VEB Elektrokohle Lichtenberg

VEB Elektrokohle Lichtenberg
Im VEB Elektrokohle 1984

Der VEB Elektrokohle Lichtenberg (EKL) war ein Industriebetrieb der DDR. Der Hauptsitz war in der Herzbergstraße 128–139 in Berlin-Lichtenberg. Der Betrieb war der einzige Hersteller für Graphitprodukte in der DDR und beschäftigte zeitweise über 3000 Mitarbeiter.

Auf dem ausgedehnten Gelände wurden nach der Wende viele alte Produktionsgebäude und Schornsteine abgerissen und der belastete Boden saniert. Die Ansiedlung mittelständischer Unternehmen wurde erfolgreich betrieben. Ein Teil der südlichen Betriebsfläche (ca. 88.000 m²) wurde zu einem asiatischen Kultur- und Handelszentrum in vier Großmarkthallen mit dem Namen „Dong Xuan Center“ (benannt nach dem Chợ Đồng Xuân, der größten Markthalle Hanois) umgebaut. In dem früheren Verwaltungsgebäude haben mittelständische Unternehmen Unterkunft gefunden. Das Areal des Betriebes steht neben dem als separaten Baudenkmal geführten Verwaltungsgebäude[1] als Gesamtensemble in der Berliner Landesdenkmalliste.[2]

Inhaltsverzeichnis

Chronik

Von 1872 bis 1945

Die Geschichte des Betriebes Elektrokohle Lichtenberg beginnt bereits im Jahr 1872, als auf dem Gelände in der damaligen Gemeinde Lichtenberg Siemens & Halske eine Teilproduktionsstätte zur Herstellung von Alkohol-Messapparaturen errichtete und unter dem Namen Gebr. Siemens & Co. führte. Nach 1880 wurden Beleuchtungskohle und Kohlebürstenerzeugnisse zum Produktionsschwerpunkt, 1904 kam die Herstellung von Siliziumkarbid-Heizstäben hinzu. Während des Ersten Weltkrieges wurde Siemens & Co. ein kriegswichtiger Rüstungsbetrieb und stellte Großkohleerzeugnisse her, die für viele Industriezweige von Bedeutung waren.[3] Im Jahr 1928 wurde der Betrieb mit dem Rütgers-Konzern verschmolzen und erhielt den Namen Siemens-Plania AG.

Das historische Verwaltungsgebäude

Auch im Zweiten Weltkrieg wurden kriegswichtige Kohleerzeugnisse hergestellt. In den letzten Jahren vor 1945 setzte die Konzernleitung im Produktionsbereich zusätzlich Zwangsarbeiter aus mehr als acht Nationen und Kinder zwischen 9 und 14 Jahren ein. Die meisten dieser ausländischen Arbeiter wohnten in Baracken im heutigen Bereich des Fennpfuhlparks.

Von Juni 1945 bis 1990

Nach dem Ende des Krieges wurde der Betrieb zunächst eine Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) und treuhänderisch verwaltet. Am 1. Januar 1954 erfolgte die Übergabe an die DDR, nun war Siemens-Plania ein Volkseigener Betrieb mit dem neuen Namen VEB Elektrokohle Lichtenberg. Für das Jahr 1966 wird eine Verzwanzigfachung des Produktionsausstoßes gegenüber dem Jahr 1947 angegeben, der absolute Wert beziffert sich auf „mehr als 100 Millionen Mark pro Jahr“.[4]

Im Jahr 1969 kam EKL zum VEB Chemiekombinat Bitterfeld.

Ab 1991 bis zum fast vollständigen Ende der Produktion

1993 wurde ein 200 Meter hoher Kamin, das dritthöchste technische Bauwerk im einstigen Ost-Berlin (nach dem Berliner Fernsehturm und dem Sendemast Köpenick) war, mit Hilfe eines Spezialbaggers abgetragen[5]. Am 23. Dezember 1996 übernahm der US-amerikanische Konzern UCAR International den Produktionsbereich Großkohle. Der Bereich Kleinkohle ging im Jahr 1997 an die SGL-Carbon-Gruppe.

Haupteinfahrt des früheren EKL

Ab 1997 wurde dann die Großproduktion auf dem Lichtenberger Gelände eingestellt, die Gebäude beräumt, Schornsteine gesprengt. In den Jahren 1992 und 1997–1999 erfolgten im Auftrag der Lichtenberger Bezirksverwaltung genaue Untersuchungen über die Belastung der Flächen mit verschiedenen Schadstoffen, gefunden wurden zum Beispiel 15–55 mg PAK pro Kilogramm TS in der gesamten Auffüllschicht, auf Teilflächen auch Chrom (23 g/kg), Kupfer (3,6 g/kg) und Phenole (bis 7,3 g/kg). Eine Grundwassergefährdung konnte nicht festgestellt werden. Die mittelständische Firma PanTrac GmbH führt in einigen hinteren Gebäudeteilen die Produktion von Industriekohlerzeugnissen aber erfolgreich fort. Es handelt sich dabei jedoch um eine Endfertigung, deren Rohmaterial von der SGL Carbon GmbH in Bonn bezogen wird.[6] [7]

