Unwort

Unwort

Der Begriff Unwort ist ein Schlagwort aus dem Bereich der Sprachkritik und bezeichnet ein „unschönes”, aber auch ein „unerwünschtes” Wort.[1] Es wurde populär durch die Gesellschaft für Deutsche Sprache, die das Wort des Jahres kürt und auch ein Unwort des Jahres publiziert. Die Aktion Unwort des Jahres definiert Unwort als „[…] Wörter und Formulierungen aus der öffentlichen Sprache, die sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen.”[2]

Inhaltsverzeichnis

Unwort des Jahres (Deutschland)

Das Unwort des Jahres wird seit 1994 jährlich von der Jury der sprachkritischen Aktion „Unwort des Jahres” an der Universität Frankfurt am Main bestimmt. Hierzu kann aber jeder Vorschläge einreichen. Bis 1994 wurde das „Unwort des Jahres” im Rahmen der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gewählt. Nach einem Konflikt mit dem Vorstand der GfdS machte sich die Jury als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres” selbständig.[2]

Vergleiche auch den Artikel: Wort des Jahres

Viele Entscheidungen für „Unwörter” standen unter massiver Kritik. Entlassungsproduktivität, betriebsratsverseucht und sozialverträgliches Frühableben wurden nach Aussage der Kritiker nahezu nicht benutzt, Humankapital und Ich-AG bewusst falsch verstanden.

Die Jury besteht aus vier ständigen und zwei in jährlichem Wechsel kooptierten Mitgliedern. Sie wird von Horst Dieter Schlosser vertreten, der ihr seit 1991 angehört.[3] An der Auswahl des „Unwortes“ 2010 nahmen als nicht-ständige Mitglieder Ruth Bühner, Journalistin beim Hessischen Rundfunk, und Hellmuth Karasek, Autor, Literaturkritiker und Professor für Theaterwissenschaft teil.[4] Da die Benennung der Wörter und Unwörter des Jahres „in erster Linie als Anregung zu mehr sprachkritischer Reflexion”[5] dient, stellt gerade die kritische öffentliche Diskussion einen Erfolgsfaktor der Juryarbeit dar.

Unwörter des Jahres

Unwort des 20. Jahrhunderts: Menschenmaterial

Jahr Unwort des Jahres[6] Begründung
2010 alternativlos Das Wort suggeriere sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art seien 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohten, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken.[7]
2009 betriebsratsverseucht Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen störe zwar viele Unternehmen, Betriebsräte als Seuche zu bezeichnen, sei indes „ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen“.[8] (bekannt wurde der Begriff durch seine Verwendung in der ARD. Nach Angaben eines Mitarbeiters der Baumarktkette Bauhaus wird er von Abteilungsleitern der Baumarktkette gebraucht, wenn Mitarbeiter aus einer der drei Filialen mit einem Betriebsrat in eine ohne wechseln wollen)[9][10]
2008 notleidende Banken Der Begriff stelle das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise auf den Kopf. Während die Volkswirtschaften in ärgste Bedrängnis geraten seien und die Steuerzahler Milliardenkredite mittragen müssten, würden die Banken, durch deren Finanzpolitik die Krise verursacht worden sei, zu Opfern stilisiert.[11]
2007 Herdprämie Abwertende Bezeichnung für Geld, das Eltern erhalten sollen, die ihre Kinder zuhause selber auf- und erziehen und nicht in einer Kindertagesstätte betreuen lassen wollen – als negativer Gegensatz zur Berufstätigkeit statt alleiniger Kindererziehung.
2006 freiwillige Ausreise Bezieht sich darauf, dass viele abgelehnte Asylbewerber vor einer drohenden Abschiebung „freiwillig” in ihre Heimat zurückkehren. Tatsächlich hätten sie aber keine andere Wahl.[12]
2005 Entlassungsproduktivität Gewinne aus Produktionsleistungen eines Unternehmens, nachdem zuvor zahlreiche für „überflüssig” befundene Mitarbeiter entlassen wurden.
2004 Humankapital degradiert Menschen zu nur noch ökonomisch interessanten Größen
2003 Tätervolk grundsätzlich inakzeptabler Kollektivschuldvorwurf; als möglicher Vorwurf gegen Juden von Martin Hohmann gebraucht
2002 Ich-AG Reduzierung von Individuen auf sprachliches Börsenniveau.
2001 Gotteskrieger Selbst- und Fremdbezeichnung der Taliban und al-Qaida-Terroristen.
2000 national befreite Zone Zynisch heroisierende Umschreibung einer Region, die von Rechtsextremisten terrorisiert wird, damit sie ausländerfrei wird.
1999 Kollateralschaden Verharmlosung der Tötung Unschuldiger als Nebensächlichkeit; NATO-offizieller Terminus im Kosovo-Krieg.
1998 sozialverträgliches Frühableben In einer öffentlichen Erklärung zynisch wirkende Ironisierung; Karsten Vilmar.
1997 Wohlstandsmüll Umschreibung arbeitsunwilliger wie arbeitsunfähiger Menschen; Helmut Maucher, Nestlé.
1996 Rentnerschwemme falsches, angstauslösendes Naturbild für einen sozialpolitischen Sachverhalt
1995 Diätenanpassung Beschönigung der Diätenerhöhung im Bundestag
1994 Peanuts abschätziger Bankerjargonismus; Hilmar Kopper
1993 Überfremdung Scheinargument gegen Zuzug von Ausländern
1992 ethnische Säuberung Propagandaformel im ehemaligen Jugoslawien
1991 ausländerfrei fremdenfeindliche Parole in Hoyerswerda, siehe Ausschreitungen von Hoyerswerda

