Basarwa

Basarwa
San-Frau in Botsuana
San-Mann

Die San (auch: Buschmänner, Buschmenschen, Buschleute, Basarwa) waren die ersten Bewohner des südlichen Afrikas und stehen möglicherweise sogar an der Wurzel des menschlichen Stammbaums insgesamt, wie genetische Untersuchungen zeigen.[1] Der Begriff San geht auf die Bezeichnung der Nama in der Kapregion Südafrikas zurück. San und Khoi Khoi werden oft als Khoisan zusammengefasst.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1000–2000 Jahre alte Felszeichnungen der San bei Murewa (Zimbabwe)
1000–2000 Jahre alte Felszeichnung der San in den Drakensbergen. Sie zeigt eine Elenantilope

Angaben über die erste Besiedlung des südlichen Afrikas durch die San gehen weit auseinander: sie reichen von etwa 10.000 Jahre bis 25.000 Jahre zurück. Die San pflegten einen nomadischen Jäger-und-Sammler-Lebensstil. Im Laufe der Zeit wurden sie von Khoi Khoi-Gruppen, vor allem aber ab dem 15. Jahrhundert von Bantu-sprechenden Gruppen immer weiter in unwirtliche Gegenden abgedrängt.

1652 (Gründung Kapstadts) bis 1830 führten die niederländischen Gouverneure regelmäßig Vernichtungszüge gegen die ca. 200.000 San der Kap-Region durch. Die Überlebenden flohen in die Kalahari oder wurden auf den Farmen der Europäer versklavt. 1904, im Anschluss an den Krieg gegen die Herero, ging die deutsche Schutztruppe auf dem Gebiet der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (dem heutigen Namibia) ähnlich gegen die San vor. Allein in Botswana fand keine systematische Verfolgung der San durch Europäer statt.

Mit einer ausgewachsenen Körpergröße von 1,40 m bis 1,60 m wurden die San manchmal als Pygmäen bezeichnet, stehen jedoch mit diesen in keiner Relation.

Bis zur Unabhängigkeit Namibias im Jahre 1990 setzte die südafrikanische Armee etwa 3.000 San als Fährtensucher gegen die Unabhängigkeitsbewegung SWAPO ein. Ähnlich gingen die portugiesischen Kolonialherren in Angola vor, was nach der Unabhängigkeit Angolas zur weitgehenden Vertreibung der San führte.

Die San heute

Gab es vor 2.000 Jahren noch etwa 300.000 bis 400.000 San, so sind es heute im gesamten südlichen Afrika noch etwa 100.000. In Botswana (49.000), Namibia (38.000), Südafrika (4.500), Angola (6.000), Sambia (1.600) und Simbabwe (1.200) stellen sie nur noch eine Minderheit dar. Ein Großteil ist auf Farmen als Arbeiter angestellt. Nur wenige leben heute noch auf traditionelle Art und Weise. Avgeropoulos nennt wesentlich niedrigere Zahlen.[2]

Roy Sesana, der in seiner Sprache eigentlich Tobee Tcori heißt, wurde 2005 der Alternative Nobelpreis für seinen Einsatz zum Erhalt der traditionellen Lebensweise der San verliehen. Ein wichtiges Rückzugsgebiet für traditionell lebende San ist die Kalahari, deren Überleben durch Zwangsmaßnahmen bedroht ist.

Traditionelle Kultur der San

San vor einer Zweighütte in Namibia

Gesellschaftsordnung

Die San zählen zu den egalitären Gesellschaften, die sich ohne ein übergeordnetes politisches Führungssystem organisieren. Auch eine formale Rechtsprechung wird nicht ausgeübt. Verstöße gegen die moralischen Grundsätze der San werden schlimmstenfalls mit einem Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet, was in der Wertigkeit der San einem Todesurteil gleichkommt.

Nomadisierende Kleingruppen von oft 40 bis zu höchstens 200 Menschen setzen sich – neben verwandtschaftlichen Beziehungen – nach persönlichen Vorlieben flexibel zusammen. Über Gruppenbelange (wie Jagd, Ortswechsel usw.) wird gemeinsam entschieden. Einfluss auf Entscheidungen haben hierbei individuelle Erfahrungen, Kenntnisse und Überzeugungskraft.

Spezialisierte Berufe sind nicht bekannt. Allerdings findet eine Arbeitsteilung nach Geschlechtern statt. Die Jagd auf größeres Wild wird ausschließlich von Männern durchgeführt.

