Videojournalist

Videojournalist

Ein Videojournalist (auch abgekürzt VJ [ˈviːdʒeɪ]) vereint die Aufgaben eines Journalisten, Tontechnikers, Kameramannes und Cutters in einer Person. Mit Hilfe der DV-Technologie konzipiert, dreht und schneidet er filmische Beiträge im Alleingang. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Weitere gängige Bezeichnungen des Videojournalisten sind "Videoreporter", "Shoot-Edit" (BBC- Terminus) und "Personal Digital Producer", kurz PDP (BBC- Terminus).

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Bereits in den 1960er Jahren gab es in den USA sogenannte „Selbst-Dreh-Reporter“[1]. Michael Rosenblum, der viele Fernsehstationen wie die BBC oder den Hessischen Rundfunk bei der Ausbildung von Videojournalisten berät, vergleicht die Einführung der Videokamera mit der des tragbaren Fotoapparates in den 1930er Jahren: Filmspulen auf Kunststoff (der Firma Leica) machten von den schweren Filmplatten in Fotoapparaten (und von Stativen) unabhängig. Ebenso befreit die digitale Videotechnologie das Fernsehen von schweren Kameras, Kunstlicht und Studios und lässt Ereignisse mitten im Geschehen dokumentieren [2].

Anfang der 1990er Jahre hatte der private Fernsehsender New York 1 erstmals ausschließlich auf Videojournalisten gesetzt. Mitte der 90er Jahre zogen erste deutschsprachige Privatsender wie Hamburg 1, TeleZüri oder TeleBärn nach. Der Bayerische Rundfunk war der erste öffentlich-rechtliche Sender, er setzte ab 1994 in geringer Zahl Videojournalisten ein.[1]

Im Jahr 2001 stellte die englische BBC alle Regionalbüros unter Anleitung Michael Rosenblums auf Videojournalismus um[3]. Im selben Jahr begann die deutsche TV-Produktionsfirma AZ Media, die unter anderem mit einer sogenannten Drittsendelizenz Sendezeiten auf dem RTL-Programmplatz bespielt, mit der breiten Ausbildung von zunächst 14 Videojournalisten.[3] Inzwischen betreibt die Firma die Deutsche Videojournalistenschule in Hannover.[4]. Die aktuelle Entwicklung ist die Weiterentwicklung des Videjournalisten zum konvergenten Videojournalisten, also dem Zusammenwachsen von Audio, Video und Livebroadcasting im Internet. Insofern bleibt es spannend, wie gerade diese junge Berufsbezeichnung – Videojournalist – sich weiterentwickelt.

Der Hessische Rundfunk, der ebenfalls 2001 erstmals Videojournalisten eingestellt hatte[1], übernahm sie 2004 in den Regelbetrieb. Bis dahin hatte er 42 Videojournalisten ausgebildet und zwischen Oktober 2003 und Juni 2004 rund 840 Beiträge mit insgesamt 2.500 Minuten im HR-Fernsehen gesendet.[5] Während das impliziert, dass der HR die Videojournalisten vor allem im Nachrichtenbereich für kurze, nur mehrminütige Sendebeiträge einsetzt, lässt die AZ Media so auch lange Fernsehreportagen produzieren. [6]

In Österreich arbeitet vor allem der Sender puls4 ausschließlich mit Videojournalisten. Der Sender startete zunächst nur in Wien als pulsTV, für den Sendestart wurden ca. 30 Videojournalisten von Ken Tiven und seiner Firma imc ausgebildet. Anlässlich des österreichweiten Starts von puls4 wurde weitere 30 Videojournalisten ausgebildet, diesmal von Mitarbeitern der Firma Puls TV, von denen einige später die österreichische Firma News on Video gründeten.

Technik

Da Videojournalisten das Berufsfeld des Journalisten mit denen des Kameramanns und des Cutters vereinen, arbeiten sie mit viel technischer Ausstattung.

Unterschiedlichste DV-Kameras sind auf dem Markt. Professioneller Videojournalismus setzt üblicherweise sogenannte kompakte Drei-Chip-Camcorder ein. Sie erzielen eine höhere Bildqualität als die überwiegend im Privatbereich üblichen Ein-Chip-Kameras. Beispiele für verwendete Kameras sind die beim Hessischen Rundfunk eingesetzte Panasonic AG-DVX100 oder die bei der AZ Media gebrauchte Sony PD 150.[7] Mit den Formaten HDV und AVCHD bekam der Videojournalist neuerdings die Möglichkeit, Material, das höher aufgelöst als der Fernsehstandard (Standard Definition) ist zu drehen und schneiden. Die Palette der HD (High Definition) Formate, die mit kompakten Kameras erstellt werden können ist groß. Die größte Herausforderung für den alleine arbeitenden VJ ist dabei mittlerweile, sendefähige Bilder für die großen HD-Flachbild-Fernseher drehen zu können. Bei den Aufnahmen von SD-Camcordern konnte die Schärfe nicht bisher nicht so genau definiert werden, was bei HD- Camcordern der aktuellen Generation nicht der Fall ist.

