Bauerngarten

Bauerngarten
Bauerngarten im Museumsdorf Niedersulz

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts steht der Begriff Bauerngarten ganz allgemein für Gärten, die von Bauern angelegt und bewirtschaftet wurden. Entsprechend dem sozialen bzw. wirtschaftlichen Stand der Bauern fanden so genannte Nutzpflanzen und Platz für Haus-, Hof- und Stalltiere in einem höheren Maß Berücksichtigung, als etwa reine Zierpflanzen und eine Ordnung nach ästhetischen Prinzipien. In der darstellenden Kunst wurde der Bauerngarten gern als ungepflegt im Sinne einer idyllischen Wildnis verklärt. Eine wissenschaftlich definierbare und historisch gewachsene Gartenform mit eigenständigem Typus war er nie.

Die Geschichte des Bauerngartens, wie er heute literarisch beschrieben und als Gartenform verwendet wird, beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Bauerngarten Hamburger Art

Bauerngarten beim Museum Rieck-Haus in Vierlanden in Hamburg

Der Bauerngarten im engeren Sinne ist eine seit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger verbreitete Gartenform. Der erste dieser Art wurde 1913 im botanischen Garten Hamburg mit dem Ziel errichtet, auf relativ kleiner Fläche eine Art 'Ideal' darzustellen und Pflanzen sowohl nach ihrer biologischen Kategorie (Kräuter, Gemüse, Obst etc.) als auch nach den Prinzipien der Ästhetik zu ordnen.

Der Bauerngarten Hamburger Art zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  1. die überwiegende Anpflanzung von Gemüse und Kräutern,
  2. eine rechteckige oder quadratische Anlage mit einem Wegekreuz und
  3. eine Einfriedung, meist durch einen Zaun, manchmal durch eine Mauer oder eine Hecke.

In der Mitte des Wegekreuzes befindet sich oft ein Rondell, häufig mit einer Wasserstelle, oder ein rundes Blumenbeet oder ein kleiner Baum. Buchsbaumhecken zur Einfassung der Beete oder des gesamten Gartens sind ebenfalls typisch. Meistens werden in geringerem Maße Blumen, häufig Stauden, angepflanzt. Zur Ausstattung eines Bauerngartens gehört in vielen Fällen auch Beerenobst, zuweilen finden sich an seiner Nordseite Obstbäume. Bauerngärten sind fast immer geometrisch angelegt und weisen eine klare Struktur auf.

An Stelle authentischer Vorbilder bediente man sich aus nahezu allen Richtungen der Gartenkultur. Bis vor 1900 sind Gärten dieser Art nirgends nachweisbar, sie sind also entgegen weit verbreiteten Darstellungen und Beschreibungen keine traditionelle Gartenform. Viele heutige Bauerngärten sind identische oder weiterentwickelte Kopien des Hamburger Muttergartens.

„Die alten Germanen lieferten den Zaun, von den Römern stammt das Obst, die Mönche des Mittelalters sorgten für Heilkräuter und kreuzförmige Wege, und der Adel steuerte den Buchsbaum bei – fertig war der Garten, dem die Bauern nur noch ihren Namen überlassen mussten: der alte Bauerngarten.“. So beschreibt es Hermann Kaiser in "Bauerngärten zwischen Weser und Ems" (2001).

Museumsgarten Vogtsbauernhof im Schwarzwald
Bauerngarten im Botanischen Garten Hamburg

Insofern ist der Bauerngarten eine Inszenierung für pädagogische Zwecke, dessen Anlage und Unterhaltung entsprechendes Wissen und großen Aufwand verlangen. Das mag der Grund dafür sein, dass sich Bauerngärten dieser Art im Bereich der Privatgärten zunächst kaum durchsetzen konnten. Erst durch zahlreiche bunt bebilderte Veröffentlichungen moderner und bisweilen romantisierender Abwandlungen darf man seit den 1980er Jahren in Deutschland von einer kleinen Renaissance sprechen, in Folge derer sich solche oder ähnliche Gartenformen nun auch in privaten Kleingärten finden. Dazu beigetragen haben zweifellos sämtliche Bauerngärten in den historischen und neuen Schulgärten, Freilichtmuseen oder diversen Projekten des Fremdenverkehrs ländlicher Gegenden.