Weitere Kandidaten

Neben den Unwörtern des Jahres veröffentlicht die Jury auch weitere Kandidaten für dieses Unwort oder zweit- und drittplatzierte Unwörter.

Jahr Kandidaten zum Unwort des Jahres[6] Begründung der Jury
2010 Integrationsverweigerer Das vom ehemaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Umlauf gebrachte Wort unterstelle, viele Migranten verweigerten ihre Integration. In den Debatten um das Thema werde meist ausgeblendet, dass für eine solche Behauptung eine sichere Datenbasis fehle und der Staat für die Integration noch zu wenig tue.
2010 Geschwätz des Augenblicks Angelo Sodano, der Dekan des Kardinalskollegiums, hatte diese Formulierung in der Ostermesse des Papstes benutzt. Damit sei versucht worden, die massiven Vorwürfe sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche beiseitezuschieben.
2009 Flüchtlingsbekämpfung Bundeskanzlerin Angela Merkel benutzte auf einem Bürgerforum den Ausdruck um damit die Abwehr von Flüchtlingen an den Grenzen Europas zu bezeichnen. Die Jury sagte dazu: „Es ist zu hoffen, dass damit nicht tatsächlich militärische Aktionen gemeint sind. In jedem Fall ist die Gleichsetzung einer Menschengruppe mit einem negativen und deshalb zu bekämpfenden Sachverhalt ein dramatischer sprachlicher Fehlgriff.“
2009 Intelligente Wirksysteme Der Begriff sei laut der Jury verharmlosend, da damit „ausschließlich [eine] technologisch hochentwickelte Munitionsart“ gemeint ist.
2008 Rentnerdemokratie Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog malte damit ein Schreckenszenario, in dem „die Alten die Jungen ausplündern“ würden.
2008 Karlsruhe-Touristen Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt bezeichnete im Zusammenhang der Diskussion der BKA-Gesetzesnovelle damit Bürger, die aufgrund von Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Dies wurde als ein bedenkliches Verständnis der Grundrechte gesehen.
2007 klimaneutral Kritisiert wird der Versuch, mit diesem Begriff für eine Ausweitung des Flugverkehrs oder eine Steigerung anderer CO2-haltiger Techniken zu werben, ohne dass dabei deutlich wird, wie diese Klimabelastungen „neutralisiert” werden sollen.
2007 entarten Umschreibung für Entwicklung von moderner Kunst und Kultur ohne religiöse Bindung, begriffliche Nähe zum Begriff Entartete Kunst im Nationalsozialismus; Kardinal Joachim Meisner
2006 Konsumopfer Umschreibung von Models, die durch Abmagern einem Schönheitsideal der Konsumgesellschaft gerecht werden müssen.
2006 Neiddebatte Diffamierung der öffentlichen Diskussion um übertriebene Managergehälter
2005 Ehrenmord inakzeptable Berufung auf eine archaische „Familienehre” zur Rechtfertigung der Ermordung eines meist weiblichen Familienmitglieds
2005 Bombenholocaust umstrittene, meist von Rechtsextremen genutzte Umschreibung der Luftangriffe auf Dresden, die Bezug auf den Holocaust nimmt
2005 Langlebigkeitsrisiko unsensibler Fachterminus für das Versicherungsrisiko, das dadurch entsteht, dass Versicherte länger leben als kalkuliert, vgl. auch „Todesfallbonus”
2004 Begrüßungszentren sprachliche Verniedlichung von Auffanglagern für afrikanische Flüchtlinge; diese Wortbildung ist kongenial zu dem schon offiziellen Namen "Ausreisezentrum" für Abschiebehaftanstalten
2004 Luftverschmutzungsrechte nicht nur ökologisches Unding, das Wort trägt vielmehr auch dazu bei, „Treibhausgasemissionen” für unbedenklich zu halten, weil ihr Handel rechtlich geregelt wird
2003 Angebotsoptimierung Beschönigung von Dienstleistungsminderungen, etwa Stilllegung von Bahnstrecken; ähnlich „Briefkastenoptimierung”
2003 Abweichler Diskriminierung von Bundestagsabgeordneten, die Gewissensentscheidung über Fraktions- bzw. Koalitionszwang stellten
2002 Ausreisezentrum Behördenterminus für Sammellager, aus denen abgewiesene Asylbewerber abgeschoben werden
2002 Zellhaufen sprachliche Verdinglichung von Biotechnikern für einen menschlichen Embryo
