Urinstatus

Urinstatus

Die Urinuntersuchung ist eine der ältesten Methoden, um Vorhandensein, Schwere und Verlauf von Erkrankungen von Nieren und Harnwegen zu untersuchen.

In der Antike und dem Mittelalter bis weit in die frühe Neuzeit wurde die als Uroskopie oder Harnschau (eine Betrachtung und Geruchsprüfung des spontan entleerten Urins) zu diagnostischen Zwecken durchgeführt. Dabei wurde hauptsächlich auf die Humoralpathologie, die Säftelehre nach Galen von Pergamon (131–200 n. Chr.), Bezug genommen.

Heute wird in den meisten Fällen zunächst ein Urinteststreifen eingesetzt, der eine schnelle, einfache und preisgünstige Analyse des Urins auf Vorhandensein von roten Blutkörperchen (Erythrozyten), weißen Blutkörperchen (Leukozyten), Eiweiß, Nitrit, Glukose und anderen Substanzen ermöglicht.

Inhaltsverzeichnis

Teststreifen

Bei auffälligen Befunden im Teststreifen, insbesondere bei Nachweis von roten oder weißen Blutkörperchen wird der Urin zentrifugiert und das Urinsediment unter dem Mikroskop untersucht.

Rote Blutkörperchen im Urin weisen auf eine Einblutung aus Nieren und Harnwegen hin und können bei Nierenkrebs, Harnsteinen oder Erkrankungen des Nierenkörperchens (meist handelt es sich dabei um eine Glomerulonephritis) auftreten. In ca. einem Drittel der Fälle kann aber auch bei sorgfältiger Untersuchung keine Ursache gefunden werden.

Weiße Blutkörperchen im Urin weisen meist auf eine Harnwegsinfektion hin, insbesondere wenn Schmerzen beim Wasserlassen bestehen und Nitrit im Teststreifen nachweisbar ist.

Häufigste Ursache von Eiweiß im Urinteststreifen sind Erkrankungen des Nierenkörperchens wie diabetische Nephropathie, Nephrosklerose oder Glomerulonephritis. Zur weiterführenden Diagnostik wird die Eiweißausscheidung mit chemischen Methoden quantifiziert und die unterschiedlichen Eiweiße werden durch Elektrophorese charakterisiert.

Für spezielle Fragestellungen existiert eine Vielzahl weiterer Bestimmungsmethoden.

Urinteststreifen

Uringewinnung

72 Stunden vor der Abgabe der Urinprobe sollten schwere körperliche Anstrengungen (Langstreckenlauf, Fußballspiel) vermieden werden. Während der Menstruation sollte keine Urinuntersuchung durchgeführt werden. Frauen sollten bei Ausfluss einen Tampon verwenden. Die Öffnung der Harnröhre sollte abgewaschen werden. Die erste Urinportion wird verworfen. Um Beimengungen von Zellen und Sekreten aus Harnröhre und Vagina zu vermindern, wird für die Analyse der sogenannte Mittelstrahlurin verwendet.

Partikel im Urin lösen sich schnell auf, insbesondere wenn der Urin alkalisch oder verdünnt (niedriges spezifisches Gewicht, niedrige Osmolalität) ist. Idealerweise sollte die Urinprobe innerhalb von 2 bis 4 Stunden untersucht werden. Ist dies nicht möglich, kann der Urin bei Temperaturen zwischen +2 °C und +8 °C aufbewahrt werden; dies begünstigt aber die Präzipitation von Urat- und Phosphat-Kristallen. Alternativ kann der Urin durch Zugabe von Formaldehyd oder Glutaraldehyd haltbar gemacht werden, dieser Vorgang der Fixierung kann aber zu Veränderungen von Urinbestandteilen führen.

Physikalische Eigenschaften

Farbe

Die normale Farbe des Urins reicht von hellgelb bis dunkelgelb und bernsteinfarben.

Erkrankungen, Medikamente und Nahrungsmittel können zu einer abweichenden Färbung des Urins führen:

Trübung

Urin ist normalerweise klar. Eine Trübung kann durch eine Vielzahl verschiedener Partikel hervorgerufen werden. Meist handelt es sich dabei um Erythrozyten, Leukozyten, Bakterien, Plattenepithelzellen oder Kristalle. Häufig führen Sekrete aus dem Genitalbereich zu einer Trübung.

