Baumsteigerfrösche

Baumsteigerfrösche
Baumsteigerfrösche
Färberfrosch (Dendrobates tinctorius) in Bromelie

Färberfrosch (Dendrobates tinctorius) in Bromelie

Systematik
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Lurche (Amphibia)
Unterklasse: Lissamphibia
Ordnung: Froschlurche (Anura)
Unterordnung: Neobatrachia
Familie: Baumsteigerfrösche
Wissenschaftlicher Name
Dendrobatidae
Cope, 1865

Die Baumsteigerfrösche (Dendrobatidae), auch Pfeilgiftfrösche oder Farbfrösche genannt, sind eine Familie der Froschlurche (Anura). Die oft sehr kleinen (etwa 12 bis 50 mm) und farbenfrohen Frösche werden derzeit in ein Dutzend Gattungen und rund 170 Arten untergliedert. Mit dem Färberfrosch, Dendrobates tinctorius (Cuvier, 1797), wurde eine Art erstmals bereits im 18. Jahrhundert von einem Europäer beschrieben. Die deutschsprachige Bezeichnung „Pfeilgiftfrösche“ für die ganze Familie ist irreführend, da im Wesentlichen nur drei Arten der Gattung Phyllobates von indigenen Völkern für das Pfeilgift verwendet werden. Nicht alle Stoffe, die von den Baumsteigerfröschen durch ihre Hautdrüsen ausgeschieden werden, sind tödliche Nervengifte.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Verbreitung der Familie Dendrobatidae

Die Dendrobatiden bewohnen den mittel- und südamerikanischen Regenwald; einige Arten sind auch noch im Hochland von Ecuador anzutreffen. Die nördliche Verbreitungsgrenze ist Nicaragua. Es besteht außerdem noch eine allochthone Population von Dendrobates auratus auf Hawaii. Diese Frösche wurden dort Anfang des 20. Jahrhunderts ausgesetzt.

Die Tiere leben bei Tagestemperaturen um 25 °C und Nachttemperaturen um 20 °C sowie einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70 bis 100 %. Sie bewohnen je nach Art alle Zonen des neotropischen Regenwaldes von der Laubschicht des Bodens bis in die Baumkrone.

Taxonomie

Goldbaumsteiger (Dendrobates auratus)
Blauer Baumsteiger (Dendrobates tinctorius var. azureus)

Die Systematik der Baumsteigerfrösche wird kontrovers diskutiert. Nach ausführlichen Revisionen zeichnet sich derzeit die folgende Systematik mit drei Unterfamilien und zwölf Gattungen ab. Verschiedene früher ebenfalls unter den Dendrobatidae geführte Taxa werden mittlerweile in Gattungen wie Allobates, Anomaloglossus, Aromobates, Mannophryne und Rheobates einer neu etablierten Familie Aromobatidae mit drei enthaltenen Unterfamilien zugeordnet. Auch innerhalb der jetzigen Gattungen der Dendrobatidae wurden zuletzt zahlreiche taxonomische Umsortierungen der Arten vorgenommen. Außerdem werden aufgrund phylogenetischer Untersuchungen immer mehr Arten aus „Sammelarten“ (Artenkomplex) mit großem Verbreitungsgebiet und verschiedenen Farbmorphen ausgegliedert.[1]

Gattungen und ausgewählte Arten

  • "Colostethus" poecilonotus Rivero, 1991 (incertae sedis)
  • "Colostethus" ramirezi Rivero & Serna, 2000 (incertae sedis)

Unterfamilie Colostethinae Cope, 1867

  • Gattung Ameerega Bauer, 1986
  • Gattung Colostethus Cope, 1866
  • Gattung Epipedobates Myers, 1987
  • Gattung Silverstoneia Grant, Frost, Caldwell, Gagliardo, Haddad, Kok, Means, Noonan, Schargel & Wheeler, 2006

Unterfamilie Dendrobatinae Cope, 1865

Unterfamilie Hyloxalinae Grant, Frost, Caldwell, Gagliardo, Haddad, Kok, Means, Noonan, Schargel & Wheeler, 2006

  • Gattung Hyloxalus Jiménez de la Espada, 1871

Fortpflanzung

Die Laichablage erfolgt bei kleineren Arten überwiegend auf Blättern von Pflanzen. Größere Arten (Dendrobates tinctorius und D. auratus) sind auch Höhlenlaicher. Je nach Art umfasst ein Gelege zwischen zwei und 35 Eiern. Dem Laichen geht ein teils stundenlanges Balzritual voraus. Dem durch seine Rufe lockenden Männchen nähert sich das Weibchen und streicht ihm mit den Vorderbeinen über den Rücken. Beide suchen sich dann einen geeigneten Platz zum Ablaichen. Die Abgabe des Laichs erfolgt beispielsweise an Bromelienblättern über deren Blattachseln beziehungsweise in der Blattachsel selbst. Die Besamung der Eier durch das Männchen geschieht äußerlich unmittelbar nach deren Abgabe. Die Gelege werden meistens vom Männchen bewacht. Manche Arten bewässern ihre Gelege regelmäßig, indem sie den Inhalt ihrer Blase auf die Eier entleeren.

