Unspunnenschwingfest

Unspunnenschwingfest

Das Unspunnenfest ist ein Schweizer Alphirtenfest, das erstmals am Ende der Helvetik, im Jahr 1805 bei der Burg Unspunnen bei Interlaken durchgeführt wurde.

Das Unspunnenfest von 1805

Inhaltsverzeichnis

Die Ruine Unspunnen

Das erste Unspunnenfest fand vor dem Alpenparonama von Eiger, Mönch und Jungfrau am Berchtoldstag, dem 17. August 1805, unweit der Ruine Unspunnen statt. Diese Ruine liegt etwas erhöht über den heutigen Dörfern Matten, Wilderswil, Bönigen, Interlaken und dem Städtchen Unterseen auf dem "Bödeli", wie die Schwemmebene zwischen Thuner- und Brienzersee genannt wird.

Das erste Unspunnenfest von 1805

Initianten

Angeregt wurde das Unspunnenfest von vier aristokratischen Bernburgern, Angehörigen also des Berner Patriziates, der führenden Familien in Stadt und Land von Bern: Vorab das Berner Regierungsmitglied, der Schultheiss Niklaus Friedrich von Mülinen (1760-1833), der 1798 im Kampf gegen die anrückenden napoleonischen Truppen Berner Oberländer Soldaten befehligte; dann Friedrich Ludwig Thormann (1762-1839), der zwischen 1803 und 1810 als Oberamtmann Berns Vertreter in Interlaken war; weiter Franz Sigmund Wagner (1759-1835), ein Mitbegründer der Kunstgesellschaft Bern, der in der Gründungsunterlagen des Unspunnenfestes als "Kunstliebhaber" bezeichnet wird; schliesslich Franz Niklaus König (1765-1832), ein überregional bekannter Maler, Radierer und Lithograph.

Ankündigung

Das Unspunnenfest von 1805 wurde unter anderem im Pariser Moniteur Universel und in den Gemeinnützigen Schweizerischen Nachrichten angekündigt, wo Mitinitiant Wagner die Festidee folgendermassen umschrieb: Nach den langen Jahren des Diktats und der Demütigung durch die Franzosen sollte dem Schweizervolk wieder einmal Gelegenheit zu echter Festfreude geboten werden, sollten schweizerische Kampfspiele und Lieder das Selbstgefühl und das Nationalbewusstsein stärken.

Politische Grosswetterlage

Das Pathos kam nicht von ungefähr: 1805, als in Austerlitz die Drei-Kaiser-Schlacht wütete, wo auf allen Seiten auch schweizerische und bernische Soldaten ihr Leben liessen, schwand im Berner Oberland, in Bern und in der ganzen Schweiz der Einfluss Napoleons. Die Helvetik (1798-1803), die unter anderem das Berner Oberland als eigenen Kanton Oberland installiert hatte, stand zur Disposition. Das Unspunnenfest hatte darin seine gesellschaftspolitische Funktion, die nicht nur Wagner beschrieb.

Mit einem ländlichen Fest sollte "aus jener Liebe zu den alten Volksbräuchen auch die neu spriessende Blume ihrer konservativen Aristokratie getränkt werden", urteilten ebenso pathetisch die Berner Oberländer Anhänger der Helvetik, die sogenannten Patrioten. Die Berner Regierung verfolgte intensiv die politischen Umtriebe dieser Patrioten, die sich auf den Standpunkt stellten, die Stadtberner wollten "im Grunde nichts anderes als die Wiederherstellung der alten Herrschaftsverhältnisse".

Vermittlung zwischen Stadt und Land

Die Kräfte der Helvetik und ihre Mediationsverfassung hatten die Stadt Bern und das Land politisch gleichgestellt und unter anderem Rechtsgleichheit, Handels-, Gewerbe-, Gewissens-, Religions- und Pressefreiheit gebracht.

Diese revolutionären Errungenschaften blieben nicht gänzlich erhalten: Das so genannte Ancien Régime, vertreten durch die Bernburger, suchte seine Position zu stärken; die Patrioten, häufig vertreten durch Lehrer, versuchte dagegenzuhalten.

Das Unspunnenfest sollte in der Lesart der Veranstalter vermittelnde Funktion haben; der Mundartschriftsteller Rudolf von Tavel, auch er ein Berner Patrizier, hat in seinem Werk Unspunnen davon ein lebendiges Zeugnis abgelegt: Hier eine gebildete Obrigkeit, die ihre selbstverständliche politische und wirtschaftliche Führungsrolle zum Wohle des ganzen Bernerlandes ausübt, dort eine arbeitsame Bevölkerung, die von der Küche über den Acker bis aufs Schlachtfeld geschickt und folgsam ihre Rolle ebenfalls zum Wohle des ganzen Bernerlandes ausfüllt.