Geruch

Ein beißender Geruch des Urins weist auf eine Infektion mit Bakterien hin, die Ammoniak produzieren.

Einige seltene Erkrankungen bewirken einen charakteristischen Geruch des Urins.

  • Ahornsirupkrankheit führt zu einem Ahornsirup-Geruch des Urins.
  • Phenylketonurie bewirkt einen moderigen oder mausartigen Uringeruch.
  • Isovaleriansäure-Azidose führt zu Schweißgeruch des Urins.
  • Hypermethioninämie führt zur Geruch nach ranziger Butter oder Fisch
  • Ketone bewirken einen süßlichen oder fruchtigen Geruch.

Relative Dichte

Die relative Dichte des Urins kann mit verschiedenen Methoden bestimmt werden:

Spezifisches Gewicht

Das spezifische Gewicht des Urins hängt ab von Anzahl und Gewicht der im Urin verteilten Partikel. Die Bestimmung erfolgt mittels eines Urinometers, einer Senkspindel, die mit einer Graduierung zwischen 1.000 und 1.060 versehen ist. Das Urinometer ist einfach und schnell, wird aber nicht mehr eingesetzt.

Osmolarität

Die Osmolarität des Urins hängt von der Anzahl der gelösten Partikel ab. Die Messung erfolgt mittels eines Osmometers, z. B. durch Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung.

Werden vermehrt osmotisch aktive Teilchen in den Primärharn filtriert, kommt es zu einem Anstieg von Urin-Osmolarität und Urin-Volumen (Osmotische Diurese). Beispiele:

  • Bei Diabetes mellitus kann eine erhöhte Glukosekonzentration im Urin zu osmotischer Diurese kommen.
  • Mannitol führt ebenfalls zu einer osmotischen Diurese und kann daher als Diuretikum eingesetzt werden.

Kann die Niere aufgrund einer fortgeschrittenen Nierenerkrankung den Urin nicht mehr ausreichend konzentrieren, liegt im Urin die gleiche Osmolarität wie im Plasma vor (Isosthenurie).

Wird vermehrt Wasser über den Urin ausgeschieden, z. B. nach vermehrter Flüssigkeitszufuhr (Polydipsie) oder aufgrund eines Diabetes insipidus, sinkt die Osmolarität im Urin ab (Wasserdiurese).

Refraktometrie

Mit Hilfe eines Refraktometers kann die Brechzahl des Urins bestimmt werden. Diese ist ein Maß für die Osmolarität des Urins. Die Durchführung des Tests ist einfach und benötigt nur einen Tropfen Urin.

Trockenchemie

Eine näherungsweise Bestimmung der Osmolalität ist auch mittels Urinteststreifen möglich.

Bei der zugrundeliegenden Reaktion setzt ein Komplexbildner in Gegenwart von Kationen Protonen frei, die zu einem Farbumschlag des Indikators Bromthymolblau führen.

Bei einem Urin pH über 6,5 wird die Osmolalität unterschätzt; bei einer Eiweißkonzentration über 7 g/l wird die Osmolalität überschätzt. Durch die zugrunde liegende Reaktion werden nur Ionen erfasst, nicht jedoch wichtige osmotisch aktive nichtionisierte Moleküle wie Glukose oder Harnstoff. Aus diesen Gründen besteht nur eine schlechte Übereinstimmung mit anderen Methoden zur Bestimmung der Osmolalität.

Chemische Eigenschaften

pH

In der Regel wird der pH-Wert des Urins durch den Urinteststreifen bestimmt. Der Indikator deckt einen pH-Bereich zwischen 5 und 9 ab. Über- oder unterschreitet der Urin-pH diesen Bereich oder ist eine genauere Bestimmung des pH-Werts erforderlich, muss die Messung mittels pH-Meter erfolgen.

Hämoglobin

Hauptartikel: Hämaturie

Blutbeimengungen im Urin (Hämaturie) werden mit dem Urinteststreifen durch den roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) nachgewiesen. Die Nachweisreaktion nutzt die Peroxidase-Aktivität der Häm-Gruppe, welche die Reaktion zwischen Peroxid und einem Farbstoff katalysiert. In Gegenwart von Erythrozyten bilden sich grüne Flecke, in Gegenwart von freiem Hämoglobin entsteht ein homogener grüner Farbumschlag.

