Variations sérieuses

Variations sérieuses

Die Variations sérieuses op. 54 (MWV U 156) sind ein Variationswerk für Klavier von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das etwa dreizehn Minuten lange Werk wurde 1842 veröffentlicht und gilt als eines der Meisterwerke des Komponisten.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Mendelssohn war ein gewandter Improvisator und ein in allen satztechnischen Disziplinen erfahrener Komponist. Bereits im Alter von 11 Jahren unternahm er ausgedehnte Konzertreisen, auf denen er auch Goethe in Weimar vorspielte, was zu seiner Zeit als eine der höchsten Ehren galt. Nun wäre zu vermuten, dass ihm die Variationsform besonders gelegen hätte. Dennoch hat Mendelssohn erst im Jahr 1841 in schneller Folge drei Variationszyklen geschrieben, deren erster, die Variations sérieuses op. 54, als sein bedeutendstes Klavierwerk anzusehen ist. Am 15. Juli 1841 schrieb Mendelssohn an seinen in London lebenden Freund Karl Klingemann, dass er mit "wahrer Passion" an seinen Variations sérieuses gearbeitet habe. Einige Monate später, im Januar des folgenden Jahres, erschien es im Druck.

Analyse

Der etwas ungewöhnliche Titel Variations sérieuses ist als Reaktion Mendelssohns auf die Musizierpraxis seiner Zeit zu deuten. 1842, zu einer Zeit, in der so genannte "Variations brillantes", rein virtuose Fantasien über modische Themen, den Musikalienmarkt überschwemmten, legte Mendelssohn mit seinem op. 54 ein Werk vor, das sich einerseits an den Variationen in c-Moll von Beethoven zu orientieren scheint, andererseits bereits die Brücke zu dem virtuosen Variationsstil von Brahms schlägt (vor allem zu dessen Variationen über ein Thema von Paganini).

Hauptthema

Das 16-taktige Thema gliedert sich deutlich in vier Abschnitte von jeweils vier Takten. Bei dem Thema handelt es sich um eine Melodie in seufzenden Synkopen über einer choralartigen Akkordfolge. Die Variationen schließen ohne Pause aneinander an, wobei sich nahtlose Fortsetzungen und kontrastierende Schnitte abwechseln.

Variationen

  • In der ersten Variation löst sich die getragene Achtelbewegung des Themas in Sechzehntel auf.
  • In der zweiten werden aus den Sechzehnteln Sechzehntel-Triolen.
  • Die dritte Variation führt die Staccato-Technik für ein rasantes Wechselspiel zwischen oktavierten Bässen in der Linken und Akkorden in der Rechten ein.
  • Die vierte Variation ist ein zweistimmiger Kanon, ebenfalls auf Staccato-technik basierend.
  • Die fünfte Variation ist von innerer Unruhe geprägt, die aus einer synkopisch nachschlagenden Begleitung resultiert.
  • Die sechste Variation spaltet das Thema in hohe und tiefe Lagen, was eine große Treffsicherheit des Pianisten voraussetzt.
  • Die siebente Variation wechselt zwischen Akkordschlägen und Arpeggien.
  • Die achte Variation steigern Sechzehntel-Triolen in der Rechten die Bewegung, wobei die Linke mit Staccato-Achteln rhythmische Akzente setzt.
  • Die neunte Variation ersetzt die Achteln der Linken aus der achten Variation durch die gleichen Sechzehntel-Triolen wie in der Rechten.
  • Die zehnte Variation ist ein besinnliches Fugato, welches die elegische Anfangsstimmung wiederherstellt.
  • Die elfte Variation erinnert in ihrem Charakter, träumerisch und gesangsvoll, an Werke von Schumann.
  • Crescendierend und mit einem Ritardando leitet die elfte zur zwölften Variation über, die blitzartigen Entladungen gleicht. Hier verwendet der Komponist eine Mischung aus Repetitionen und Ablösungen der Hände um einen heftigen Erregungszustand auszudrücken.
  • Die dreizehnte Variation verlagert das Thema in die Tenorlage, die Rechte umspielt es mit leichten Staccato-Figurationen.
  • Die vierzehnte Variation, die einzige Variation in Dur, bringt einen neuerlichen Ruhepol indem alle bereits vorhanden gewesenen schnellen Bewegungen völlig vergessen werden und ein auf das Einfachste beschränkter Choral erklingt.
  • Die fünfzehnte Variation "poco a poco piu agitato" führt mit abwechselnd angeschlagenen Vierteln in der Linken und der Viertel-Akkorden in der Rechten in erzählter, klagender Weise (ähnlich wie in der fünften Variation) zur erregten Grundstimmung des Werkes zurück.
  • Die sechzehnte Variation bereitet in rasenden Sechzehnteltriolen (Allegro vivace) bereits das Ende des Werkes vor, wobei in jeder Gruppe von jeweils drei Sechzehntel-Triolen die Linke den Einsatz gibt, und die rechte die zwei weiteren Triolen anschlägt.
  • Die siebzehnte und letzte "vollständige" Variation ist der sechzehnten ähnlich, nur sind die Rollen der beiden Hände hier vertauscht. Hier beginnt Mendelssohn die Unruhe der schnellen Bewegung mit dynamischen Zeichen zu verstärken, verliert dann auch immer mehr das harmonische Gerüst des Themas und lässt die stärker werdenden Sechzehntelfiguren gewinnen, bis die verminderten fortissimo- Zerlegungen, die ein hohes pianistisches Können erfordern, im Höhepunkt des Werks, einem Tremolo- Orgelpunkt auf dem Quintton mit der darüber wiederkehrenden Urgestalt des Themas, gipfeln. Nun beginnt das Presto, bestehend nur aus einzelnen Teilen der vorhandenen Motive mit einer fortissimo-Oktave in der tiefsten Lage. Wie in Variation 5 unterliegt dieses Finale der abwechselnden Bewegung beider Hände, steigert sich in verminderte Akkordzerlegungen und zieht sich absterbend mit absteigenden Bässen (g-f-e-d) in ein erschöpftes, müdes d-moll mit ausharrender Quintlage zurück.

Rezeption

Die Variations sérieuses op. 54 sind eines der geschätztesten Werke des Komponisten. Sein guter Freund, der Komponist und Pianist Ignaz Moscheles bekannte "Ich spiele die Variations sérieuses immer wieder, jedes Mal genieße ich die Schönheiten aufs neue". Auch Ferrucio Busoni schätzte das Werk sehr. Viele Pianisten haben es aufgenommen, nennenswert darunter die Aufnahmen von Vladimir Horowitz, Svjatoslav Richter und Vladimir Sofronitzky.

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