Obwohl Michael Rosenblum den Schritt zum Videojournalismus mit der Unabhängigkeit des Fotografen vom Stativ vergleicht, ist gerade das – am besten sogar ein Drei-Bein-Stativ – gegen verwackelte Bilder, für bessere Bildqualität auffallend wichtig.[8] (Der verbreitete Stativeinsatz lässt sich auch in der praktischen Arbeit beobachten.) Da das der zu erwarteten dynamischen Arbeitsweise widerspricht, setzt man auch Ein-Bein-Stative ein.[6]

Die Mehrzahl der etablierten VJs arbeiten für dokumentarische Formate, sie drehen deshalb meist weitwinklig, aus der Hand. Das authentische Begleiten eines Protagonisten und das Unterordnen während der Dreharbeiten, stehen hierbei an oberster Stelle. Die Auseinandersetzung mit Videojournalismus ist deshalb auch immer wieder die Auseinandersetzung mit der Frage: Wie viel Ästhetik verlangt, braucht der dokumentarische Film, die Reportage? Während es vor einigen Privatsendern um den „EB-Teamlook“ von VJs geht, gibt es bei einigen ARD-Anstalten und im ZDF die Bereitschaft im Zweifelsfall auch verwackelte Bilder zu akzeptieren, wenn der „Stoff“ journalistische Relevanz besitzt. Einen einheitlichen VJ-Look gibt es definitiv nicht. Jeder Sender setzt eigene Prioritäten in der audiovisuellen Umsetzung. Eindeutig zu sehen war dies bei verschiedenen VJ-Festivals, wie in Weimar oder Berlin.

Der VJ-Guru Michael Rosenblum gewann seine Filmpreise für Reportagen in amerikanischen Notaufnahmen. Er drehte damals alles aus der Hand und keine Szene war eingeleuchtet.

Ein Problem für Videojournalisten ist die Ausleuchtung. Als Ein-Personen-Team haben sie meist nur eine an der Kamera befestigte Videoleuchte und müssen daher mit vor Ort befindlichen Lichtquellen arbeiten.[7] Für die Aufnahme des Tones sind die in der Kamera eingebauten Mikrofone ungeeignet, daher ist ein professionelles externes Mikrofons empfohlen [8].

Für den Schnitt benötigt ein Videojournalist einen leistungsfähigen PC, der das gedrehte Material digitalisiert verarbeiten kann. Zehn Minuten Material entsprechen ungefähr 2 Gigabyte Datenmenge.[7] Unter den Schnittprogrammen haben sich Final Cut für Apple-Computer und Avid Xpress für PC- und Apple-Computer, neuerdings auch Adobe Premiere etabliert.[7]

Ausbildung

An mehreren Fachhochschulen entstanden Bachelor-Studiengänge sowie Weiterbildungsangebote rund um den Videojournalismus. Ausbildungen gibt es auch an Film- und Fernsehakademien wie der Bayerischen Fernsehakademie sowie der ARD.ZDF medienakademie. Eine Vollzeit-Weiterbildung von sechs Monaten sowie einen berufsbegleitenden Lehrgang von neun Monaten zur digitalen Videoproduktion bietet die Münchner Journalistenakademie an. Ferner gehören Videojournalismus-Seminare zum festen Bestandteil der Volontärsausbildungen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

In Österreich bietet die Firma News on Video Kurse an, gemeinsam mit der Fachhochschule für Journalismus in Wien auch einen FH-Kurs mit dem Abschluss als akademisch geprüfter Videojournalist. Beachtenswert ist auch der Online-Videoguide des Schweizer Fernsehens in dem Videojournalist/innen ihr Handwerk erklären und audiovisuell und allgemein verständlich vorführen.

Vor- und Nachteile des Videojournalisten

Die Einführung und Ausbreitung des Videojournalismus geht einher mit einer äußerst kritischen Auseinandersetzung um die Vor- und Nachteile insbesondere hinsichtlich der Kosten wie auch der Qualität.

Ein großer Vorteil des Videojournalisten ist zunächst die kostengünstige Produktion.[9] Zum einen sind die Kosten für die technische Ausstattung niedriger als bei einem konventionellen Kamerateam, zum anderen ermöglicht der Videojournalist als Ein-Personen-Team im Extremfall den Verzicht auf Kameramann, Tonassistent und Cutter sowie gegebenenfalls noch den Beleuchter. Die Kosten für eine Videojournalistenproduktion liegen in der Summe von Personal- und Technikersparnis nur bei 25 % eines herkömmlichen Drehs.[9] In diesen niedrigen Kosten liegt nicht nur ein Sparpotenzial für die Produzenten, sondern sie ermöglichen auch erst die Produktion von Beiträgen, die mit klassischen Teams zu kostenintensiv wären[6], zum Beispiel Langzeitdokumentationen mit einer Vielzahl von Drehtagen[9].