2001 Kreuzzug pseudoreligiöse Verbrämung kriegerischer Vergeltungsmaßnahmen; US-Präsident George W. Bush
2001 Topterrorist verharmlosende und positivierende Benennung von Osama bin Laden
2001 therapeutisches Klonen zweifelhafte Wortzusammenstellung, um Manipulationen am menschlichen Erbgut gegen Krankheiten bzw. für Therapien in nicht absehbarer Zeit zu rechtfertigen
2001 Gewinnwarnung von Aktionären verwendeter sachlich falscher Begriff, der vor geringeren Gewinnen als erwartet warnt
2000 überkapazitäre Mitarbeiter Reduzierung von zu entlassenden Arbeitnehmern auf rein betriebswirtschaftliche Größen
2000 Separatorenfleisch seriös klingende, bei BSE-Verdacht besonders unangemessene Bezeichnung von Schlachtabfällen
2000 „Dreck weg!” CDU-Parole in Darmstadt, die sich auch gegen „missliebige” Menschen richtete
2000 Belegschaftsaltlasten Abfallmetapher für Mitarbeiter, die ein Betrieb gern wieder loswerden möchte
2000 Humankapital als Bezeichnung von Kindern
2000 Moralkeule Fatale Koppelung von „Moral” und einem Totschlaginstrument; Martin Walser
2000 Nachinformation Euphemismus der Hessen- CDU bezüglich des verspäteten Einräumens von weiteren Details in der CDU-Spendenaffäre, die zuvor vehement bestritten worden waren
1997 Organspende Pervertierung der Begriffe „Spende/spenden” in der Transplantationsmedizin
1997 Blockadepolitik/-politiker diffamierende Unterstellung einer argumentationslosen Verweigerungshaltung
1997 neue Beelterung bürokratische Umschreibung neuer Erziehungsberechtigter, die an die Stelle der leiblichen Eltern treten sollen
1996 Flexibilisierung Bezeichnung für eine betriebswirtschaftliche Strategie, die den Wert aktiver individueller »Flexibilität« leugnet, diesen Begriff aber schönfärberisch ausbeutet
1996 Outsourcing Imponierwort, das der Auslagerung von Arbeitsplätzen einen seriösen Anstrich zu geben versucht
1996 Umbau des Sozialstaats missbräuchliche Verwendung einer [Auf-]Baumetapher.
1996 Gesundheitsreform missbräuchliche Verwendung des positiv besetzten Begriffs „Reform”
1996 Sozialhygiene höchst problematische Anwendung von Hygienevorstellungen auf soziale Sachverhalte; vgl. „Rassenhygiene”, „ethnische Säuberungen”
1995 Altenplage Beleidigung der älteren Generation
1995 biologischer Abbau Zynismus für Ausscheiden aus dem Arbeitsleben
1995 sozialverträglicher Stellen-/Arbeitsplatzabbau schönfärberische Umschreibung für Entlassungen
1995 abfackeln (von Sachen und Menschen) jugendsprachliche zynische Gleichsetzung
1994 Besserverdienende Pseudodefinition für neue staatliche Einnahmequellen
1994 Dunkeldeutschland Ironismus für östliche Bundesländer*
1994 Buschzulage Gehaltszulage für sog. Aufbauhelfer in den östlichen Bundesländern*
1994 Freisetzungen für Entlassungen*
1993 kollektiver Freizeitpark Unterstellung einer sozialpolitischen Wunschvorstellung; Helmut Kohl
1993 Sozialleichen Verstorbene, die aus völliger Verelendung stammen; Objekte für Auto-Crashtests
1993 schlanke Produktion/Lean Production (mit weiteren Varianten) Unternehmensstrategie mit Arbeitsplatzvernichtung
1993 Selektionsrest Für schwerstbehinderte Kinder, die nicht in „Normalklassen” integriert werden können
1992 weiche Ziele militärsprachliche Umschreibung für ungepanzerte Ziele, oft aber auch für Menschen (fehl-)verwendet
1992 auf-/abklatschen tätliche und tödliche Angriffe auf Ausländer
1992 aufenthaltsbeendende Maßnahmen Abschiebungen im sog. Asylkompromiss; GG Art. 16a
1992 Beileidstourismus für Trauerkundgebungen anlässlich der Morde von Mölln
1991 durchrasste Gesellschaft Mischung der Deutschen mit Ausländern; aus einem Interview mit Edmund Stoiber, allerdings von diesem nur zitiert
1991 intelligente Waffensysteme aus der Golfkriegsberichterstattung
1991 Personalentsorgung für Entlassungen
1991 Warteschleife Phase sozialer Unsicherheit von Arbeitskräften in den östlichen Bundesländern