Falsch positive Befunde treten auf bei Hämolyse mit Hämoglobinurie, Rhabdomyolyse mit Myoglobulinurie und bei hohen Konzentrationen von Bakterien mit Peroxidase-Aktivität wie Enterobakterien, Staphylokokken und Streptokokken.

Falsch negative Befunde können in Gegenwart von reduzierenden Substanzen auftreten. So kann in Gegenwart von Askorbinsäure, z. B. durch Einnahme großer Mengen an Vitamin C, eine milde Hämaturie übersehen werden.

Die Sensitivität des Teststreifens zum Nachweise von Hämoglobin liegt bei 95–100 %, die Spezifität bei 65–93 %.

Glukose

Hauptartikel: Glukosurie

Im Urinteststreifen wird Glukose zunächst zu Glucuronsäure und Wasserstoffperoxid oxidiert. In einem zweiten Schritt, der durch eine Peroxidase katalysiert wird, reagiert Wasserstoffperoxid mit einem Farbreagens. Der Teststreifen erlaubt einen semiquantitativen Nachweis. Ist eine genaue Bestimmung der Glukosekonzentration erforderlich, werden enzymatische Bestimmungsmethoden eingesetzt.

Beträgt die Glukosekonzentration im Urin mehr als 15 mg/dl (0.8 mmol/l), spricht man von einer Glukosurie. Ursachen einer Glukosurie sind erhöhte Blutzuckerspiegel (Diabetes mellitus) oder eine verminderte Rückresorption der Glukose aus dem Primärharn bei Erkrankungen der Nierenkanälchen (Diabetes renalis).

Falsch negative Befunde ergeben sich in Gegenwart von Ascorbinsäure und Bakterien, falsch positive Befunde können durch oxidierende Reinigungsmittel und Salzsäure hervorgerufen werden.

Protein

Hauptartikel: Proteinurie

Beträgt die Ausscheidung von Eiweiß im Urin (Proteinurie) über 150 mg/24 h über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten, liegt eine chronische Nierenkrankheit vor.

Die Höhe der Proteinurie korreliert zur Geschwindigkeit des Nierenfunktionsverlustes. Ein Rückgang der Proteinurie unter Therapie weist auf ein Ansprechen der Behandlung hin. [1]

Es gibt drei Möglichkeiten, eine Proteinurie nachzuweisen:

Proteinnachweis durch Teststreifen

Die Nachweisreaktion beruht darauf, dass Proteine in einem Puffersystem zu einer Änderung des pH-Werts führen, die proportional ist zur Konzentration des Proteins. Die pH-Änderung wurde durch eine pH-abhängige Farbänderung sichtbar gemacht. Diese Nachweismethode hat eine hohe Sensitivität gegenüber Albumin, jedoch eine nur sehr geringe Sensitivität gegenüber anderen relevanten Proteinen wie tubulären Proteinen oder freien Leichtketten.

Der Teststreifen erlaubt nur eine semiquantitative Bestimmung der Proteinkonzentration, die auf einer Skala von 0 bis +++ angegeben wird.

Eine vor allem bei Diabetikern relevante Albuminausscheidung von weniger als 300 mg/24 h bzw. weniger als 200 mg/l, die als Mikroalbuminurie bezeichnet wird, kann durch die üblicherweise verwendeten Teststreifen nicht nachgewiesen werden.

24 h-Proteinausscheidung

Der Urin wird über 24 Stunden gesammelt. Zu Beginn der Sammelperiode ist die Harnblase vollständig in die Toilette zu entleeren, ab diesem Zeitpunkt wird der Urin komplett in einem Sammelgefäß gesammelt, exakt 24 Stunden nach Beginn der Sammelperiode muss die Blase vollständig in das Sammelgefäß entleert werden. Die Konzentration der Gesamtproteine im Urin kann durch die Biuretreaktion, Turbidimetrie oder Nephelometrie bestimmt werden. Die Proteinausscheidung wird in mg (bzw. g) pro 24 Stunden angegeben.

