Ulrich I. von Hanau

Ulrich I. von Hanau

Ulrich I. von Hanau (* 1255/60; † 1305/06) war Herr von Hanau und folgte seinem Vater Reinhard I. von Hanau 1281.

Inhaltsverzeichnis

Abstammung

Ulrich I. war der älteste Sohn Reinhards I. von Hanau, seine Mutter Adelheid war eine Schwester Ulrichs II. von Hagen-Münzenberg. Seinen bis dahin in der Familie derer von Hanau nicht gebräuchlichen Namen erhielt er von seinem Großvater mütterlicherseits.

Über das Geburtsjahr Ulrichs I. gibt es keine Angaben. Aus dem Jahr 1272 stammt seine älteste erhaltene urkundliche Erwähnung. Seit 1275 tritt Ulrich neben seinem Vater in Urkunden auf, 1276 erstmals selbständig, ab 1277 ist er regelmäßig an Urkunden beteiligt, die Hanau betreffen. Wegen der damals in der Regel mit 18 Jahren eintretenden Volljährigkeit, erschließt sich daraus ein Geburtsjahr im Bereich 1255/60.

Da die Familie Hagen-Münzenberg „nur“ eine Ministerialenfamilie war, scheint es Zweifel hinsichtlich der Ebenbürtigkeit Ulrichs I. gegeben zu haben. Jedenfalls lässt Ulrich I. sich und seiner Mutter durch den König den Adelsstand, den Stand der „Freien“, bestätigen.

Familie

Am 2. Oktober 1272 wird Ulrich I. mit Gräfin Elisabeth von Rieneck-Rothenfels (ca. * 1260; † um 1300), ebenfalls einer Erbtochter, verlobt. Beide sind wohl noch Kinder oder Jugendliche, denn die Hochzeit sollte innerhalb von sechs Jahren erfolgen. Sie hatten gemeinsame Kinder:

  1. Ulrich II.
  2. Adelheid (erwähnt ab 1306; † vor 1325), verheiratet vor 1315 mit Konrad V. von Weinsberg (* vor 1301; † 1328)
  3. Konrad, Pfründner des Klosters Fulda (erwähnt 1343; † nach 1352). In der älteren Literatur ist seine Zugehörigkeit zum Haus Hanau umstritten. Allerdings siegelt er mit dem Hanauer Wappen[1].
  4. Margarethe ist eine unzutreffende Zuordnung in der älteren Literatur[2], die als Ehefrau des Grafen Gerhard von Katzenelnbogen (erwähnt: 1292; † 1312) genannt wird. Tatsächlich handelt es sich bei ihr um eine Gräfin von der Mark [3]. Da die Urkunde, auf der die Nachricht beruht, noch mehr Fehler enthält[4], ist von einer Fälschung auszugehen.

Regierungszeit

Mit dem Tod seines Vaters im Jahr 1281 übernahm Ulrich I. die Herrschaft Hanau. Er konnte in seiner Regierungszeit das Gebiet der Herrschaft Hanau erheblich erweitern.

Erbschaften

Münzenberger Erbschaft

Zum einen war er über seine Mutter mit 1/6 an dem reichen Münzenberger Erbe beteiligt. Das umfasste einen entsprechenden Anteil von Münzenberg, Burg und Amt, Assenheim, Heuchelheim, Dudenhofen, Münster, Werlachen, die Burg Hayn in der Dreieich und dem Wildbann Dreieich. Durch die Mitgift seiner Mutter war bereits das Amt Babenhausen mit Teilen des Bachgaus und die Hälfte von Umstadt zur Herrschaft Hanau gekommen. Weiter brachte das Erbe Adelheids Vilbel und ¼ von Praunheim an Hanau. Der selbstverständlich aus einer solchen Erbschaft resultierende Streit der Erben konnte – was Hanau betraf – 1288 weitgehend beigelegt werden.

Die wirtschaftliche Position des Hauses Hanau war so recht stark. Vorübergehend konnten als Pfandschaften erworben werden: Burg und Dorf Ortenberg, Burg Birstein, Orb und (Besen-)Kassel. Dadurch wurde eine Landbrücke zur bis dahin von der Herrschaft isoliert liegenden hanauischen Stadt Steinau an der Straße geschaffen und die Interessensphäre Hanaus ins obere Kinzigtal vorgeschoben.

Rienecker Erbschaft

Das Erbe, das seine Gattin Elisabeth nach dem Tod ihres Vaters 1289 erhielt, sowie ihre Aussteuer, stärkte die Position Ulrichs I. weiter. Der genaue Umfang der Erbschaft lässt sich – Urkunden darüber sind verloren – nicht feststellen. Der Hauptanteil der Rieneckschen Erbschaft fiel aber offensichtlich erst 1333, schon nach dem Tod Ulrichs I., an Hanau, umfasste aber immerhin einen Teil der Grafschaft Rieneck.

Allerdings war Ulrich I. als Vormund für Graf Ludwig von Rieneck-Rothenfels tätig und konnte von diesem die Anwartschaft auf dessen Mainzer Lehen erwerben. Er hat wohl auch die Vormundschaft für seine Neffen Reinhard und Heinrich von Weinsberg wahrgenommen.