Die nach 10 bis 16 Tagen Embryonalentwicklung schlüpfenden Kaulquappen werden auf dem Rücken des Männchens in kleine Wasseransammlungen auf Pflanzen (Phytotelmata), etwa mit Wasser gefüllte Blattachseln, überführt. Bei manchen Arten (beispielsweise Ranitomeya imitator) erfolgt dieser Transport einzeln, bei anderen, beispielsweise dem Dreistreifen-Baumsteiger (Epipedobates tricolor), kann er das gesamte Gelege gleichzeitig umfassen. Die Weibchen einiger Arten füttern die Kaulquappen mit unbefruchteten Nähreiern bis zur Metamorphose (vgl. Oophaga), bei anderen ernähren sich die Larven von Algen oder Insekten, die in die Blattachseln fallen. Die Entwicklung von der Kaulquappe zum Jungfrosch dauert zwischen sechs und 14 Wochen.

Toxizität

Gelbgebänderter Baumsteiger (Dendrobates leucomelas)
Schrecklicher Blattsteiger (Phyllobates terribilis)
Colostethus pratti, nicht giftig und mit eher unauffälliger Färbung

Dendrobatiden sondern über ihre Haut basische Alkaloide ab, von denen etwa 200 Varianten bekannt sind (beispielsweise Pumiliotoxin bei Dendrobates, Batrachotoxin bei Phyllobates). Batrachotoxin wirkt auf das Nervensystem. Es verhindert die Inaktivierung der Natriumkanäle und ist damit ein sogenanntes Krampfgift. Es treten Muskel- und damit auch Atemlähmungen auf, die in schweren Fällen beim Menschen zum Tod nach etwa 20 Minuten führen können. Das Gift dringt durch kleine Verletzungen oder Hautporen in den Blutkreislauf ein. Ein Gegengift ist Tetrodotoxin. Die Pfeilgiftfrösche, die Batrachotoxin über ihre Haut abgeben, gehören neben einigen Würfelquallen und der Krustenanemone zu den giftigsten Tieren der Welt. Gemäß LD-50 ist schon eine Giftmenge von 0,002 mg/kg für das Opfer tödlich.

Die Frösche nehmen ihr Gift durch Verspeisen von giftigen Beutetieren auf und akkumulieren es in ihrem Körper. Dabei wurden in den letzten 30 Jahren bis zu 232 verschiedene Alkaloide aus bis zu 21 verschiedenen Strukturklassen identifiziert (Saporito et al. 2007). Die hochtoxischen Pumiliotoxine und Allopumiliotoxine haben ihren Ursprung durch die Nahrungsaufnahme von Milben, wohingegen weitere Stoffe durch die Aufnahme von Ameisen und Käfern in den Körper der Frösche gelangen. Diesen Vorgang der Aufnahme von giftigen Stoffen und Umbau zu körpereigenen Stoffen wird als Sequestration bezeichnet (Im Gegensatz zur Biosynthese). Dabei können die Giftstoffe durch den Frosch-Organismus sowohl verändert (Metabolisierung) werden oder auch unverändert bleiben. Die Giftigkeit von in Gefangenschaft gehaltenen Tieren nimmt mit der Zeit ab, wenn keine geeigneten Futtertiere zur Verfügung stehen. In Gefangenschaft geborene Nachzuchten besitzen in den meisten Fällen kein Hautgift mehr.

Ihren deutschen Namen haben Pfeilgiftfrösche der Tatsache zu verdanken, dass das Hautsekret von drei Arten der Gattung Blattsteiger (Phyllobates terribilis, Phyllobates bicolor und Phyllobates aurotaenia) von bestimmten Indianerstämmen in Westkolumbien als Pfeilgift bei der Jagd mit dem Blasrohr verwendet wird. Das Sekret wird auf die Spitzen der Pfeile aufgetragen. Es enthält hohe Konzentrationen von Batrachotoxin.

Signalfarben und Mimikry

Mit ihrer auffälligen Körperfärbung signalisieren Pfeilgiftfrösche ihre Ungenießbarkeit. In der Biologie wird dieser Mechanismus als Aposematismus bezeichnet. Fressfeinde müssen allerdings in der Regel diese Ungenießbarkeit erst erlernen. Meist ist eine einzige Erfahrung für einen Fressfeind ausreichend, um eine lebenslange Aversion und damit Meidung dieser Tierart zu entwickeln. Auch wenn der erste Frosch dieser Art, mit dem das Jungtier eines Räubers Bekanntschaft macht, dabei häufig verletzt oder gar gefressen wird, bleiben alle anderen Individuen dieser Population fortan verschont.