Die Proteinbestimmung im 24 h Sammelurin ist die Referenzmethode der Eiweißbestimmung im Urin. Wegen der relativ komplexen Sammelvorschrift kommt es jedoch häufig zu Fehlern beim exakten Sammeln des Urins.

Während der Sammelperiode kann es zur Vermehrung von Bakterien kommen. Zudem zerfallen in diesem Zeitraum zelluläre Bestandteile des Urins. Der Sammelurin darf daher nicht für die Untersuchung des Urinsediments und für die mikrobiologische Diagnostik verwendet werden.

Protein/Kreatinin-Quotient im Spontanurin

Um die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Eiweißausscheidung über 24 Stunden zu umgehen, kann die Proteinkonzentration im Spontanurin auch auf die die Kreatinin-Konzentration der Urinprobe bezogen werden. Die Eiweißkonzentration wird dann in mg(Protein)/mg(Kreatinin) oder mg(Protein)/g(Kreatinin) angegeben. Der Normwert liegt unter 0,07 mg/mg.

Es besteht eine gute Korrelation zwischen Protein/Kreatinin-Quotient und 24 h – Proteinausscheidung. Möglicherweise ist die Korrelation aber bei Eiweiß-Konzentrationen über 1 g/l weniger genau. Bislang gibt es noch keine Untersuchungen zum Stellenwert des Protein/Kreatinin-Quotienten bei der Überwachung der Behandlung von Erkrankungen, die mit einer Proteinurie einhergehen.

SDS-Polyacrylamidgel-Gradienten-Elektrophorese (SDS-PAGE)

Hauptartikel: SDS-PAGE

Der Urin wird mit Natriumlaurylsulfat (SDS) versetzt. Dadurch werden die Harnproteine denaturiert und können durch Elektrophorese auf einem Polyacrylamidgel nach der molaren Masse getrennt werden.

Die SDS-PAGE erfasst alle Harnproteine und ermöglicht die Unterscheidung zwischen glomerulärer Proteinurie, tubulärer Proteinurie und prärenaler Proteinurie. Die SDS-PAGE erlaubt keine Quantifizierung der Proteinurie und muss daher immer mit einer quantitativen Proteinbestimmung (24 h-Proteinausscheidung oder Protein/Kreatinin-Quotient) kombiniert werden.

  • Tubuläre Proteinurie:
Im Nierenkörperchen werden kleinmolekulare Proteine (α1-Mikroglobulin, β2-Mikroglobulin, Retinol-bindendes Protein, β-NAG) in den Primärharn filtriert und anschließend im proximalen Tubulus (Nierenkanälchen) rückresorbiert. Bei Erkrankungen des Nierentubulussystems nimmt die Rückresorption ab, im Urin sind dann kleinmolekulare Proteine nachweisbar.
Eine tubuläre Proteinurie weist hin auf interstitielle Nephritis, Pyelonephritis, Transplantat-Abstoßung, akutes Nierenversagen oder erbliche Erkrankungen des Tubulussystems, wie z. B. das De-Toni-Fanconi-Syndrom.
  • Glomeruläre Proteinurie:
Erscheinen höhermolekulare Proteine im Urin, weist das auf einen Defekt der Basalmembran des Nierenkörperchen hin. In frühen Krankheitsstadien sind im Urin Proteine mit einem mittleren Molekulargewichtsbereich von 50–70 kD (Albumin, Transferrin) nachweisbar (selektiv glomeruläre Proteinurie). Bei fortgeschrittenen Erkrankungen erscheinen im Urin auch hochmolekulare Proteine wie z. B. Immunglobulin G (unselektiv glomeruläre Proteinurie).
  • Prärenale Proteinurie:
Bei monoklonalen Gammopathien können große Mengen an freien Leichtketten produziert werden. Die freien Leichtketten werden im Glomerulus filtriert und im proximalen Tubulus rückresorbiert. Überschreitet die filtrierte Menge an freien Leichtketten die Kapazität des Tubulussystems zur Rückresorption, erscheinen die freien Leichtketten im Urin (Bence-Jones-Proteinure).
  • Mischproteinurie:
Bei fortgeschrittenen Nierenerkrankungen werden sowohl Nierenkörperchen als auch Nierenkanälchen in Mitleidenschaft gezogen. Man findet dann Mischformen zwischen glomerulärer und tubulärer Proteinurie: Fortgeschrittene Glomerulonephritis, diabetische Nephropathie, Nephrosklerose und Amyloidose.