(*) ausdrücklich mit Blick auf besondere Aktualität in den östlichen Bundesländern als Belege »sprachlicher Demütigung« gewählt

Unwort des Jahres (Österreich)

Seit 1999 werden auf Initiative von Rudolf Muhr von der Universität Graz im Zuge des Projekts Österreichisches Deutsch auch in Österreich Unwörter des Jahres ermittelt.[13]

Jahr Unwort des Jahres Begründung der Jury
2010 humane Abschiebung Der Umstand, dass eine Abschiebung von Menschen ins Ausland einen Akt staatlicher Gewaltausübung darstellt und damit nicht 'human' ist, insbesondere, wenn sie Kinder betrifft, macht diesen Begriff widersprüchlich und damit sowohl aus sprachlicher wie auch aus sachlicher Sicht zum Unwort. Er verschleiert die zuletzt häufig erfolgte Abschiebung von gut integrierten Zuwandern, denen die Fremdengesetze entgegenstehen und geht auf die derzeitige Innenministerin zurück, die im Oktober 2010 angekündigt hat, dass sie veranlasst habe, Abschiebungen 'humaner' gestalten zu wollen[14]
2009 Analogkäse Hierbei handelt es sich aus sprachlicher, wie auch aus sachlicher Sicht um ein Unwort, da es für einen Etikettenschwindel steht. Das damit bezeichnete Produkt hat mit Käse nichts zu tun [...]. Sprachlich wird jedoch aufgrund der deutschen Wortbildungsregeln der Eindruck erweckt, dass es sich doch um „Käse“ handelt.
2008 Gewinnwarnung Das Wort verschleiert den wahren Sachverhalt, da es nicht eine Warnung vor Gewinnen meint, sondern das Vermelden verminderter Gewinne oder von Verlusten. Es steht somit für die undurchsichtigen Vorgänge der Finanz- und Bankenwelt.
2007 Komasaufen „Komasaufen” ist Ausdruck der Skandalisierung einer negativen gesellschaftlichen und sozialen Entwicklung und trägt zur Stigmatisierung der Opfer bei.[13]
2006 Ätschpeck Beim Wort selbst handelt es sich um eine sprachliche Neubildung, die neben dem verspottenden „ätsch” auch das unklare Element „peck” enthält. Dieses erweckt Assoziationen zu so unterschiedlichen Begriffen wie „Speck”, „pecken”, „Packet” und „Package”, was zusätzliche Irritationen erzeugt. Der Begriff steht für die zunehmende Aggressivität in der Werbung und in der Gesellschaft.
2005 Negativzuwanderung Es ist ein Unwort, da es in mehrfacher Weise den gemeinten Inhalt verhüllt.

