klang verursachenden hohen Obertöne ab. So kommt es, dass sich die äußerlich so ähnlichen beiden Instrumente im Klang merklich unterscheiden.

Bratsche in Front- und Seitenansicht

Dass man die Bratsche mit einem kleineren Korpus baut, als es die Physik nahelegt, liegt in der menschlichen Physis begründet: Wir sind zu klein. Je größer das Instrument, desto stärker die Streckung des linken Arms, desto kleiner der physiologisch mögliche und gesundheitlich unbedenkliche Radius der Einwärtsdrehung (Supination) des Arms zum Greifen der Saiten. Schon auf der kleineren Geige wird der linke Arm stark einwärts gedreht. Beim Halten einer Bratsche kommt der Arm durch die Supination ungleich leichter in eine Grenzposition, die, wird sie öfter eingenommen, zu gesundheitlichen Problemen wie einer Schleimbeutelentzündung des Ellenbogengelenks oder Muskelverhärtungen führen kann. Auch der ganze Halteapparat des Rücken- und Schulterbereichs wird durch die Bratsche stärker beansprucht als durch die Geige.

Ein größerer Instrumentenkorpus bedeutet eine längere Mensur (schwingende Saitenlänge) mit demzufolge größeren Tonabständen. Die Griffhand und die Finger müssen daher permanent etwas gespreizt und trotzdem entspannt werden. Die Spreizung ist natürlich nur in einem beschränkten, individuell verschiedenen Maß möglich, beeinflusst dabei die Fingerfertigkeit in negativer Weise und kann ebenfalls Ursache gesundheitlicher Probleme sein. Bis in die Barockzeit hinein wurde die zweittiefste Stimme des fünfstimmigen Streichersatzes auf Viola tenore genannten Instrumenten mit Korpuslängen von ca. 48 cm gespielt, die mittlere Stimme auf der mit 40 bis 42 cm Korpuslänge vielen heutigen Bratschen entsprechenden Viola alta (daher die französische Bezeichnung „alto“). Da sich die Spielanforderungen im Ensemble in Grenzen hielten, waren die Viole tenore trotz ihrer Größe spielbar. Viele von ihnen wurden jedoch im 18. Jahrhundert brutal verkleinert, als der nunmehr nur vierstimmige Streichersatz der Frühklassik der Bratsche kaum bedeutende Aufgaben zuwies und man daher weniger an vollem Klang als vielmehr an bequemer Spielbarkeit interessiert war.

Die Verwendung einer solistischen Bratsche in C. M. von Webers „Freischütz“ markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Bratsche. Das seither und bis in die Gegenwart wachsende Interesse an der Bratsche erforderte wieder klangvollere und damit größere Instrumente. Die Erschwerung der Spielbarkeit musste man dafür in Kauf nehmen. Jeder Bratschist sucht daher nach der für ihn besten Lösung im Spannungsfeld von Klang, technischer Beherrschung und gesundheitlicher Unbedenklichkeit. Im Gebrauch sind Instrumente zwischen 38 und 45, 46, 47 cm Korpuslänge, die meisten liegen zwischen 40,5 und 43 cm.

Die Bratsche wird als einziges Orchesterinstrument generell im Altschlüssel, dem C-Schlüssel auf der dritten Linie des Notensystems, notiert. Dies hat historische Gründe und trägt der Tatsache Rechnung, dass der Gebrauch des Violinschlüssels unnötig viele Hilfslinien bei der Notation des oft benutzten tiefen Registers nach sich ziehen würde. Für hohe Lagen ab etwa dem f’’ hingegen wird aus den entsprechenden Gründen auf den Violinschlüssel ausgewichen.

Größenunterschied Violine – Bratsche

Verwendung in der Musik

Solistisch

Zu den wichtigsten Konzerten für Bratsche gehören:

Kammermusik

Die eigentliche Heimstatt der Bratsche ist die Kammermusik. An erster Stelle stehen hierbei Sonaten u.ä. für Viola allein und für Viola und Klavier sowie das Streichquartett (mit erster und zweiter Violine, Viola und Violoncello) als Hauptgattung der Kammermusik überhaupt. Weitere Streicherformationen sind:

  • das Streichduo mit Viola und Violine oder Violoncello oder Kontrabass oder einer zweiten Viola
  • das Streichtrio mit Violine, Viola und Violoncello oder zwei Violen und Violoncello oder Viola, Violoncello und Kontrabass
  • das Streichquintett mit entweder einer das Streichquartett vergrößernden zweiten Bratsche oder einem zweiten Violoncello
  • das Streichsextett, meist mit je zwei Violinen, Violen und Violoncelli

Eine ganze Reihe Werke gibt es auch in ungewöhnlicheren Besetzungen wie den folgenden:

  • Flöte, Viola und Harfe (über 80 Originalkompositionen; Hauptwerk: C. Debussy Sonate, in g, 1915)
  • Klarinette, Viola und Klavier (über 80 Originalkompositionen: Hauptwerke: W. A. Mozart "Kegelstatt"-Trio KV 498, in Es, 1786; R. Schumann „Märchenerzählungen“, op. 132, 1854; M. Bruch Acht Stücke op. 83)
  • Gesang (meist Alt), Viola und Klavier ( über 150 Originalkompositionen; Hauptwerk: J. Brahms Zwei Gesänge op. 91, für Alt, „Gestillte Sehnsucht“ und „Geistliches Wiegenlied“)
  • Flöte, Violine und Viola (über 130 Originalkompositionen; Hauptwerk: L. v. Beethoven Serenade, in D, op. 25, ca. 1795)
  • das Klavierquartett und -quintett mit einer bzw. zwei Violinen, Viola, Violoncello und Klavier.

