Vernunftrecht

Vernunftrecht

Vernunftrecht ist Recht, dessen Begründung aus der bloßen Vernunft hergeleitet wird. Es kann als säkularisierte Variante des Naturrechts verstanden werden.

Programm

Der vernunftbegabte Mensch kann die gesellschaftlichen Notwendigkeiten durch vernünftige Überlegungen einsehen und dieser Einsicht gemäß handeln. Das Recht kommt aus dieser Einsicht, also aus der Vernunft, mithin aus dem Menschen selbst, er trägt das Recht in sich. Der vernunftbegabte Mensch habe die Möglichkeit, durch Nachdenken, Überlegen und Werten das Recht zu erkennen. Dies führt zu der Unterscheidung von „richtigem“ Recht, das aus der Vernunft abgeleitet ist und geltendem (positivem) Recht, das dem Inhalt von Gesetzen entspricht.

Die Vorstellung eines Vernunftrechts wurde in der Aufklärung entwickelt und zum Beispiel von Christian Wolff maßgeblich vertreten. Als Grundbuch des Vernunftrechts gilt die Schrift Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre von Immanuel Kant. Danach regelt Recht die äußere Beziehung von Personen, sofern es sich um Handlungen, nicht aber um Absichten und Wünsche handelt. Zu den Merkmalen des Rechts gehört Kant zufolge a priori die Befugnis zu zwingen. Das kantische Vernunftrecht basiert auf dem Prinzip, dass das Recht dazu dient, die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit in Einklang zu bringen (Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Akademie-Ausgabe, S. 230).

Moderne Vertreter des Vernunftrechts sind unter anderem Ronald Dworkin und Robert Alexy.

Die Lehre vom Vernunftrecht steht im Gegensatz zum Rechtspositivismus, der das Recht als freie Rechtsetzung des Volkes und des Staates begreift. Danach braucht das Recht keine überpositive (ethische) Begründung.

Kodifikation des Rechts

Ein wesentlicher Aspekt des vernunftrechtlichen Denkens ist das Ziel, die Rechtsordnung in große Kodifikationen in einem möglichst geschlossenen und vollständigen System zusammenzufassen.

Die wichtigsten, von vernunftrechtlichen Gedanken geprägte Zivilrechtskodifikation, die heute noch gelten, sind der französische Code Civil (1804) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (ABGB). § 16 ABGB fasst die Basis des Vernunftrechts prägnant zusammen:

Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet."

Weitere große vernunftrechtlich geprägte Kodifikationen waren in Bayern der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 sowie in Preußen das Allgemeines Landrecht von 1794.

Siehe auch


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Vernunftrecht — Vernunftrecht, so v. w. Naturrecht …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Vernunftrecht — (Naturrecht, philosophisches Recht), der Inbegriff der Rechtsgrundsätze, die durch Nachdenken als die der Rechtsidee entsprechenden gefunden werden. Im engern Sinne faßt man unter V. oder Naturrecht auch wohl diejenigen Rechte zusammen, die dem… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Vernunftrecht — Vernunftrecht, s. Rechtsphilosophie …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Vernunftrecht — Vernunftrecht,   Rechtsphilosophie: Naturrecht.   …   Universal-Lexikon

  • Naturrecht — Vernunftrecht; ein im Gegensatz zum staatlich gesetzten positiven Recht im Wesen des Menschen (in seiner „Natur“) oder seiner Vernunft begründetes Recht, das, weil es „natürlich“ und damit unwandelbar und allgemein gültig ist, allem positiven… …   Lexikon der Economics

  • Gerechtigkeitskonzept — Gerechtigkeitstheorien dienen der systematischen Bestimmung, was Gerechtigkeit ist und der Begründung wie Gerechtigkeit in einer gesellschaftlichen Ordnung wirksam werden soll. Mit Gerechtigkeitstheorien befassen sich vor allem Philosophie,… …   Deutsch Wikipedia

  • Gerechtigkeitstheorie — Gerechtigkeitstheorien dienen der systematischen Bestimmung, was Gerechtigkeit ist und der Begründung wie Gerechtigkeit in einer gesellschaftlichen Ordnung wirksam werden soll. Mit Gerechtigkeitstheorien befassen sich vor allem Philosophie,… …   Deutsch Wikipedia

  • Ius naturale — Der Begriff Naturrecht oder überpositives Recht ist eine rechtsphilosophische Bezeichnung für das Recht, das dem durch soziale Normen geregelten gesetzten oder positiven Recht vorhergeht und übergeordnet ist. Die Naturrechtslehre steht im… …   Deutsch Wikipedia

  • Überpositives Recht — Der Begriff Naturrecht oder überpositives Recht ist eine rechtsphilosophische Bezeichnung für das Recht, das dem durch soziale Normen geregelten gesetzten oder positiven Recht vorhergeht und übergeordnet ist. Die Naturrechtslehre steht im… …   Deutsch Wikipedia

  • Bürgerlicher Ungehorsam — Sebastian Loscher: Irdische und göttliche Gerechtigkeit (1536)[1] Ziviler Ungehorsam (von lat. civilis „bürgerlich“; deshalb auch: bürgerlicher Ungehorsam) ist eine Form politischer Partizipation, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”