Vierung

Vierung
Die Vierung einer Basilika
Kloster Ebrach / Franken

Unter Vierung wird im Kirchenbau der Raum bezeichnet, der beim Zusammentreffen des Haupt- und Querschiffes einer Kirche entsteht.

Die Vierung trennt in Kirchen mit kreuzförmigem Grundriss den Chor vom Langhaus. In Kirchen mit kurzem Chor kann bei Kloster-, Stifts- und Domkirchen hier das Chorgestühl untergebracht sein.

  • Eine Vierung, bei der Haupt- und Querschiff gleich breit und gleich hoch sind, wird echte Vierung genannt. Als Ergebnis entsteht ein quadratischer Raum.
  • Ist die Vierung bei einem quadratischen Grundriss optisch durch Vierungsbögen und Vierungspfeiler gegen Langhaus, Querhausarme und Chor abgegrenzt, so handelt es sich um eine ausgeschiedene Vierung.
  • Von einer abgeschnürten Vierung wird gesprochen, wenn die beiden Seiten des Querschiffes niedriger als das Hauptschiff oder durch Mauervorsprünge teilweise abgetrennt sind.

Die dritte Kirche von Cluny ("Cluny III", ab 1088) verfügte über zwei Querhäuser und hatte daher zwei Vierungen. Dieser Grundrisstypus verbreitete sich besonders in England (man spricht von einem „Doppel-Querhaus-Grundriss“). Die Vierungen werden nach den Querhäusern benannt: Westquerhaus - Westvierung und Ostquerhaus - Ostvierung.

Vierungsturm, romanisch (Hildesheim, St. Godehard)
Vierung in der Decke der Stadtkirche Glarus, Schweiz

Inhaltsverzeichnis

Vierungstürme und Vierungskuppeln

Der Turm, der über der Vierung (engl. Crossing oder Intersection genannt) errichtet ist, wird Vierungsturm genannt. Insbesondere in der normannischen und britisch-irischen Baukunst des Mittelalters wurden häufig Vierungstürme gebaut. Auch die Scheldegotik hat den Vierungsturm als besonderes Merkmal. Er kann entweder zum Innenraum der Kirche offen (Laternenturm) oder durch ein Vierungsgewölbe geschlossen sein. Abgesehen von den normannischen Kathedralbauten verzichtet die französische Gotik in der Regel auf den Vierungsturm (Ausnahmen: Kathedrale von Laon (12. Jh.) und Kirche Notre-Dame in Dijon (19. Jh.?)).

In den großen Kirchenbauten der Romanik wurde über der Vierung gerne eine Kuppel - manchmal über einem Tambour - errichtet (Vierungskuppel). Die Baupläne der gotischen Kathedralen sahen ebenfalls manchmal eine Kuppel vor, die allerdings selten ausgeführt wurde. Sehr häufig findet man bei gotischen Kirchenbauten einen Dachreiter über der Vierung. Die Vierungskuppel wird entweder als Klosterkuppel auf einem Achteck oder als Kuppel auf einem Kreis aufgebaut. Die Überleitung aus dem Viereck des Grundrisses ins Achteck oder Rund wird durch ausgemauerte Eckzwickel, sogenannte Trompen, oder durch sphärische Dreiecke, sogenannte Pendentifs, gestaltet.

Geschichte

Die frühen christlichen Basiliken haben zumeist keine Vierung (Ausnahme: Qal'at Sim'an), da bei ihnen das durchlaufende Querhaus als separater Raum vor das Langhaus gelegt ist und die Apsis unmittelbar an das Querhaus anschließt. Diese Bauweise hält sich bis ins die Zeit der Ottonen. Vorformen der Vierung finden sich aber bereits in der Karolingerzeit bei den Kirchen von Germigny-des-Prés, Reichenau-Mittelzell und -Oberzell sowie auf dem St. Galler Klosterplan. In der ottonischen Baukunst ist die (restaurierte) Vierung der Stiftskirche Gernrode zu nennen. Die erste ausgeschiedene Vierung im strengen Wortsinn findet sich in St. Michael in Hildesheim um 1020. Auf ihrem quadratischen Maß baut der Grundriss der Kirche auf (siehe Quadratischer Schematismus). Sie bildet ein wesentliches Merkmal für die Definition des Übergangs von der früh- zur hochromanischen Architektur. In der Architektur seit der Renaissance wird die Vierung meist durch eine Kuppel auf einem Tambour betont.