Urin-Proteom

Hauptartikel: Proteomik

Die Analyse des Urin-Proteoms ist ein experimentelles Verfahren, mit dem die Gesamtheit der im Urin vorhandenen Proteine untersucht wird. Dazu werden die Proteine durch unterschiedliche Methoden getrennt, anschließend ionisiert und mittels Massenspektrometrie analysiert. Als Trennungsverfahren werden zweidimensionale Gelelektrophorese, Flüssigkeitschromatographie, selektive Proteinadsorption, Kapillarelektrophorese und Proteinarrays eingesetzt.[2] Charakteristische Proteinmuster wurden beobachtet bei IgA-Nephropathie, Vaskulitis und diabetischer Nephropathie.[3]

Leukozyten-Esterase

Im Urin vorhandene Leukozyten und Makrophagen setzten Indoxyl-Esterasen frei, wenn sie platzen. Diese Esterase-Aktivität kann mittels Urinteststreifen nachgewiesen werden. In alkalischem Urin oder Urin niedriger Dichte platzen Zellen besonders leicht, häufig ist daher der Teststreifen positiv, wogegen bei der mikroskopischen Untersuchung keine Leukozyten nachgewiesen werden können. Im Gegensatz dazu verhindert eine hohe Dichte des Urins die Lyse von Leukozyten und vermindert so die Sensitivität des Esterase-Teststreifens. Falsch negative Ergebnisse können auch bei einer hohen Glukose- oder Eiweißkonzentration vorkommen sowie in Gegenwart von Antibiotika (Cephalotin, Tetrazyklin, Cephalexin, Tobramycin). Falsch positive Ergebnisse sind selten und kommen z. B. in Gegenwart von Formaldehyd vor. Die Sensitivität des Tests liegt bei 76–94 %, die Spezifität bei 68–81 %.

Nitrit

Nitrit wird mittels Urinteststreifen nachgewiesen und gibt einen Hinweis auf einen bakteriellen Harnwegsinfekt. Die meisten gram-negativen Bakterien, die Erkrankungen der Harnwege hervorrufen können, besitzen Nitratreduktasen, mit Hilfe derer sie Nitrate zu Nitriten reduzieren können. Es gibt jedoch wichtige Erreger von Harnwegsinfekten, die keine oder nur geringe Aktivitäten von Nitratreduktase besitzen, wie Pseudomonas, Staphylococcus albus und Enterokokken. Zudem kann der Test nur ansprechen, wenn eine ausreichende Menge von Nitraten mit der Nahrung aufgenommen wird (z. B. durch Gemüse) und der Urin ausreichend lange in der Harnblase verbleibt.

Die Sensitivität des Tests ist daher gering, die Spezifität dagegen gut mit > 90 %.

Gallepigmente

Mit Urinteststreifen können bei Lebererkrankungen auch Urobilinogen und Bilirubin nachgewiesen werden. In der Praxis hat diese Methode aber keine Bedeutung mehr, da bei Erkrankung von Leber und Gallenwegen Leberenzyme und Bilirubin im Blut bestimmt werden.

Ketone

Ketone können mittels Urinteststreifen durch eine Reaktion zwischen Nitroprussid mit Acetessigsäure und Aceton nachgewiesen werden. Ketone im Urin weisen hin auf eine Ketoazidose bei Diabetes mellitus, Hunger, Erbrechen oder starker körperlicher Arbeit.

Mikroskopie

Hauptartikel: Urinsediment

Die mikroskopische Untersuchung des Urinsediments ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Urinuntersuchung und ergänzt die physikalische und chemische Urinuntersuchung um unverzichtbare Informationen.