Ein besonderes Relikt: die ursprüngliche Jagdform des Menschen, die Ausdauerjagd

Die älteste Form der menschlichen Jagd war die noch waffenlose Ausdauerjagd. Diese beruht auf der gegenüber fast allen Säugetieren überlegenen Ausdauer des Menschen beim Laufen. Schnelle Jäger wie Geparden, die kurze Zeit auf Geschwindigkeiten von über 100 km/h kommen können, können diese Geschwindigkeit aber nur wenige Minuten durchhalten, weil sie sonst an Hitzeschlag sterben würden. Sie müssen das Jagdwild in einem Anlauf erreichen, sonst ist es entkommen. Auch Löwen oder Wildhunde halten hohe Geschwindigkeiten nur kurze Zeit durch und müssen sich mit Anschleichen oder Wegabschneiden und Einkreisen also Zusammenwirken im Rudel behelfen. Der durch die langen, relativ starken Beine und den aufrechten Gang für schnelles Laufen gut gebaute Mensch kann dagegen mittels seiner etwa 2 Millionen Schweißdrüsen seinen Körper effektiv kühlen und kann daher einen Lauf stundenlang durchhalten. Die San erlegen noch heute schnelle Huftiere wie Zebras oder Steinböckchen ganz ohne Fernwaffeneinsatz, indem sie so lange hinter diesen herlaufen, bis diese entkräftet zusammenbrechen.[3] Um ein Erwachsener zu werden, muss ein Junge ein größeres Tier zu Tode hetzen. Dies geschieht mit ca. 15 Jahren.

Bis zu 40 Stunden dauert die Verfolgung einer großen Kudu-Antilope bis zu deren Erschöpfung. Bezeichnet wird so eine Ausdauerjagd als „Der Große Tanz“. Ihrem Empfinden nach werden die Jäger eins mit dem Kudu, versetzen sich in das Kudu, ahnen seine Wege voraus und erlegen es zuletzt aus kurzer Distanz mit dem Speer. [4]Die getrockneten Fleischstreifen der Beute werden dann für viele Wochen eine wertvolle Proteingabe.

Auch Aborigines in Australien jagen auf diese traditionelle Weise Kängurus.

Jagd

Die San jagen auch mit Wurfspeeren sowie Pfeil und Bogen, wobei die Pfeile, mit denen sie z.B. Antilopen jagen, vergiftet sind mit der braunen Flüssigkeit aus dem Körper gesammelter Diamphidia-Larven.

Die San zählen 55 Arten von Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Insekten zu den jagdbaren Tieren. Im Laufe eines Jahres legen sie bei ihren Jagdzügen bis zu 4000 km zurück. Die Beute reicht von Termiten bis zu Giraffen. Während der Jagd kauen sie oft auf Stücken der Hoodia, dies unterdrückt das Hunger- und Durstgefühl. Gegessen wird während der Jagd wenig. Allerdings greifen die San-Jäger gelegentlich auf vorher im Jagdgebiet vergrabene und mit Wasser gefüllte Straußeneier zurück. Das Wasser wird auch durch Abschöpfen des morgendlichen Taus gewonnen.

Eingesetzt werden auch Fallgruben, Fangkrale, Schwerkraftfallen und Schlingen.

Sammeln

Frauen fangen gelegentlich ein Kleintier (zum Beispiel Hasen). Sie tragen durch das Sammeln von Nüssen, Wurzeln und Beeren den größten Teil zur Ernährung bei. Im Nordosten Namibias im Gebiet des Dorfes Hoansi in der Kalahari-Wüste z.B. sammeln die San 85 essbare Pflanzenarten. Dazu gehört die Tsamma-Melone (Citrullus lanatus) ein nahrhaftes, kartoffelig schmeckendes Gewächs, dessen Früchte im Mai reif werden, Mangetti-Nüsse, Morama-Bohnen und Mongono-Früchte, deren harte Kerne einen ölhaltigen Kern haben.

In fruchtbareren Gebieten ist das Angebot reicher. Die Kung-Frauen von Dobe kennen über 200 Pflanzenarten, von denen 115 essbar sind. Die Ko, eine andere Gruppe, kennen 192 Pflanzen, die Gwi und Ganna dagegen nur 79 essbare Pflanzen.

Jagdbeute wird grundsätzlich gemeinschaftlich geteilt, bei Bedarf auch pflanzliche Lebensmittel. Handel findet nicht statt, die Verteilung von Gütern (Speere, Leder, Straußeneier als Wassergefäße usw.) erfolgt durch Geschenke innerhalb der Gruppe und außerhalb bei gegenseitigen Besuchen oder anderen Begegnungen.

Familienstruktur und Kinder

Patrilineare oder matrilineare Familienstrukturen sind nicht vorhanden.

Geburten finden außerhalb der Hüttenansiedlung statt. Erst mit der Rückkehr zu den Hütten wird ein Neugeborenes als Mensch in die Gemeinschaft aufgenommen. Die amerikanische Ethnologin Marjorie Shostak berichtete, dass Kindestötungen direkt nach der Geburt (außerhalb der Ansiedlung) zwar selten, aber - zum Beispiel wegen einer frühen Geburtenfolge - durchaus stattfinden.

Natürliche Geburtenabstände von vier Jahren (ohne gezielt eingesetzte Verhütungsmethoden) werden mit einer drei- bis vierjährigen Stillzeit und einer knappen Ernährung erklärt, die zusammen eine erneute Empfängnis der Frauen verzögern.

Mit der Ernährung und Lebensweise der San wird auch das vergleichsweise späte Einsetzen der Menstruation im Alter von durchschnittlich 16,5 Jahren erklärt. Ab diesem Zeitpunkt wird ein San-Mädchen traditionell als erwachsene und damit heiratsfähige Frau betrachtet.