Nur rund ein Drittel der Arten in der Familie der Baumsteigerfrösche produziert Hautgifte. Einige Arten, die keine Alkaloide absondern können, gleichen in ihrer Färbung und Zeichnung den ungenießbaren Arten und täuschen durch diese Anpassung mögliche Fressfeinde (Batessche Mimikry). Aber auch giftige Arten passen sich in der Färbung einander an (Müllersche Mimikry).[2] Eines der ersten Beispiele, die innerhalb der Amphibien erforscht wurden, ist die Art Ranitomeya imitator, die in verschiedenen Teilen ihres Verbreitungsgebietes die Farben und Zeichnungen der dort beheimateten Baumsteiger-Frösche Ranitomeya variabilis (früher Dendrobates variabilis genannt), Ranitomeya summersi (früher Dendrobates fantasticus) und Ranitomeya ventrimaculatus (früher Dendrobates ventrimaculatus) nachahmt.[3] Es wurde gezeigt, dass diese Farbvarianten tatsächlich der Art Ranitomeya imitator angehören, obwohl sie den Arten in bestimmten Teilen ihres Verbreitungsgebiets äußerlich stärker ähneln als den anderen Populationen ihrer eigenen Art. Die Mechanismen der Variabilität innerhalb der gleichen Art und die Evolution der Signalfarben sind Gegenstand neuerer Forschungsarbeiten zu den Baumsteiger-Fröschen. Es kommen dafür die Koevolution der Frösche und ihrer Fressfeinde, aber auch Konkurrenz innerhalb der gleichen Art und die Auswahl der Männchen durch die Weibchen in Frage.[4]

Lange Zeit wurden alle auffällig gefärbten Baumsteiger-Frösche als nahe verwandt angesehen und in den Gattungen Dendrobates und Phyllobates zusammengefasst. Ebenso wurden ungiftige Arten dieser Familie mit Tarnfarben in die Gattung Colostethus gestellt, die bald über 100 Arten umfasste. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Möglichkeit zur Produktion von Hautgiften und aposematische Färbungen durch konvergente Entwicklung innerhalb der Familie mehrmals entstanden und nicht in jedem Fall auf enge Verwandtschaft zurückzuführen sind.[5] Aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen wurden die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Baumsteiger-Frösche in den vergangenen beiden Jahrzehnten neu gefasst.

Artenschutz

Die Gattungen Dendrobates, Epipedobates, Phyllobates sowie Minyobates werden auf Anhang II des Washingtoner Artenschutz-Übereinkommens (CITES) geführt. Der Handel mit diesen Tieren ist streng reglementiert. Neben den Wildfängen der farbenprächtigen kleinen Frösche für den Zoohandel in Nordamerika und Europa stellt die zunehmende Abholzung des Regenwaldes in den Lebensräumen der Baumsteigerfrösche die größte Bedrohung dar. Oft ist eine Population bereits ausgestorben, bevor ihr Artstatus geklärt werden kann.

Einzelnachweise

  1. Jason Lee Brown, Evan Twomey, Mark Pepper und Manuel Sanchez Rodriguez: A revision of the Ranitomeya fantastica species complex and two new species of poison frogs (Anura: Dendrobatidae) from the Rio Huallaga drainage in central Peru. Zootaxa, 1832, S. 1-24, 2008
  2. Rebecca Symula, Rainer Schulte & Kyle Summers: Molecular phylogenetic evidence for a mimetic radiation in Peruvian poison frogs supports a Müllerian mimicry hypothesis. Proceedings of the Royal Society of London B, 268, S. 2415-2421, 2001
  3. Müllerian mimicry in Dendrobates frogs near Tarapoto, Peru Beispielbilder von Müllerscher Mimikry bei verschiedenen Baumsteiger-Fröschen (Mimicry & Warning Colour, auf den Seiten der UCL, London)
  4. Brice P. Noonan and Aaron A. Comeault: The role of predator selection on polymorphic aposematic poison frogs. Biology Letters, 5, 1, S. 51-54, 2009 doi:10.1098/rsbl.2008.0586 Volltext (englisch)
  5. Miguel Vences, Joachim Kosuch, Renaud Boistel, Célio F. B. Haddad, Enrique La Marca, Stefan Lötters, Michael Veith: Convergent evolution of aposematic coloration in Neotropical poison frogs: a molecular phylogenetic perspective. Organisms, diversity and evolution, 3, S. 215-226, 2003

Literatur

  • T. D. Grant, D.R. Frost, J.P. Caldwell, R. Gagliardo, C. F. B. Haddad, P. J. R. Kok, B. D. Means, B. P. Noonan, W. Schargel & W. C. Wheeler: Phylogenetic systematics of dart-poison frogs and their relatives (Anura: Athesphatanura: Dendrobatidae). Bulletin of the American Museum of Natural History, 299, S. 1-262, 2006
  • R. A. Saporito, M. A. Donelly, P. Jain, H. M. Garraffo, T. F. Spande & J. W. Daly: Spatial and temporal patterns of alkaloid variation in the poison frog Oophaga pumilio in Costa Rica and Panama over 30 years. Toxicon, 50, S. 757-778, 2007

Weblinks

 Commons: Baumsteigerfrösche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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