Verfahrenspfleger

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Verfahrenspflegerbestellungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren

Der Verfahrenspfleger hat in Deutschland die Aufgabe, im Verfahren vor dem Betreuungsgericht (auf Bestellung eines Betreuers oder Anordnung einer Unterbringung) die Interessen des Betroffenen zu vertreten und kann hier Anträge stellen, Rechtsmittel einlegen und an den Anhörungen teilnehmen. Er hat, ähnlich wie ein Rechtsanwalt, als Parteivertreter die gleichen Rechte und Pflichten für seinen "Mandanten". Für ihn gelten daher auch die gleichen Bestimmungen zum Datenschutz, zur Dokumentation (Aktenhaltung) und Aussageverweigerungsrecht.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Der Verfahrenspfleger soll dem Betroffenen erläutern, wie das gerichtliche Verfahren abläuft, ihm Inhalte und Mitteilungen des Gerichtes erläutern. Auch soll er Wünsche des Betroffenen an das Gericht übermitteln. Auch kann er darauf achten, ob alle möglichen freiwilligen Hilfen für den Betroffenen ausgeschöpft sind. Rechtsgrundlage ist das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Betreuungsverfahren (§ 276 FamFG) und in Unterbringungsverfahren (§ 317 FamFG). Jährlich werden in betreuungs- und unterbringungsrechtlichen Verfahren ca. 80.000 Verfahrenspfleger bestellt. In den Fällen kindschaftsrechtlicher Verfahren (§ 167 FamFG) tritt an die Stelle des Verfahrenspflegers der Verfahrensbeistand.

Hierzu hat das OLG Frankfurt a.M. wie folgt Stellung genommen: „Der Verfahrenspfleger ist Pfleger eigener Art. Er ist dem Betroffenen zur Seite zu stellen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. [...] Hintergrund der gesetzgeberischen Überlegung war hierbei speziell in Bezug auf das Unterbringungsverfahren, dass der Betroffene bei diesen besonders schweren Eingriffen in seine Freiheit nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden soll. Der Verfahrenspfleger hat im Rahmen des Verfahrens, für das er bestellt ist, die Rechtsstellung eines gesetzlichen Vertreters des Betroffenen. Er braucht Weisungen des Betroffenen nicht zu beachten, sondern hat nur die objektiven Interessen des Betroffenen wahrzunehmen.“ D.h. er vertritt, vergleichbar mit einem Rechtsanwalt oder juristischen Beistand, nur die Interessen des Kindes. Hauptsächlich wird dies in seiner schriftlichen Stellungnahme, in der auch ein Antrag oder eine Anregung im Namen des Kindes formuliert werden soll, deutlich. Das Gericht fordert diese Stellungnahme meist innerhalb einer bestimmten Schriftsatzfrist an, so dass alle Parteien vor Anberaumung einer mündlichen Anhörung, den Inhalt und den Antrag des Kinder- und Jugendanwaltes oder Verfahrenspflegers kennen. In der mündlichen Anhörung vor Gericht hat er alle Rechte, die einem Anwalt auch zustehen. Er kann Anträge stellen, Befragungen vornehmen, Beweisaufnahmen anregen, Beweismittel vorbringen.

Qualifikation

Der Verfahrenspfleger kann Rechtsanwalt sein, muss es aber nicht, er kann sogar ehrenamtlich bestellt werden. Angesichts der notwendigen Kenntnisse des Gerichtsverfahrens dürfte dies in der Praxis aber wenig hilfreich sein. Bewährt haben sich Modelle, in denen auf eine pädagogische oder psychologische Grundausbildung (meist ein Studium) eine Fortbildung mit auch juristischen Inhalten aufgesetzt wird. Besonders durch die recht komplexen Bereiche des materiellen Familienrechts, des Sozialrechts, der verschiedenen Prozessordnungen (ZPO, FamFG, etc.) ist diese Möglichkeit der Qualifikation sicher adäquat am Bedarf und der späteren Praxis orientiert. Die Bundesverbände für Verfahrenspfleger entwickeln Standards und einen Kodex, damit insgesamt die Verfahrenspfleger nach gleichen Grundsätzen arbeiten und eine Qualitätssicherung der Arbeit gegeben ist. Allerdings ist noch offen, inwieweit derartige Vorgaben und Empfehlungen in der Praxis auch tatsächlich eingehalten werden.

Ende des Verfahrens, Rechtsmittel

Die Bestellung des Verfahrenspflegers endet mit dem Abschluss des Verfahrens, für das er bestellt ist. Anschließend befasst das OLG sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Verfahrenspfleger ein Beschwerderecht gegen Entscheidungen des Vormundschaftsgerichts zusteht. Dabei wird unterschieden zwischen den Fällen, in denen die eigene Rechtsstellung des Verfahrenspflegers verletzt und ihm deshalb ein Beschwerderecht zustehen kann und den Fällen, in denen ein Recht des Betroffenen verletzt ist und der Verfahrenspfleger als dessen gesetzlicher Vertreter Beschwerde einlegen kann. Hier wird auf das eigenständige Beschwerderecht des Verfahrenspflegers – unabhängig vom Willen des Betroffenen – hingewiesen.

Allerdings ist die Beschwerde des Verfahrenspflegers nur dann zulässig, wenn auch der Betroffene selbst gegen die angefochtene Entscheidung Beschwerde einlegen könnte. Dies kann er aber dann nicht, wenn er durch die Entscheidung nicht „beschwert“ ist. So war es im entschiedenen Fall, wo das Vormundschaftsgericht die geschlossene Unterbringung des Betroffenen nicht etwa angeordnet oder genehmigt, sondern abgelehnt hatte.