Religion und Medizin

Die San haben eine animistische Religion. Sie befragen zum Beispiel ein Orakel aus Tonstücken vor einem Jagdzug und glauben an krankmachende Geister und Heilung durch Trancetänze. Geistheiler oder -heilerin (meist ältere Frauen) kann jedes Gruppenmitglied sein, das zusätzliche spirituelle Fähigkeiten aufweist. Da die San sehr gut die Wirkungen verschiedener Pflanzen in ihrer natürlichen Umgebung kennen, kommen auch pflanzliche Heilmittel zum Einsatz.

Ein den San zugeschriebenes Sprichwort lautet: „Du kommst und Du gehst. Aber wenn Du wiederkommst, wirst Du bleiben.“

Übergang in die Moderne

Viele San arbeiten im südlichen Afrika als Landarbeiter.

Alkoholismus wird als besonderes Problem genannt, das zum Verlust eigener Lebensweisen beiträgt. Die San-Körper sollen nicht zur Verarbeitung von Alkohol in der Lage sein.

In einem Ombili-­Schule-Projekt vermittelt eine Stiftung Schulisches Wissen an San-Kinder.[5] Von diesen wird aber parallel dazu über eine Entfremdung zur ursprünglichen Lebensweise berichtet. Sie kehren nach der Internatszeit als „Besitzer des Schattens“ in ihre Dörfer zurück. Damit wird gemeint, dass sie ohne Antrieb herumsitzen. Wegen Mangels an entsprechendem Lehrpersonal gibt es in der Schule keinen Muttersprachenunterricht. Ort des Projekts ist die Farm Hedwigslust in Namibia. Auch eine Rinderzucht ist dort im Aufbau. Diese Farm wurde von Deutschen Hilfsorganisationen (z. B. Lions Mosbach) aufgekauft und der Ombili-Stiftung gespendet. Damit stehen den rund 400 auf Ombili angesiedelten Buschleuten etwas 3.000 Hektar Land für die Farmerei zur Verfügung.[6]

Galerie

Die folgenden Fotos zeigen einen San bei der Herstellung des Pfeilgiftes unter Verwendung der Innereien von Diamphidia nigroornata und gerösteten Samen der Bobgunnia madagascariensis (=Swartzia m.) an der Grenze Namibias zu Botswana:

Siehe auch

Film

  • Yorgos Avgeropoulos (Regie): Das Volk der Buschmänner; Dokumentation in der Reihe WunderWelten; Griechenland 2005, ARTE F, Erstausstrahlung 27. Juli 2007
  • Jamie Uys drehte die Komödie Die Götter müssen verrückt sein über die Begegnung von San mit der modernen westlichen Zivilisation. Die Hauptfigur Xixo wurde von dem San N!xau dargestellt. Der Spielfilm stellt nebenbei eine ganze Reihe von Techniken der San und ihre außerordentliche Anpassung an die Umwelt dar und vermittelt auch einen Eindruck vom Klang und der Melodie ihrer Sprache mit ihren vielen Klicklauten.

Literatur

  • Richard Borshay Lee, Irven DeVore: Kalahari Hunter-Gatherers; London, Harvard University Press, 1976; ISBN 1-58348-125-7
  • Richard Borshay Lee: The !Kung San: Men, Women and Work in a Foraging Society; New York, 1979
  • Marjorie Shostak: Nisa erzählt. Das Leben einer Nomadenfrau in Afrika; Reinbek: Rowohlt, 2001; ISBN 3-499-26492-7 (Original: Nisa: The Life and Words of a !Kung Woman, 1981)
  • Jiro Tanaka: The San, Hunter-Gatherers of the Kalahari; Tokyo, University of Tokyo Press, 1980; ISBN 0-86008-276-8
  • Sherwood L. Washburn: Kalahari Hunter-Gatherers: Studies of the !Kung San and Their Neighbors; iUniverse, 1999; ISBN 1-58348-125-7
  • John E. Yellen: Die !Kung der Kalahari - Wandel archaischer Lebensformen; Spektrum der Wissenschaft 6/1990, S. 88
  • Giselher W. Hoffmann: Die Erstgeborenen; Zürich: Unionsverlag, 2002; ISBN 3-293-20229-2

Einzelnachweise

  1. Jun Li et al. in Science, Bd. 319, S. 1100, DOI:10.1126/science.1153717
  2. Avgeropoulos nennt als Gesamtzahl 55.000 und traditionell Lebende maximal 2.500.
  3. Interview mit Bernd Heinrich in Spiegel special, Nr. 4 /2006, S. 33
  4. http://www.tdh.de/content/themen/weitere/oekologie/projekte/san.htm
  5. Reinhard Friedrich: Ombili-Stiftung Jahresbericht des Vorsitzender: Reinhard Friedrich. Im März 1999 wurde Ombili zehn Jahre alt.
  6. Allgemeine Zeitung, 16. Juni 2003

Weblinks


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