Geschichte

Johann Sperl: Mädchen im Bauerngarten, um 1885 - Der Bildtitel zeigt, dass der Begriff "Bauerngarten" sehr wohl vor 1913 geläufig war, seine Struktur und Aussehen allerdings wenig mit dem heutigen Bild zu tun haben, das mit einem "Bauerngarten" im engeren Sinne verbunden wird.

Bauerngärten vor 1900 entsprachen nicht dem Bild, das heute vom alten Bauerngarten vermittelt wird. Manchmal reichten landwirtschaftliche Ackerflächen bis dicht ans Haus heran, oft mit eingestreutem Obst, oder es wurden Freiflächen für das häusliche Vieh vorbehalten.

Eine lange Tradition hatten die Klostergärten und später die Gärten der Lehrer, Pastoren und Apotheker. Das Einkommen der Dorfschullehrer reichte selten aus, um ohne Nebenjob oder Gartenbau für den Eigenbedarf vernünftig leben zu können. Bei den Pastoren war es ähnlich. Sie konnten sich allerdings die Muße und das entsprechende Wissen leisten, um einen Garten halbwegs fachlich anzulegen. Und bei den Apothekern bestimmte das berufliche Interesse an den Heilkräutern das Gartenbild.

Natürlich waren die Gärten der Bauern auch vor 1900 zahlreichen Einflüssen durch die Gärten der Klöster, der Lehrer, Pastoren und Apotheker ausgesetzt. Eine einheitliche Form der Gartengestaltung gab es jedoch vor der Konstruktion des idealen Bauerngartens im frühen 20. Jahrhundert nicht.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, beim epochalen Übergang zum Industrie-Zeitalter, war es die Stadt und deren Bürgertum, die dem privaten Garten eine neue Bedeutung zukommen ließen. Dem einen war er das 'Idyll' mit reichlich Blumen, geschnittenen Hecken und der berühmten Gartenlaube, dem anderen war er wiederum Mittel zum Zweck, um sich mit Kräutern, Obst und Gemüse das Leben preiswerter zu gestalten.

Angesichts zunehmender Verstädterung und des Wachsens der Industrie, das auch mit zunehmender Umweltverschmutzung einherging, kam es zu regelrecht sozialen Gartenstadt- oder Schrebergarten-Bewegungen. „Raus aufs Land !“ hieß Anfang des 20. Jahrhunderts der Slogan engagierter Sozialdemokraten, die sich um das körperliche Wohl der Großstadtkinder sorgten.

Was heutigen Kindern der 'Urlaub auf dem Bauernhof' sein mag, war damals das Lernen und Arbeiten im so genannten Schulgarten. Die Geschichte des Schulgartens lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Zunächst diente er dem Studium einzelner Pflanzen. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts steht das gärtnerische Arbeiten der Schüler im Vordergrund. In einigen zeitgenössischen Fachzeitschriften wurden Pläne eines solchen Schulgartens veröffentlicht, die sich eindeutig am so genannten Dorfschullehrer-Garten orientieren, aber auch bereits den kreuzförmigen Weg oder ein bepflanztes Rondell zeigen ('Der praktische Ratgeber im Obst und Gartenbau'; Frankfurt/Oder 1888).

Gustav Klimt (1862-1918): Bauerngarten mit Kruzifix, 1911-1912. Das Bild verbrannte 1945

Der ideelle Sprung von den ersten Entwürfen eines Schulgartens bis zum Hamburger Bauerngarten war kein großer und erscheint zeitlich (1913) konsequent. Seine historische Bedeutung aber ist und bleibt umstritten.

Literatur

  • Karin Hochegger: Der Bauerngarten, Ulmer Stuttgart 2003.
  • Janke/Dominka/Scholze: Der Dorfschullehrergarten, Muesser Blätter des Freilichtmuseums Schwerin-Muess 2003.
  • Hermann Kaiser (Hrsg.): Bauerngärten zwischen Weser und Ems, 2. Aufl. Cloppenburg 2001.
  • H. W. Haase: "Der Bauerngarten in den Vierlanden". In: Lichtwark Nr. 24. Hrsg. Lichtwark-Ausschuß, 1962. Siehe jetzt: Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf. ISSN 1862-3549.

Weblinks

 Commons: Cottage garden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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