Darüber hinaus gibt es Kammermusikwerke in fast jeder denkbaren Kombination von Instrumenten.

Orchester

„Von allen Instrumenten im Orchester ist die Viola dasjenige, dessen ausgezeichnete Eigenschaften man am längsten verkannt hat“, notierte Hector Berlioz in seiner berühmten Instrumentationslehre. Noch vor der Emanzipation des Instruments im solistischen Spiel fand dieser Zustand jedoch im Lauf des 19. Jahrhunderts sein Ende. Die bedeutendsten Partien für die Bratsche in Orchesterwerken finden sich unter anderem in Anton Bruckners 4. Sinfonie (der „Romantischen“), im Adagio der 10. Sinfonie von Gustav Mahler und, für eine Solo-Bratsche, in der Sinfonischen DichtungDon Quixote“ von Richard Strauss. In der frühen Barockzeit (zum Beispiel in frühen Bach-Kantaten) schrieben viele Komponisten noch zwei geteilte Bratschenstimmen, sehr bald jedoch war eine einzige, ungeteilte Stimme die Regel. Die Bratsche bildet im Orchester die klangliche Brücke von den beiden Violinstimmen zur Bassgruppe mit dem Violoncello und dem Kontrabass. Im heutigen Sinfonieorchester wirken im Normalfall zwölf Bratschisten mit, also zwei Spieler weniger als in der Gruppe der Zweiten Violinen und zwei mehr als in der Cellogruppe. Der erste Bratschist heißt Solo-Bratschist; er führt die Stimmgruppe an und spielt die Solopassagen für eine einzelne Bratsche, wenn die Partitur dies vorsieht. Die Bratschen sitzen im Orchester meist in der Mitte rechts vor dem Dirigenten zwischen den Zweiten Geigen und den Violoncelli, in manchen Orchestern, wie bei den Berliner Philharmonikern, auch ganz rechts am Podiumsrand, gegenüber den Ersten Geigen und vor den Kontrabässen.

Pädagogik

Fast alle Bratschisten lernen als Kind zunächst Geige und wechseln dann zur „großen Schwester“. Das kann einerseits aus eigenem Interesse geschehen, wenn dem jungen Geiger beispielsweise der Klang oder die tiefere Lage besser gefällt, andererseits gibt es durchaus auch Geigenlehrer, die Schülern mit großen Händen und langen Armen den Wechsel auf das größere Instrument empfehlen. Leider war es auch lange Zeit üblich, weniger talentierte Geiger Bratsche lernen zu lassen, was die Vorurteile gegen Bratschisten verstärkte.

Die „unbegabten“ Bratscher?

Eine Bratsche mit 43 cm Korpuslänge

Die Bratsche stand lange Zeit im Schatten der Violine und des in der Romantik geschätzten Violoncellos, so dass es bis ins 20. Jh. vergleichsweise wenig Sololiteratur gab. Vor allem die aus der Größe des Instruments resultierenden Schwierigkeiten und der sich gegen ein begleitendes Orchester ungleich schwerer durchsetzende dunkle Klang in der Mittellage verhinderten lange Zeit eine virtuose Zurschaustellung. Das Violoncello ist zwar noch größer, aber aufgrund seiner anderen Spielhaltung und Griffweise (chromatischer Fingersatz und Gebrauch des Daumens) für technische Passagen leichter verwendbar. Obwohl gerade die speziellen Anforderungen der Bratsche Instrumentalisten mit einer elaborierten Technik erfordert hätten, wurden (und werden zum Teil immer noch) „schlechte“ Geiger zur Bratsche weitergeleitet, weil ihr unvollendetes Können dort, so meinte man, weniger zutage trat, als wenn sie Geige spielten. Aus diesen Umständen ergibt sich eine Reihe von Vorurteilen Bratschisten gegenüber als langsamen, schwerfälligen Spielern mit mangelhafter Technik, die im Artikel Bratscherwitz näher erläutert werden.

Bekannte Spieler

Siehe auch: Liste von Bratschisten

Kurioses

Als exzellenter Viola-Spieler und Instrumentenbauer rekonstruierte der deutsche Verhaltensforscher Erich von Holst Bratschen, die wie altitalienische Modelle klangen – um zu beweisen, dass er die Gesetzmäßigkeiten der Klangbildung richtig erfasst hatte. Darüber hinaus entwickelte er einen Vorschlag zur Lösung des sogenannten „Bratschenproblems“ (siehe oben; Armlänge und -drehung) durch eine asymmetrische Bauweise (eine schlichte geometrische Scherung), die nach seinen Berechnungen keine klanglichen Nachteile hervor brächte.

Literatur

  • Yehudi Menuhin, William Primrose: Violine und Viola. (Menuhins Musikführer), 1993, Ed. Sven Bergh. ISBN 3716301752.
  • Hugo Pinksterboer: Pocket-Info, Violine und Viola 2003, Music Distribution Services GmbH. ISBN 3795755352.
  • Dessauer, Heinrich: Die Verbesserungs-Versuche beim Bau der Bratsche (Viola) – Berlin: Warschauer, 1912
  • Franz Zeyringer: Literatur für Viola 1985, Verlag Julius Schönwetter Jun., Hartberg (Austria)
  • Jappe, Michael/Jappe, Dorothea: Das Repertoire für die Historische Bratsche von 1649 bis nach 1800: Kommentiertes thematisches Verzeichnis. Winterthur: Amadeus 1999

Weblinks


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