Verwaltungsverfahrensrecht

Verwaltungsverfahrensrecht

Die gesetzliche Definition eines Verwaltungsverfahrens findet sich im deutschen Recht in § 9 VwVfG; sie lautet:

„Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein.“

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung zum privatrechtlichen Handeln

Das heißt, die Tätigkeit der Behörde muss

  1. nach außen („zum Bürger hin“) wirken, interne Weisungen eines Behördenleiters an seine Angestellten oder Beamten setzen also kein Verwaltungsverfahren in Gang; z. B. Verwaltungsvorschriften
  2. auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zielen. Die Beschaffung von Büromaterial durch eine Behörde und der zur Beschaffung führende interne Willensbildungsprozess ist also kein Verwaltungsverfahren; da die Verwaltung bürgerlich-rechtliche Kaufverträge wie jede Privatperson schließt. Letzteres wird auch als fiskalisches Handeln bezeichnet.

Spezielle Verfahrensarten

Das Verwaltungsverfahren umfasst sowohl die Vorbereitung als auch den Erlass eines Verwaltungsaktes. In manchen Fällen ist die Vorbereitung sehr aufwändig, weil viele Daten erhoben und widerstreitende Interessen abgewogen werden müssen, z. B. Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen.

Die meisten Verwaltungsverfahren richten sich nach speziellen Verfahrensvorschriften und werden schriftlich durchgeführt; zwingend ist dies aber nicht. § 10 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bestimmt ausdrücklich, dass das Verwaltungsverfahren nur so weit an bestimmte Formen gebunden ist, wie besondere Rechtsvorschriften dies vorschreiben.

Andere Verfahrensordnungen

Das Verwaltungsverfahrensgesetz regelt in Deutschland nur einen Teil der Verwaltungsverfahren, nämlich die von Bundesbehörden durchgeführten, für die keine spezialgesetzlichen Regelungen bestehen; solche gibt es z. B. im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für das Verwaltungsverfahren im Sozialrecht und in der Abgabenordnung für das Verwaltungsverfahren bei der Steuererhebung. Die deutschen Bundesländer haben eigene Verwaltungsverfahrensgesetze, die jedoch nur in wenigen Details voneinander und vom Verwaltungsverfahrensgesetz der Bundesrepublik abweichen.

Ablauf des Verwaltungsverfahren nach Bundesrecht (Abweichungen auf Landesebene möglich)

  • § 24 VwVfG – Sachverhaltsermittlung
  • § 26 VwVfG – Beweismittel)

Rechtsmittel

Vorverfahren

§ 68, § 69 VwGO – Wenn der Verwaltungsakt dem Adressaten nicht recht- oder zweckmäßig erscheint, kann Widerspruch erhoben werden. Grundsätzlich ist ohne die vorherige Erhebung eines Widerspruchs die spätere Klage unzulässig. Das Landesrecht kann hiervon jedoch Ausnahmen zulassen (vergleiche Landesausführungsgesetze zur VwGO). Mit der Erhebung beginnt das Vorverfahren, § 68 ff. VwGO Achtung: § 45 VwVfG – Heilung von Verfahrens- und Formfehlern

§ 72, § 73 VwGO – Es folgt: Abhilfebescheid (dem Widerspruch wird von der Ausgangsbehörde abgeholfen) oder – sofern der Devolutiveffekt aus § 73 Abs. 1 VwGO greift – Widerspruchsbescheid (entweder Zurückweisung oder Stattgabe)

§ 80 VwGO – Grundsätzlich aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels, d. h. zunächst ist der Verwaltungsakt nicht durch die Behörde vollziehbar (Beachte Ausnahmen, § 80 Absatz 2 VwGO)

1. Instanz

§ 40 VwGO – Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (Wenn das Vorverfahren erfolglos abgeschlossen wurde, ist nun die Klage in 1. Instanz zulässig; spruchreif – das Gericht kann entscheiden, ohne dass es vorher noch einer Ermessensentscheidung der Behörde bedarf – ansonsten: Verpflichtung der Behörde erneut zu entscheiden)

§ 113 VwGO – Urteilstenor = Aufhebung (Anfechtungsklage § 113 Abs. 1 VwGO) oder Verpflichtung der Behörde zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes bzw. zur erneuten Entscheidung unter Beachtung des Urteils (Verpflichtungsklage § 113 Abs. 5 S. 1 bzw. 2 VwGO)

2. Instanz:

§ 124 VwGO – Berufung – Zulässigkeit – Frist – Form bei einem Oberverwaltungsgericht oder Verwaltungsgerichtshof § 80 VwGO

§ 113 VwGO – Urteilstenor (Siehe oben).

3. Instanz:

§ 133 VwGO – Revision beim Bundesverwaltungsgericht. Dies ist die höchste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit

§ 113 VwGO – Urteilstenor (s. o.)

Nach Eintritt der Bestandskraft

Nach Eintritt der Bestandskraft ist der Verwaltungsakt nicht mehr anfechtbar (vorbehaltlich spezieller Aufhebungsmöglichkeiten in Spezialgesetzen).

§ 48 VwVfG –> Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte § 49 VwVfG –> Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte

Hierbei gilt die Unterscheidung zwischen belastendem Verwaltungsakt und begünstigendem Verwaltungsakt. Im letzteren Fall genießt der Bürger unter gewissen Umständen Vertrauensschutz.

Literatur

  • Harald Hofmann, Jürgen Gerke: Allgemeines Verwaltungsrecht. Mit Bescheidtechnik, Verwaltungsvollstreckung und Rechtsschutz. 9. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2005, ISBN 3-555-01353-X.
  • Jörg-Dieter Oberrath: Öffentliches Recht. Verfassungsrecht, Europarecht, Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht mit Grundlagen des öffentlichen Wirtschaftsrechts. 2. Auflage. Carl Heymanns, Köln, Berlin, München 2008, ISBN 978-3-452-26776-4.
  • Jens-Peter Schneider: Strukturen und Typen von Verwaltungsverfahren. In: Wolfgang Hoffmann-Riem, Eberhard Schmidt-Aßmann, Andreas Voßkuhle (Hrsg.): Grundlagen des Verwaltungsrechts. Bd. II (GVwR II). C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-54718-8, S. 523–624.
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