Methoden

Der Patient wird angewiesen, am Morgen zunächst die Blase vollständig zu entleeren. Im Nachturin können sich die im Urin vorhandenen Zellen während der langen Verweilzeit in der Blase auflösen. Für die Untersuchung des Urinsediments wird daher der zweite Morgenurin in einem Einmal-Sammelbehälter aufgefangen, nachdem zuvor die ersten Milliliter des Harnstrahls verworfen wurden, um störende Beimengungen aus der Harnröhre zu entfernen (Mittelstrahlurin). Die Urinprobe wird dann innerhalb von 2–3 Stunden untersucht. Dazu werden 10 ml des Urins 10 Minuten lang bei 2000 Rpm zentrifugiert; der Überstand wird verworfen, das Sediment wird resuspendiert und mit einem Phasenkontrastmikroskop untersucht. Kristalle und Fetttropfen können mit einem Polarisationsmikroskop identifiziert werden. Bei Routineuntersuchungen wird die Anzahl von Zellen in Anzahl/Gesichtsfeld angegeben, die Häufigkeit anderer Strukturen (Kristalle, Bakterien o. Ä.) auf einer semiquantitativen Skala von 0 bis ++++. Für wissenschaftliche Fragestellen wird die Zellzahl in 20 Gesichtsfeldern bestimmt oder die Zellen werden in einer Zählkammer gezählt.

Die Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchungen können nur dann korrekt interpretiert werden, wenn die Ergebnisse des Urinteststreifens berücksichtigt werden. Alkalischer pH oder niedriges spezifisches Gewicht des Urins führen zu einem Zerfall (Lyse) von Zellen und damit zu falsch negativen Resultaten. Für die korrekte Identifikation von Kristallen ist die Kenntnis des pH-Werts erforderlich. Bei der Untersuchung von Patienten mit Erkrankungen des Nierenkörperchens gibt die Höhe der Eiweißausscheidung wichtige Informationen.

Zellen

Im Urin treten zwei Gruppen von Zellen auf:

Erythrozyten (rote Blutkörperchen)

Hauptartikel: Hämaturie

Erythrozyten sind scheibenförmige Strukturen mit zentraler Eindellung, der Durchmesser beträgt 4–7 μm. Erythrozyten kommen im Urin in zwei unterschiedlichen Formen vor:

  • Isomorphe Erythrozyten haben im Urin die gleiche Form wie die Erythrozyten im Blut und weisen in der Regel auf eine urologisch zu behandelnde Erkrankung hin, wie Nierentumore, Nierensteine oder Blutungen aus den ableitenden Harnwegen (Abb.[4]).
  • Dysmorphe Erythrozyten haben unregelmäßige Formen und Konturen und weisen auf eine Glomerulonephritis hin (Abb.[5]). Besonders charakteristische Veränderungen weisen Akanthozyten auf, Erythrozyten mit bläschenförmigen Ausstülpungen der Zellmembran (Abb.[6]). Liegt der Anteil dysmorpher Erythrozyten über 40 % bzw. der Anteil von Akanthozyten über 5 % der im Phasenkontrastmikroskop ausgezählten Erythrozyten, weist dies auf einen Glomerulonephritis hin, dem Patienten können dann unter Umständen invasive urologische diagnostische Maßnahmen, wie eine Harnblasenspiegelung (Zystoskopie) erspart werden.

Leukozyten (weiße Blutkörperchen)

Häufigste Ursachen für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten im Urin sind Harnwegsinfektionen und Beimengungen von Sekreten aus dem Genitalbereich zu Urin. Weitere Ursachen sind Interstitielle Nephritis, proliferative Glomerulonephritis und urologische Erkrankungen.

  • Lymphozyten treten bei der zellulären Abstoßung von Nierentransplantaten frühzeitig im Urin auf. Die Identifizierung der Zellen erfordert aber spezielle Untersuchungsmethoden, die bei der Routineuntersuchung des Urinsediments nicht zur Verfügung stehen.

Makrophagen (Fresszellen)

Makrophagen sind Zellen von unterschiedlicher Größe, ihr Durchmesser kann 15 bis über 100 μm betragen. Das Zytoplasma kann gefüllt sein mit Fetttröpfchen (Abb.[9]), Vakuolen, körneligen Strukturen (Abb.[10]) oder verschlungenen (phygozytierten) Bakterien. Im Urin treten Makrophagen auf bei unselektiver Proteinurie, Glomerulonephritis und IgA Nephropathie.