Das Unspunnenfest von 1805 lehnte sich an die traditionellen Alphirtenfeste an, wo die Viehbesitzer im Rahmen eines mittsommerlichen Festes jeweils den Stand der Dinge auf den Alpen überprüfen. Beim Unspunnenfest wurden die Rollen jedoch verschoben: Der wieder installierten Obrigkeit und ihren meist adeligen Freunden, die aus ganz Europa zum Fest strömten und damit nebenhin den Tourismus begründeten, stand eine ländliche Bevölkerung gegenüber, die in der Naturarena ihr handwerkliches und künstlerisches Können zeigte.

Logistik

Im Vorfeld des Festes mussten 600 eigens angereiste Gäste mangels Gasthöfen privat untergebracht werden – 1805 gab mit dem Stadthaus, dem Klosterareal und dem Hirschen erst drei Beherberger; 2005 bot die Region Interlaken rund 4500 Gästebetten in etwa 60 Hotels sowie gut 90 Restaurants mit über 6500 Plätzen.

Obschon Bern Unruhen fürchtete und entsprechende Vorsichtsmassnahmen traf, verlief das eintägige Fest, das in Wettstreit und Prämierung den Olympischen Spielen ähnelte, zufriedenstellend. Es sollte fortan alljährlich stattfinden; als ländliches Schweizerfest, gestiftet von "einer Gesellschaft Berner, Freunde alter vaterländischer Sitten und Gebräuche", wie der Mitinitiant Franz Sigmund Wagner festhielt.

Das zweite Unspunnenfest von 1808

Dazu kam es nicht; erst 1808 wurde im Gedenken an den legendären Rütlischwur von 1308 ein zweites Unspunnenfest aufgelegt. Im Zuge der Medienberichte über das erste Fest und einer wiederum guten Werbung kamen diesmal rund 5000 Besuchende, was einen erneuten touristischen Schub auslöste.

Eine lange Pause (1808-1905)

Dass es nicht zur jährlichen Austragung kam, lag nicht zuletzt am weiterhin schlechten Verhältnis zwischen Stadt und Land: "Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse blieben im Oberland gespannt. Polizeiwesen und Armennot spotteten nach wie vor der holden Einigkeit zwischen Regierung und Volk", schreiben Rudolf Gallati und Christoph Wyss im Standardwerk "Unspunnen", 1993 erschienen beim Verlag Schlaefli in Interlaken.

Die Unruhe eskalierte 1814, als es im Berner Oberland zu offener Aufruhr gegen Bern kam. An Unspunnenfeste wurde vorderhand nicht mehr gedacht: Beide Feste hatten zwar den Tourismus nachhaltig entfacht, aber ihre gesellschaftspolitischen Zwecke völlig verfehlt.

Neuanfang im Zeichen des Tourismus (1905)

Als man 1905 an die Organisation der dritten Auflage ging, war die Absicht denn auch einerseits touristisch, feierte man doch ausdrücklich 100 Jahre Tourismus und setzte den Festtermin zwecks Belebung der Saison auf den 24. bis 27. Juni fest. Andererseits hatten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ein neuer, quasi im Gegensatz zum ständischen Nationalismus der Patrizier ein bürgerlicher Nationalismus etabliert: Eidgenössischer Schützenverein, Eidgenössischer Turnverein, Eidgenössischer Sängerverein und Eidgenössischer Schwingerverein waren 1905 zuvorderst mit von der Partie, als das Unspunnenfest unter der Affiche "VI. Eidg. Schwing- und Älplerfest" erfolgreich über die Bühne ging.

Weitere Feste

Im 20. Jh. wurde das Fest dann noch fünf weitere Male durchgeführt, 1946, 1955, 1968, 1981, 1993 und zuletzt 1999. Im Jahre 2005 sollte eigentlich anlässlich des 200. Jubiläums ein weiteres Unspunnenfest stattfinden. Wegen der grossen Unwetterschäden in der Region wurde das Fest aber um ein Jahr verschoben und fand vom 1. bis 3. September 2006 statt. Das nächste Fest wird im Jahre 2011 ausgetragen.

Tanz beim Unspunnenfest 2006
Schwingen, Unspunnenfest 2006

Literatur

  • Rudolf Gallati und Christoph Wyss: Unspunnen 1805 - 2005. Die Geschichte der Alphirtenfeste. Neuauflage 2005, ISBN 3-9521339-1-4 (zu beziehen im Touristik-Museum der Jungfrau-Region[1], 3800 Unterseen)

Weblinks

Siehe auch


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