Umwandlung der Industriefläche zu einem Asia-Zentrum

Seit dem Jahr 2006 gibt es hier das asiatische Zentrum, nachdem 2004 die teilweise Bodenabtragung und anschließende Versiegelung der belasteten Flächen durch den Bauherrn erfolgt ist.[8]

Produkte, die vom EKL hergestellt wurden

Zum Produktionsspektrum des VEB Elektrokohle Lichtenberg gehörten vielfältige Produkte aus Kohle und Graphit:

  • Kohlebürsten (groß) für Motoren und Generatoren und Kohlebürsten (klein) für Haushalts- und Heimwerkergeräte,
  • Kohlestifte,
  • Bogenlichtkohlen für Kinoprojektoren, Scheinwerfer, medizinische Geräte und sonstige Bogenlampen,
  • Formteile aus Kohlenstoff bzw. Naturgraphit (Rohre, Muffen, Platten, Stromabnehmer),
  • Kohlenstoffelektroden zur Erzeugung von Siliziumkarbid,
  • Silit-Produkte (elektrische Widerstände, Heizelemente auf Basis von Siliziumkarbid mit extrem hoher Härte),
  • Kohleelektroden und Ofenauskleidungen aus Kohlenstoff, komplett bearbeitet für Hochöfen, Ferrosiliziumöfen, Phosphoröfen.
  • Graphitelektroden für Lichtbogen-Stahlöfen (größter Anteil der EKL-Produktion nach Wert und Volumen)
  • Anodensteine für die Aluminiumherstellung

Zirka 30 Prozent der Gesamtproduktion ging in den Export in mehr als 30 Länder der Welt. Größter Abnehmer war die sowjetische Industrie.

Der Transport der Produkte auf dem ausgedehnten Werksgelände und die Auslieferung an auswärtige Kunden erfolgte mittels einer Industriebahn, die vor der Industrialisierung der gesamten Herzbergstraße von einer Terraingesellschaft verlegt worden war und einen Anschluss zum damaligen Güterbahnhof Lichtenberg hatte.[9]

Ausbildung, Betriebswohnungsbau und Kulturhaus

Kulturkonferenz im Kulturhaus des VEB EKL im Jahr 1960
Ruine des früheren Kulturhauses im Jahr 2007

Der Betrieb EKL ließ an der Herzbergstraße ein zweietagiges Kulturhaus errichten, für das der DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl am 27. März 1950 zusammen mit einem Arbeiter den Grundstein legte.[7] Die oberen Räumlichkeiten dienten als Berufsschule für die Ausbildung von Handelskaufleuten. – Bekannt ist die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft Elektrokohle, die das EKL zur Verbesserung der Wohnverhältnisse seiner Betriebsangehörigen gegründet hatte. Im Kulturhaus erfolgte oft auch die langerwartete feierliche Übergabe der Wohnungsschlüssel an die neuen Mieter. Außerdem wurde es für weitere Veranstaltungen wie Einschulung, Jugendweihe oder auch Konferenzen genutzt. Am 21.Dezember 1989 trat die West-Berliner Band Einstürzende Neubauten im Kulturhaus Elektrokohle erstmalig im Ostteil von Berlin auf. Dieses Konzert wird in dem Kinofilm Elektrokohle (von wegen) des Regisseurs Uli M. Schueppel dokumentiert. [10]

Die neuen Eigentümer des Geländes haben das Kulturhaus nicht mit übernommen, ein Nutzungskonzept konnte bisher noch nicht realisiert werden. Deshalb verfällt der Bau schrittweise oder ist das Ziel von Vandalen. Neben dem Eingang des Kulturhauses befindet sich ein Kunstobjekt von Doris Pollatschek mit dem Titel Erdkugel, das kaum noch zu erkennen ist.

Weblinks

 Commons: Elektrokohle Lichtenberg – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste (Verwaltungsgebäude)
  2. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste (Gesamtensemble)
  3. Werbekarte für Erzeugnisse von Siemens & Co., 1923, auf einer privaten Homepage
  4. Gerhard Flügge: Berliner ABC – Elektrokohle Lichtenberg in der Berliner Zeitung vom Mai 1967
  5. Referenzen-Stahlbetonschornsteine-Liste
  6. Pantrac im Bundesfirmenregister
  7. a b Information über eine Recherche zum EKL-Gewerbegebiet und eine entsprechende Ausstellung im Heimatmuseum Lichtenberg; abgerufen am 18. Dezember 2009
  8. Anfrage an den Berliner Senat zur Einrichtung des Asia-Zentrums aus dem Jahre 2004, Online (PDF)
  9. Zeitzeugen-Forum über die Gleisführung auf dem EKL-Gelände, geschichtsspuren.de (vormals lostplaces.de)
  10. Trailer für den Kinofilm Elektrokohle (von wegen) des Regisseurs Uli M. Schueppel (3:32 min); abgerufen am 18. Dezember 2009
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