Nierentubulus-Epithelzellen

Tubulus-Epithelzellen stammen aus dem Nephron, dem Kanälchensystem der Niere. Je nach dem Tubulus-Segment, aus dem sie stammen, variiert ihr Durchmesser von 11–15 μm und ihre Form von rechteckig bis säulenförmig. Charakteristisch ist ein gut sichtbarer Zellkern mit Kernkörperchen (Nukleolus) (Abb.[11]). Tubulus-Epithelzellen treten im Urin auf bei Erkrankungen, die das Nephron schädigen, wie akutem Nierenversagen, akuter interstitieller Nephritis, akuter Abstoßung eines Nierentransplantats und in geringerer Anzahl bei proliferativer Glomerulonephritis.

Urothel-Zellen

Urothelzellen stammen aus dem Übergangsepithel (Urothel), welches Nierenkelche, Nierenbecken, Harnblase und beim Mann auch die obere Harnröhre auskleidet. Das Urothel besteht aus mehreren Schichten.

  • Tiefe Urothelzellen: Zellen aus den tiefen Schichten sind klein mit einem Durchmesser von 13–20 µm, oval bis keulenförmig. (Abb.[12]).
  • Oberflächliche Urothelzellen: Zellen aus den oberflächlichen Schichten sind größer mit einem Durchmesser von 20–40 µm. (Abb.[13]).

Tiefe Urothelzellen weisen auf urologische Erkrankungen hin wie Harnblasenkrebs, Harnsteine oder Hydronephrose. Zellen aus den oberflächlichen Schichten des Urothels treten dagegen häufig bei Harnwegsinfektionen auf.

Plattenepithelzellen

Plattenepithel-Zellen sind die größten Zellen im Urinsediment, ihr Durchmesser liegt bei 45–65 µm (Abb.[14]). Sie stammen aus der Harnröhre oder den äußeren Geschlechtsorganen (Genitalien). Bei Frauen kann das massive Auftreten von Plattenepithel-Zellen im Urin auf eine Scheidenentzündung (Vagnitis) hinweisen.

Lipide

Fetttröpfchen (Lipide) erscheinen im Lichtmikroskop als runde, durchsichtige oder gelbe Tröpfchen unterschiedlicher Größe, die entweder einzeln, in Klumpen, im Zytoplasma von Makrophagen oder in Zylindern auftreten können. Im Polarisationsmikroskop leuchten Fetttröpfchen hell auf mit einem dunklen „Malteserkreuz“ (Abb.[15]. Lipide im Urin können auch in Form von Cholesterin-Kristallen auftreten.

Eine Ausscheidung von Fetten im Urin (Lipidurie) findet sich typischerweise bei Erkrankungen des Nierenkörperchens, die mit einer ausgeprägten Eiweißausscheidung einhergehen.

Bei Morbus Fabry können ebenfalls Lipidtröpfchen im Urin auftreten, diese erscheinen aber unregelmäßiger und weisen im Elektronenmikroskop konzentrische Lamellen auf (Myelinkörper) (Abb.[16])

Zylinder

Hauptartikel: Zylinder (Urin)

Zylinder im Urin sind zylindrische Gebilde, die gewissermaßen einen Ausguss des Nierenkanälchens mit Tamm-Horsfall Glykoprotein darstellen, das im aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife gebildet wird. In der Matrix aus Tamm-Horsfall-Protein kann eine Vielzahl von Partikeln eingeschlossen sein, die auf unterschiedliche krankhafte Zustände hinweisen können. Aufgrund des Entstehungsmechanismus der Zylinder stammen die eingeschlossenen Partikel immer aus der Niere und nie aus den ableitenden Harnwegen.

Folgende Zylinder können unterschieden werden:

Kristalle

Im Urin kann eine Vielzahl von Kristallen vorkommen, die häufig vollkommen harmlos sein können, aber auch auf Erkrankungen oder eingenommene Medikamente hinweisen können.

Häufige Kristalle:

Meist ist die Ausscheidung von Urat-, Oxalat- oder Phosphat-Kristallen harmlos und durch Ausfällung der Substanzen in einem konzentrierten Urin verursacht. In seltenen Fällen kann eine Kristallurie aber auf Stoffwechselstörungen wie Hypercalciurie, Hyperoxalurie oder Hyperurikosurie hinweisen.