Es drückt einerseits einen deutlichen Widerspruch in sich aus, da Zuwanderung eine Vermehrung der Bevölkerung bedeutet, die hier aber mit dem verneinenden Wortelement in ihr Gegenteil verkehrt wird. Das Wort Negativzuwanderung kann auf diese Weise verhüllend zum Ausdruck des Wunsches nach Abwanderung unerwünschter Personen in deren Heimatländer verwendet werden. Es ist darüber hinaus noch in anderer Hinsicht mehrdeutig, da damit auch gemeint sein kann, dass es eine negativ zu bewertende Form von Zuwanderung gibt. Das Wort steht in einer langen Reihe von Neubildungen technisch-bürokratischer Herkunft, die alle mit dem Element “negativ” gebildet werden (Negativkapital, Negativwachstum usw.).

2004 Bubendummheiten Im Priesterseminar der Diözese St. Pölten wurden im Herbst 2003 von einem Priesteramtsanwärter kinderpornografische Fotos aus dem Internet geladen. In der Folge kursierten Gerüchte über homosexuelle Beziehungen im Priesterseminar, die später auch bestätigt wurden. Kurt Krenn, der Bischof der Diözese St. Pölten, bezeichnete die Vorgänge im Priesterseminar öffentlich als „Bubendummheiten“. Im weiteren Verlauf untersuchte ein Apostolischer Visitator die Vorgänge im Priesterseminar und Bischof Krenn trat am 29. September 2004 von seinem Amt zurück.
2003 Besitzstandswahrer
2002 der Rücktritt vom Rücktritt gemeint ist Jörg Haider
2001 nichtaufenthaltsverfestigt
2000 soziale Treffsicherheit
1999 Schübling als Bezeichnung einer Person in Abschiebehaft

Unwort des Jahres (Schweiz)

Auch in der Schweiz wird seit 2003 durch eine private Jury ein Unwort des Jahres bestimmt[15].

Jahr Unwort des Jahres Begründung der Jury
2009 Ventilklausel Die «Ventilklausel» umschreibt nüchtern-technologisch die Regulierung der Ein- und Rückwanderung von Personen aus dem EU-Raum in die Schweiz.[16]
2008 Europhorie «Europhorie» bezeichnet die angeblich in der Schweiz festzustellende Vorfreude auf die Fussball-Europameisterschaft 2008. Der laut Jury «sprachliche Missgriff» sei «Werbesprech in Reinkultur» und habe es trotz großer medialer Verbreitung nicht in die Umgangssprache geschafft. Die Schweiz lasse sich nicht «zwangseuphorisieren».[17]
2007 Klimakompensation «Klimakompensation» bezeichnet das fragwürdige Handeln zur vermeintlichen Begrenzung klimaschädigenden Verhaltens. Wer beispielsweise eine Flugreise bucht, kann mit dem Entrichten eines zusätzlichen Geldbetrages ein umweltfreundliches Projekt unterstützen. Die «Klimakompensation» präsentiert sich als Win-win-Situation und suggeriert einen Lösungsansatz, der in Wahrheit eine Mogelpackung ist. Der Konsument muss sein Verhalten nicht ändern und hat sein Gewissen erleichtert, die Wirtschaft erfährt zumindest keine Einbußen und die Politik erweckt nicht den Eindruck der Untätigkeit.
2006 erweiterter Selbstmord «Erweiterter Selbstmord» ist laut Jury ein klarer sprachlicher Missgriff. Es verschleiere und verharmlose den Begriff des Mordes und sei ein Widerspruch in sich, da ein Selbstmord per Definition nur eine Person treffen könne.
2005 erlebnisorientierter Fan «Erlebnisorientierte Fans» seien laut einem Sprecher der Zürcher Polizei gewaltbereit oder gewalttätig, sie seien Chaoten, suchten die Konfrontation mit der Polizei, seien aber keine Hooligans, denn die gingen gegenseitig aufeinander los.
2004 Ökoterror Formulierung des Zürcher Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber zum Rekurs des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) gegen das Einkaufszentrum im neuen Zürcher Stadion.
2003 Scheininvalide Formulierung des Schweizer Bundesrats Christoph Blocher, die eine pauschale Diffamierung von allen Menschen mit einer Behinderung darstelle.