Betreuungsverfahren

§ 276 FamFG hebt besonders drei Fälle hervor, in denen in der Regel im Betreuungsverfahren ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist:

  • wenn von der persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll (Abs. 1 Nr. 1);
  • wenn Gegenstand des Verfahrens die Anordnung einer Betreuung für alle Angelegenheiten ist (Abs. 1 Nr. 2);
  • wenn über die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine Sterilisation (§ 1905 BGB) entschieden werden soll (Arg ex Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2).

Unterbringungsverfahren

Im Unterbringungsverfahren soll der Verfahrenspfleger stets bestellt werden, es sei denn, der Richter begründet ausdrücklich, warum er keinen Verfahrenspfleger für nötig hält.

Strafverfahren

Eine Vertretung der Betroffenen in Strafverfahren, beispielsweise bei Gefährdung des Kindeswohls, Missbrauch, etc., in denen diese als Nebenkläger auftreten können oder ein Verfahren anstrengen, ist so noch nicht möglich. Bestrebungen, geeignete Vertreter mit grundständigen, erfahrenen pädagogischen und psychologischen Kenntnissen einzusetzen, werden vermehrt beobachtet. Besonders Gerichte wünschen sich vielfach Interessensvertreter außerhalb der Rechtsanwaltschaft, um den Kindern in solchen Verfahren gerechter zu werden und adäquater auf sie eingehen zu können. Dies muss aber mit einer sicheren und qualitativen Ausbildung im Strafrecht und den Verfahrensordnungen einhergehen. Die juristische Seite einer solchen Tätigkeit sollte nämlich in allen genannten Verfahren nicht unterschätzt werden. Es sind und bleiben rechtsschwangere Verfahren, in denen Prinzipien und Methoden eingehalten werden müssen. Regelmäßiger werden von den Staatsanwaltschaften Ergänzungspflegschaften (vergleichbar mit der Verfahrenspflegschaft) für Kinder und Jugendliche beantragt, um ihnen ggf. in gerichtlichen Vernehmungen und Gegenüberstellungen beizustehen und sie zu unterstützen. Eine konkrete Vertretung, wie in §§ 50, 70b FGG ist aber auch in diesen Verfahren nicht üblich.

Vergütung

Der Verfahrenspfleger wird ab dem 1. September 2009 nach § 277 FamFG, welches § 67a FGG außer Kraft setzt, wie ein beruflich tätiger Vormund vergütet. Zunächst war ein Stundensatz von zwischen 19,50 und 33,50 Euro, zuzügl. Mehrwertsteuer (je nach Qualifikation) vorgesehen.

Die Vergütung erfolgt stets aus der Staatskasse. Diese kann aber dem Betreuten die Verfahrenspflegervergütung im Rahmen der Gerichtskosten in Rechnung stellen, wenn der Betreute über mehr als 25.000 Euro Vermögen verfügt.

Ein gewählter Verfahrensbevollmächtigter des Kindes / des Jugendlichen ist von diesem bzw von seinen Eltern zu bezahlen. Dabei wird entweder das RVG zugrundegelegt oder eine Vergütungsvereinbarung wird getroffen.

Rechtsentwicklung durch die FGG-Reform

Das bereits im Juni 2008 beschlossene FGG-Reformgesetz (BT-Drs. 16/6308 und 16/9733) hatte zum 1. September 2009 weitreichende Änderungen (siehe Familiengerichtsgesetz) gebracht. Die Interessensvertretung für Kinder und Jugendliche im familiengerichtlichen Verfahren heißt künftig "Verfahrensbeistand" (vgl. §§ 158, 174, 191 FamFG). Aus der bisherigen Kann-Regelung, wird eine grundsätzliche Verpflichtung zur Bestellung, allerdings kann von den Regelbeispielen des § 158 Abs. 2 FamFG in Ausnahmen abgewichen werden, was in einem Beschluss begründet werden muss. Beschlossen ist in der Reform gleichfalls eine Änderung der Vergütung von Verfahrenspflegern im kindschaftsrechtlichen Verfahren auf einen Pauschalsatz von 350 € pro Fall, der auf höchstens 550 € (inkl. Mehrwertsteuer) angehoben werden kann (§ 158 Abs. 7 FamFG). Damit sinkt die Bezahlung bei einer bisherigen durchschnittlich sich um die 800 € belaufenden Summe nach Stunden auf die Hälfte. Experten schätzen dies als große Gefahr für die Qualität der Verfahrenspflege und das Kindeswohl ein (vgl. Report Mainz, 28. Juli 2008/ ARD: "Die Reform der Verfahrenspflege geht auf Kosten der Qualität").

Anmerkung: In der Praxis muss der Verfahrenspfleger (heute Verfahrensbeistand) zu jedem Antrag in einem Verfahren neu bestellt werden. Die pauschale Vergütung ist dann ebenfalls erneut zu zahlen. Darüber hinaus erhält der Verfahrenpfleger die Pauschale pro Kind. Das heißt in einem Verfahren in dem der Verfahrenspfleger für drei Kinder bestellt ist erhält er auch drei mal die Vergütung und zwar völlig unabhängig davon wie langwierig das Verfahren ist.

Zukunftsperspektiven

Aufgrund der enormen Anzahl von Verfahren vor den Familien- und Vormundschaftsgerichten und den damit verbundenen hohen Zahlen an Kindschaftssachen, werden tendenziell steigend Verfahrenspfleger bestellt. Die Gerichte und Behörden haben sich mittlerweile auf die - nicht mehr ganz neue - Rechtsfigur eingestellt und nehmen diese in der Praxis gut an.

Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

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