Kristalle die auf Erkrankungen hinweisen:

  • Cholesterin-Kristalle sind durchsichtige dünne Plättchen mit scharfen Kanten, die häufig zusammenklumpen (Abb.[31]). Cholesterin-Kristalle kommen im Urin bei ausgeprägter Eiweißausscheidung oder nephrotischem Syndrom vor.
  • Zystin-Kristalle erscheinen als unregelmäßige sechseckige Plättchen die miteinander verbacken sein können (Abb.[32]). Zystin-Kristalle sind beweisend (pathognomonisch) für das Vorliegen einer Zystinurie.
  • 2,8-Dihydroxy-Adenin-Kristalle sind kugelförmige, bräunliche Kristalle mit einer vom Zentrum ausgehenden Streifung. Das Vorkommen dieser Kristalle weist auf einen Defekt des Enzyms Adenin-Phosphoribosyltransferase hin.

Arzneimittel-Kristalle Arzneimittelkristalle weisen oft untypische Formen auf.

Literatur

Einzelnachweise

  1. K/DOQI Clinical Practice Guidelines for Chronic Kidney Disease: Evaluation, Classification, and Stratification: „Part 9. Approach to chronic kidney disease using these guidelines.“ American Journal of Kidney Diseases 2002; Vol. 39, Issue 2: S. S215-S222  Artikel
  2. Fliser, Danilo et al.: „Advances in Urinary Proteome Analysis and Biomarker Discovery.“ J Am Soc Nephrol 2007; 18: S. 1057-1071 Abstract Artikel
  3. Rossing, Kasper et al.: „Urinary Proteomics in Diabetes and CKD.“ J Am Soc Nephrol 2008; 19: S. 1283-1290 Abstract
  4. Isomorphe Erythrozyten, Fogazzi GB, „Urinalysis: Core Curriculum 2008“. American Journal of Kidney Diseases 2008; Vol. 51, Issue 6: s. 1052–1067, Supplementary Appendix
  5. Dysmorphe Erythrozyten, Fogazzi GB, Urinalysis
  6. Akanthozyten, Fogazzi GB, Urinalysis
  7. Neutrophile Granulozyten, Fogazzi GB, Urinalysis
  8. Eosinophile Granulozyten, Hansel-Färbung, aus M Kaye,RF Gagnon: Acute allergic interstitial nephritis and eosinophiluria,Kidney International (2008) 73, 980
  9. Makrophagen mit Fetttröpfchen, Fogazzi GB, Urinalysis
  10. Granulierter Makrophage, Fogazzi GB, Urinalysis
  11. Tubulus-Epithelzelle aus dem proximalen Tubulus, Fogazzi GB, Urinalysis
  12. Tiefe Urothelzellen, Fogazzi GB, Urinalysis
  13. Oberflächliche Urothelzellen, Fogazzi GB, Urinalysis
  14. Plattenepithel-Zellen, Fogazzi GB, Urinalysis
  15. Makrophage mit Fetttröpfchen im Polarisationsmikroskop, Fogazzi GB, Urinalysis
  16. Myelinkörper, Fogazzi GB, Urinary sediment
  17. Hyaliner Zylinder, Fogazzi GB, Urinalysis
  18. Hyalin-granulierter Zylinder, Fogazzi GB, Urinalysis
  19. Feingranulierter Zylinder, Fogazzi GB, Urinalysis
  20. Wachszylinder, Fogazzi GB, Urinalysis
  21. Fettzylinder im Phasenkontrastmikroskop, Fogazzi GB, Urinalysis
  22. Fettzylinder im Polarisationsmikroskop, Fogazzi GB, Urinalysis
  23. Eryhthrozytenzylinder, Fogazzi GB, Urinalysis
  24. Bilirubinzylinder, Fogazzi GB, Urinalysis
  25. Harnsäure-Kristall, Fogazzi GB, Urinalysis
  26. Amorphe Urate, Fogazzi GB, Urinalysis
  27. Calciumoxalat-Monohydrat-Kristalle, Fogazzi GB, Urinalysis
  28. Calciumoxalat-Dihydrat-Kristalle, Fogazzi GB, Urinalysis
  29. Calciumphosphat-Kristall, Fogazzi GB, Urinalysis
  30. Triplephosphat-Kristalle, Fogazzi GB, Urinalysis
  31. Cholesterinkristall, Fogazzi GB, Urinalysis
  32. Zystin-Kristalle, Fogazzi GB, Urinalysis
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