Verpuffungsstrahltriebwerk

Verpuffungsstrahltriebwerk
Schema eines Verpuffungsstrahltriebwerks (links) und einer fliegenden Bombe V1 (rechts)

Das Verpuffungsstrahltriebwerk oder Pulsstrahltriebwerk (englisch Pulsejet), z. T. auch als Pulsrohr, Pulso-Schubrohr oder Pulsotriebwerk bekannt, ist ein Strahltriebwerk. Es kann auch bei geringen Fluggeschwindigkeiten und im Stand betrieben werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die historischen deutschen Bezeichnungen für diesen Antrieb sind Schmidt-Rohr, Argus-Rohr oder auch Argus-Schmidt-Rohr, benannt nach der Berliner Motorenfirma Argus und dem Münchner Erfinder Paul Schmidt. Das Argus-Schmidt-Rohr vom Typ Argus As 014 war der Antrieb für die im Zweiten Weltkrieg eingesetzten „fliegenden Bomben“ Fieseler Fi 103 (V1). Der Vorteil dieses Antriebskonzepts liegt in der einfachen und kostengünstigen Fertigung, der wesentliche Nachteil in der geringen Lebensdauer der Flatterventile (ca. 15 bis 60 Minuten), die hohen thermischen Belastungen ausgesetzt sind.

Arbeitsweise

Pulsstrahltriebwerke arbeiten intermittierend (pulsierend, nicht-kontinuierlich). Das generelle Arbeitsprinzip, das in vier Phasen A) bis D) unterteilt werden kann, zeigt die Illustration rechts.

Arbeitsprinzip des Verpuffungsstrahltriebwerks
  • Ein Pulstriebwerk wird gestartet, indem durch die Blattfeder-Einlassventile (Flatter- oder Jalousienventile) Frischluft in das Triebwerk gelangt und diese mit Kraftstoff in der Brennkammer vermischt wird - auch Initialzustand genannt -> Zustand A).
  • Eine Zündkerze entzündet das Brennstoff-Luft-Gemisch, die Verbrennung erzeugt einen schnellen Druckanstieg. Dadurch schließen die Jalousienventile (der Druck hinter ihnen ist größer als vor ihnen) -> Zustand B).
  • Das expandierende Gas entleert sich durch das Schubrohr nach hinten -> Zustand C). Nachdem sich der Überdruck abgebaut hat, bricht die Gasströmung aufgrund ihrer Trägheit nicht sofort ab, sondern erzeugt einen leichten Unterdruck in der Brennkammer -> Zustand D).
  • Der Unterdruck in der Brennkammer öffnet die Jalousienventilen nun wieder, und neue Frischluft zieht nach. Bei langsamer Fluggeschwindigkeit erfolgt evtl. auch eine schwache Rückströmung des verbrannten Gases und/oder ein Nachströmen von Frischluft von hinten - Zustand D). Bei erneutem Einspritzen von Treibstoff beginnt der Ablauf im Triebwerk erneut: Das Frischluft/Treibstoff-Gemisch entzündet sich (ohne Fremdzündung) an den heißen Restgasen D) und an der heißen Rohrwandung; der schnelle Druckanstieg der Verbrennung schließt die Jalousienventile wieder -> Zustand B).

Unabhängig davon, ob Treibstoff kontinuierlich eingespritzt wird, oder nur zu dem Zeitpunkt, zu dem Frischluft verfügbar ist, zündet das Gasgemisch periodisch, sobald es zündfähig ist (ausreichend Frischluft sowie Treibstoff vorhanden), da stets heiße Restgase oder die heiße Rohrwandung ausreichend Zündenergie bereitstellen.

Sowohl der Flammenrücklauf als auch das Nachsaugen von Frischluft („von hinten“) am Auslass-/Schubrohr kann die Leistungsfähigkeit (Schub) deutlich beeinflussen. Außerdem strömt auch während der Auffüllphase und während der Verbrennung ein Teil der Gasmasse nach hinten ab, da das Triebwerk nach hinten stets offen ist. Das frische Gasgemisch entzündet sich ohne Fremdzündung periodisch an den heißen Restgasen und an der heißen Rohrwandung.

Beim Anlassen des Triebwerks wird der pulsierende Triebwerksprozess meist durch Einblasen von Druckluft mit Frischluft versorgt. Auch wird manchmal das Triebwerk samt Fluggerät auf einem Startkatapult durch die Luft bewegt, und der Fahrtwind sorgt für Frischluft. Das Triebwerk kann aber auch (durch bestimmte Auslegung der Treibstoffversorgung bei größeren Triebwerken) ohne Druckluft, nur mit Hilfe von Frischluftinduktion in Betrieb gehen.