Während das Kostenargument auch aus arbeitsplatzpolitischen Gründen kritisiert wird, gibt es auch Einwände gegen den Einsatz von Videojournalisten aus qualitativen Gründen. Verwackelte Bilder, zu dunkle bzw. zu helle Bilder sowie unverständlicher Ton gehören zu den Hauptvorwürfen an Videojournalisten hinsichtlich der technischen Qualität.[10][6] Allerdings wird die Ursache für diese Fehler nicht allein in der Technik gesehen, sondern auch in der Tatsache, dass Videojournalisten alleine arbeiten. Auf Grund der hohen Verdichtung der Arbeit kann der Videojournalist nicht Bild, Ton, Licht und Protagonisten parallel gleichermaßen sorgfältig im Blick haben.[9] Die AZ Media hat daraus zum Beispiel die Konsequenz gezogen, bei über der Hälfte der Drehs zwei Videojournalisten parallel arbeiten zu lassen. Einer ist mit der redaktionellen Arbeit beschäftigt, der andere mit Kamera und Ton.[6] Damit soll dem Problem des fehlenden zweiten kontrollierenden Blickes bei der videojournalistischen Arbeit im Dreh[9] begegnet werden. Ob Videojournalisten jedoch im Schnitt die Qualität professioneller Cutter erreichen werden, wird ebenfalls bezweifelt wie die Möglichkeit gleichermaßen gründlich zu recherchieren wie zu texten.[11]

Als einen der größten Vorteile nennen viele Autoren übereinstimmend die größere Nähe zum Geschehen und das unbefangenere Agieren in privaten Situationen.[9][2][8] Dadurch sind initimere Dokumentationen aus dem privaten Bereich möglich, wie zum Beispiel über das Familienleben von Transsexuellen oder Alzheimer-Patienten im Altenheim. Letzteres ist das Thema Marion Kainz' mit dem Adolf-Grimme-Preis 2002 ausgezeichneter Dokumentation Der Tag, der in der Handtasche verschwand, die sie mit DV-Kamera als Ein-Personen-Team drehte. Hinzu kommt, dass die niedrigen Kosten für einen Drehtag auch eine zeitintensivere Auseinandersetzung mit einem Thema ermöglichen.[9]

Als einen weiteren konkreten Nachteil ihrer Arbeit in der Praxis geben Videojournalisten an, dass sie gegenüber herkömmlichen Drei-Mann-Teams häufig nicht als richtiges Fernsehen wahrgenommen und daher von potenziellen Interviewpartnern weniger ernstgenommen werden. Heutzutage sind diese Unterschiede aber zunehmend sekundär, da die meisten Interviewpartner schon Erfahrung damit haben, vor kompakten Kameras zu reden.[10]

Quellen

  1. a b c Roman Mischel: Definition, Geschichte und Gegenwart, onlinejournalismus.de, 9. Februar 2005 (21. November 2006)
  2. a b Michael Rosenblum: Vom Zen des Videojournalismus, in: Andre Zalbertus/ Rosenblum, Michael: Videojournalismus. Uni Edition, 2003, ISBN 3-937151-10-9, S. 17-75
  3. a b Andre Zalbertus: Vom Abenteuer einer Revolution in Deutschland, in: Andre Zalbertus/ Rosenblum, Michael: Videojournalismus. Uni Edition, 2003, ISBN 3-937151-10-9, S. 11-15
  4. Website der Deutschen Videojournalistenschule
  5. Hessischer Rundfunk setzt auf Videojournalisten, Meldung des Hessischen Rundfunk vom 8. September 2004 (21. November 2006)
  6. a b c d e Christan Angeli: Wie funktionierte eine Revolution im TV-Alltag eines Redaktionsleiters?, in: Andre Zalbertus/ Rosenblum, Michael: Videojournalismus. Uni Edition, 2003, ISBN 3-937151-10-9, S. 17-75
  7. a b c d Roman Mischel: Womit ist ein Videojournalist ausgestattet?, onlinejournalismus.de, 9. Februar 2005 (21. November 2006)
  8. a b c Dushan Wegner: Der Videojournalist. Mediabook-Verlag Reil, 2004, ISBN 3-932972-16-3
  9. a b c d e f g Roman Mischel: Die Diskussion um den Videojournalismus, onlinejournalismus.de, 9. Februar 2005 (21. November 2006) (Teil 1, Teil 2)
  10. a b Thomas Majchrzak: Qualitätsmängel im Videojournalismus An welchen Fehlern und Merkmalen lässt sich ein VJ-Beitrag erkennen? Erfahrungen eines lernenden Videojournalisten, Hausarbeit im Wintersemester 2006/07 am Institut für Journalistik der Universität Dortmund, 17. Oktober 2006. pdf
  11. Deutscher Journalisten-Verband: Gesamtvorstand plädiert für arbeitsteilige Filmproduktion, Positionspapier vom 27. April 2004 (21. November 2006)

Literatur


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