Sonderformen

massif barlong, Stiftskirche Notre-Dame du Port, Clermont-Ferrand

Eine einzigartige und charakteristische Ausgestaltung des Vierungsbereiches findet sich bei den romanischen Kirchen in der Auvergne (Frankreich). Die Vierung und anschließende Teile des Querschiffes werden mit einer querrechteckigen Aufstockung erhöht, die vom Vierungsturm gekrönt wird. Dieser Bauteil wird als auvergnatischer Block oder massif barlong bezeichnet. Teils wird im Inneren die Vierung durch herabgezogene Schwibbögen betont (Stiftskirche Notre-Dame du Port, Clermont-Ferrand). Der pyramidenförmige Aufbau des Chorbereiches mit Kapellenkranz, Apsis, Querschiff und Vierungsturm wird durch die weitere Stufe des massif barlong betont, man spricht von der auvergnatischen Pyramide.

In der Kathedrale von Ely ist die Vierung zu einem Oktogon erweitert und mit einem hölzernen Gewölbe abgeschlossen.

Besonders markante Vierungstürme

Siehe auch

Laternenturm

Tambour (Architektur)

Literatur

  • Günther Binding: Die ausgeschiedene Vierung, eine Erfindung Bischof Bernwards von Hildesheim?, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, 67.2006, p. 73-105.
  • Philip S. C. Caston: Spätmittelalterliche Vierungstürme im deutschsprachigen Raum : Konstruktion und Baugeschichte. (Diss. Bamberg 1996) Imhof, Petersberg 1997. ISBN 3-932526-05-8

Weblinks

 Commons: Vierung – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Vierung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Vierung — Vierung, 1) ein Viereck, bes. Quadrat, ein Gegenstand von viereckiger Gestalt; 2) der aus der Durchkreuzung des Querschiffes mit dem Langschiffe entstehende quadratische Raum einer Kreuzkirche, welcher bei den katholischen Kirchen u. denen des… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Vierung — Vierung, in der Kirchenbaukunst der durch die Durchschneidung des Quer und Langschiffes entstandene viereckige Raum, oft von einer Kuppel überwölbt. S. auch Bergrecht, S. 681 …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Vierung — Vierung, 1. Viereck, Quadrat; 2. in einer Kirche der weite Raum, welcher durch die Kreuzung von Langhaus und Querschiff entsteht (s. Basilika, Bd. 1, S. 557, Fig. 5–8) und äußerlich meist durch einen Aufbau, den Vierungsturm, zum Ausdruck… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Vierung — Vierung, in der Kirchenbaukunst das durch die Durchschneidung von Langhaus und Querschiff gebildete Viereck (gewöhnlich Quadrat); über der V. oft ein Vierungsturm, eine Kuppel oder nur ein Dachreiter …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Vierung — Vie|rung 〈f. 20; in der mittelalterl. Basilika〉 Viereck, das dort entsteht, wo Langschiff u. Querschiff sich schneiden * * * Vie|rung, die; ; en (Archit.): [im Grundriss quadratischer] Teil des Kirchenraumes, in dem sich Lang u. Querhaus… …   Universal-Lexikon

  • Vierung (Begriffsklärung) — Vierung (ursprüngliche Bedeutung: Quadrat) bezeichnet: im Kirchenbau den Raum des Zusammentreffens des Haupt und Querschiffes einer Kirche, siehe Vierung einen Begriff im Bergbau, siehe Vierung (Bergbau) in der Heraldik eine Aufteilung des… …   Deutsch Wikipedia

  • Vierung (Bergbau) — Als Vierung bezeichnete man im Bergbau die Breitenausdehnung eines Grubenfeldes, ohne dabei die Mächtigkeit der Lagerstätte zu berücksichtigen. Erst durch die Vierung wurde das eigentliche Grubenfeld gebildet.[1] Im weiteren Sinne ist die Vierung …   Deutsch Wikipedia

  • Vierung (Heraldik) — Wappenvereinigung derer von Veltheim (1. und 4. Feld) mit denen von Samptleben (2. und 3. Feld) Die Vierung ist in der Wappenkunde (Heraldik) als Schildteilung ein besonderes Heroldsbild. Die auch als Quadrierung bekannte Aufteilung des… …   Deutsch Wikipedia

  • Vierung, die — Die Vierung, plur. die en, von dem schon ungewöhnlichen Zeitworte víeren. 1. Die Handlung des Vierens, ohne Plural; wo noch in der Geometrie die Quadratur des Zirkels, d.i. die Verwandlung eines Zirkels in ein gleichseitiges Viereck von eben so… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Vierung (Steinmetz) — Rechteckige Vierung unterhalb des Kapitells an Torpfeiler des ehemaligen Schloss Salzdahlum (1694) Eine Vierung oder ein Vierungsstück wird als steinernes Ersatzstück in eine Fehlstelle an historischen Bauwerken aus Naturstein eingebracht oder an …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”