Ein Pulsstrahltriebwerk arbeitet nur bei bestimmten geometrischen Abmessungen der beteiligten Rohrabschnitte, wodurch es zu akustischer Resonanz zwischen Brennraum und Abströmrohr kommt, was unabdingbare Voraussetzung für dessen Funktion ist. Es müssen dabei Massenfluss, Aerodynamik und Thermodynamik berücksichtigt werden.

Charakteristisch für Pulsstrahltriebwerke sind die große Lärmentwicklung (die sich oft in einem tiefen Brummton äußert), ein hoher Brennstoffverbrauch, hohe Wandungstemperaturen (~1000 °C, rot-orange und sogar bis ins Gelbe hinein glühender Stahl, je nach Triebwerksgestaltung und Materialstärke) und eine sehr geringe Laufzeit aufgrund der begrenzten Lebensdauer der Flatterventile, sodass sie für bemannte Luftfahrzeuge bis in die heutige Zeit ungeeignet sind.

Anwendung

Die wohl bekannteste Verwendung dieser Triebwerksbauweise war der Antrieb der Fieseler Fi 103 (V1) in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs. Anfang der 1950er stellte Ford in den USA einige „Fieseler-Ableger“ in Serienproduktion her.

Heutzutage werden diese Triebwerke mitunter zum Antrieb von Modellflugzeugen verwendet, sind jedoch in den meisten europäischen Ländern aufgrund der Lärmentwicklung verboten. Aber auch eine militärische Nutzung in Drohnen wird durch laufende Weiterentwicklungen erprobt.

Ventillose Triebwerke

Schon in den 1940er und 1950er Jahren gab es umfangreiche Studien und Versuche, ventillose Verpuffungsstrahltriebwerke zu bauen. Hierbei werden die Flatterventile durch „aerodynamische Ventile“ ersetzt, d.h. es gibt keinerlei bewegte Teile, das Triebwerk besteht im Wesentlichen nur aus taillierten Rohrstücken. Das „Einlassventil“ ist dabei einfach ein Rohrstück, welches der Verpuffungs-Expansion mehr Widerstand bietet als das Strahlrohr, und somit eine Vorzugsrichtung bewirkt.
Als Beispiele sind die „Escopette“ und „Ecrevisse“ der Firma SNECMA oder die US-amerikanischen Konstrukteure Lockwood und Hiller („Lockwood(-Hiller) type jet engine“) zu nennen. Ab Mitte der 1950er Jahre wurden diese Ansätze aber endgültig durch Fest- und Flüssigtreibstoff-Raketen, durch Staustrahltriebwerke oder durch Strahltriebwerke verdrängt.

Pulsed Detonation Engine

Aktuell werden wieder eine Reihe von Forschungen im Bereich der ventillosen Verpuffungsstrahltriebwerke durchgeführt, insbesondere an solchen, in denen der Verbrennungsvorgang nicht in Form einer Verpuffung, sondern als wesentlich intensivere Detonation abläuft. Diese Bauweise, auch pulsed detonation engine oder PDE genannt, verspricht neben den hohen Geschwindigkeiten eines Scramjet zusätzlich einen höheren Wirkungsgrad bei der Treibstoffumsetzung, da eine explosionsartige Verbrennung ergiebiger ist als eine kontinuierliche.[1] Die komplexen thermodynamischen Verhältnisse bei der Verbrennung lassen sich aber nur schlecht simulieren und auch nur schlecht durch Strömungssimulation berechnen.

Mit hoher Frequenz (>1.000 Hz) betriebene PDE versprechen auch bei niedrigen Geschwindigkeiten bessere Treibstoffausnutzung, was in Zeiten steigender Energiepreise erhebliche Einsparmöglichkeiten gegenüber Turbojets bedeutet. Daher haben nun auch Pratt & Whitney und General Electric eigene Forschungen an PDE-Technologie begonnen.

Eine Variante sind PDRE - Pulsed Detonation Rocket Engine - die wie bei herkömmlichen Flüssigtreibstoffraketen Oxidator und Brennstoff mischen, diesen aber nicht kontinuierlich verbrennen, sondern ebenfalls pulsweise zur Explosion bringen. Der mögliche Wirkungsgradgewinn von 5 bis 10 Prozent wäre angesichts der hohen Kosten für den Weltraumtransport von Nutzlasten sehr attraktiv.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ramjet, Scramjet & PDE an Introduction (franz.)

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