Börsenunwort des Jahres

Seit 2001 ermittelt die Börse Düsseldorf das Börsenunwort des Jahres:[18]

Jahr Börsenunwort des Jahres[18] Begründung der Jury
2010 Euro-Rettungsschirm Richtiger wäre gewesen, von einer Notkreditlinie auf Zeit für bis über die Ohren verschuldete Staaten zu sprechen.
2009 Bad Bank Es sei für das Publikum schwer nachvollziehbar, dass eine offenbar schlechte Bank eine weitere Bad Bank gründet und dies eine gute Lösung für Probleme der Finanzkrise sein soll.
2008 Leerverkauf Ist irreführend, weil er befürchten lasse, dass Leerverkäufe ohne jeden „Inhalt“ vonstatten gehen könnten. Jeder Verkäufer aber müsse das Wertpapier, ggf. ein ausgeliehenes, im Depot haben, weil er am Kassamarkt binnen zweier Tage seiner Lieferverpflichtung gegenüber dem Käufer nachkommen müsse.
2007 Subprime Subprime heißt übersetzt „unterhalb der Spitze” und ist somit ein Euphemismus für risikobeladene Anlegerprodukte. Im Sommer 2007 kam es in Verbindung zum Immobilienmarkt zur Subprime-Krise.
2006 Börsenguru „Erstens ist der Begriff an sich irreführend, da es an der Börse prinzipiell keine Gurus geben kann. Im ursprünglichen Wortsinn, begründet in der hinduistischen Lehre, wirken Gurus als allwissende Propheten, die zu mehr Erleuchtung führen sollen – das widerspricht dem Wesen der Börse.”
2005 Heuschrecken Der Satz von SPD-Chef Franz Müntefering von „anonymen Finanzinvestoren, die wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen herfallen, sie abgrasen und weiterziehen” prägt ein völlig falsches Bild dieser Investorengruppe.
2004 Seitwärtsbewegung Das Wort sei völlig unsinnig. Denn eine „Seitwärtsbewegung” an der Börse „findet immer dann statt, wenn sich gerade nichts bewegt”, gemeint ist also de facto Stagnation. Geprägt worden sei der Begriff von Charttechnikern, vermutlich um dem Stillstand noch etwas Dynamik abzugewinnen.
2003 Bester Preis
2002 Enronitis „Enronitis” setzt Verfehlungen einiger weniger an der Börse mit einem seuchenartigen Krankheitsverlauf wie einer Epidemie gleich – eine glatte Fehlbesetzung. Entstanden ist der Begriff aus dem Bilanzfälschungsskandal des amerikanischen Energiehändlers Enron, der im Februar 2002 die Börsen überraschte. Als im Zuge verschärfter Kontrollen weitere Fälle bekannt wurden, kursierte bald darauf das Wort „Enronitis” als Synonym für den Vertrauensverlust der Anleger.
2001 Gewinnwarnung

Literatur

  • Wörter und Unwörter. Sinniges und Unsinniges der deutschen Gegenwartssprache. Herausgegeben von der Gesellschaft für deutsche Sprache. Falken-Verlag, Niedernhausen 1993. ISBN 3-8068-1401-5

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Unwort – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Eintrag „Unwort” bei Duden, Die Deutsche Rechtschreibung, 1996
  2. a b »Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres« Allgemeines
  3. Mitglieder der Jury seit 1991, abgerufen 3. Januar 2011, 13.30 Uhr
  4. Pressemeldung: Unwort des Jahres 2010 gesucht, abgerufen 3. Januar 2011, 13.30 Uhr
  5. Satzung der Jury „Wort des Jahres”
  6. a b Die bisher gekürten Unwörter. Abgerufen am 26. September 2009.
  7. Tagesschau, „Alternativlos“ ist das Unwort des Jahres, 18. Januar 2011
  8. Süddeutsche Zeitung, Tiefpunkt in einem Baumarkt, 19. Januar 2010
  9. Financial Times Deutschland
  10. Monitor-Beitrag vom 14. Mai 2009, in dem der Begriff erstmalig genannt wurde
  11. Tagesschau.de, "Notleidende Banken" ist "Unwort des Jahres" (nicht mehr online verfügbar), 20. Januar 2009
  12. stern.de, Unwort des Jahres, 19. Januar 2007
  13. a b http://www-oedt.kfunigraz.ac.at/oewort
  14. Der Standard: Wort & Spruch des Jahres - Unspruch 2010: "Es gilt die Unschuldsvermutung", 9. Dezember 2010
  15. Zitiert nach http://www.umwortung.de
  16. Zitiert nach http://www.chwort.ch/Downloads/WdJ_CH_2009.pdf
  17. Zitiert nacht http://www.chwort.ch/Downloads/WdJ_CH_2008.pdf
  18. a b Börsen-Unwort 2008: „Leerverkauf“. Boerse Düsseldorf, 20. Januar 2009, abgerufen am 7. Dezember 2009 (Bisherige Börsen-Unwörter im letzten Absatz).

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