Ausgleich

Ulrich I. sicherte seine Herrschaft auch durch Verträge mit Nachbarn. Er legte 1290 einen langjährigen Streit mit dem Bistum Würzburg bei und schloss 1303 einen Bündnis- und Öffnungsvertrag mit Frankfurt am Main, dem Auseinandersetzungen vorangegangen waren. 1304 folgt ein Bündnis mit Pfalzgraf Rudolf I., bei Rhein.

Territoriale Verluste

Verloren ging allerdings der Bachgau. Schon Reinhard I. hatte ihn 1278 an den Erzbischof von Mainz abgeben müssen. Nach dem Tod des Erzbischofs Werner von Eppstein zog König Rudolf den Bachgau zugleich mit der Abtei Seligenstadt ein und übergab ihn Ulrich I. zur Verwaltung. König Adolf von Nassau sprach den Bachgau 1292 dem Erzbischof zu, wohl ein Kompensationsgeschäft für dessen Stimme bei der Königswahl, was Ulrich I. aber offensichtlich ignorierte. Die aus dem Streit um den Bachgau entstehende Fehde zwischen Ulrich I. und dem Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein – wohl 1298 – scheint sehr heftig gewesen zu sein. Ulrich I. wurde militärisch geschlagen und vom Erzbischof in Bingen gefangen gesetzt. Ulrich I. kam zwar bald wieder frei, der Bachgau aber war für Hanau größtenteils verloren. Nur die Dörfer Langstadt, Schlierbach und Schaafheim sowie zahlreiche vereinzelte Rechte im Bachgau blieben Hanau erhalten.

Ulrich I. verpfändete kurzfristig Teile der Münzenberger Erbschaft an die Münzenberger Miterben, die Herren von Falkenstein, nämlich seine Anteile von Münzenberg, Assenheim und 1303 auch die Juden in diesen beiden Orten und in Nidda, die er selbst als Pfand des Königs hielt. Vermutet wird Geldbedarf anlässlich der Teilnahme Ulrichs I. an dem Feldzug König Albrecht I. gegen den Mainzer Erzbischof 1301/1302. In der Folge kam es dann wegen der Eigentumsfrage und dem Rückerwerb dieser Stücke durch Hanau zu einer längeren Auseinandersetzung mit den Falkensteinern.

Bündnis mit dem König

Ulrich I. war sehr königsnah und an einer Zahl von königlichen Heerzügen und Hoflagern beteiligt:

  • 1277 im Kampf gegen König Ottokar von Böhmen
  • 1286/87 gegen Graf Eberhard von Württemberg
  • 1288 gegen Graf Reinald von Mömpelgard-Burgund
  • 1289 in Erfurt
  • 1294 in Thüringen
  • 1298 gegen Albrecht von Österreich. Der gewann den Krieg allerdings mit der Schlacht bei Göllheim und setzte auch Ulrich I. gefangen. Der scheint daraufhin schnellstens auf die Seite des Siegers umgeschwenkt zu sein, denn spätestens ab 1300 findet er sich im Gefolge des jetzigen König Albrecht I. Erfolgreich gekrönt wird diese königsnahe Politik Ulrichs I. mit seiner Ernennung zum Landvogt in der Wetterau durch den König.
  • 1301/1302 beteiligt er sich an einem Feldzug des Königs gegen den Mainzer Erzbischof. Der Sieg des Königs brachte Ulrich I. die Reichslehen und Pfandschaften des Gerlach von Breuberg ein, die in und bei den Reichsstädten Frankfurt und Gelnhausen lagen, so dass Ulrich I. in diesen Städten Fuß fassen konnte. Darüber hinaus erhielt er die Gerichte Gründau und Selbold.
  • 1305 gegen Böhmen
  • 1305 erneut gegen Graf Eberhard von Württemberg
Stadtmauer der Hanauer Altstadt

Eine Frucht dieser königsnahen Politik ist auch, dass am 2. Februar 1303 König Albrecht I. der Siedlung Hanau das Markt- und Stadtrecht entsprechend dem Frankfurter Stadtrecht verlieh. Damit war das Recht verbunden, Märkte abzuhalten, einen Rat mit zwei Bürgermeistern an der Spitze zu wählen, sowie die Freiheit von Leibeigenschaft ("Stadtluft macht frei"). In dieser Zeit wurde mit dem Bau der ersten Hanauer Stadtmauer begonnen. Die Stadt Hanau löste in ihrer Bedeutung bald das benachbarte und ältere Kinzdorf ab.

Regionale Vertretung des Königs

1294 übertrug König Adolf die Regierung des Klosters Fulda auf Ulrich I., nachdem dort der Abt Heinrich V. nach erheblicher Misswirtschaft zurückgetreten war. Die Regierung durch Ulrich I. scheint sehr erfolgreich gewesen zu sein, denn es gelang ihm sogar, verschiedene Pfandschaften für die Abtei zu lösen.

Im Jahr 1300 wurde Ulrich I. durch den König zum Landvogt in der Wetterau („advocatus generalis et rector“) bestellt. Dies sollte dazu dienen, die Position des Königs in dessen Auseinandersetzung mit den rheinischen Kurfürsten zu stärken. Deren Führer war wiederum der Erzbischof von Mainz. Ulrich I. eroberte und zerstörte für den König die Eppsteiner Burg Steinheim, in der sich Siegfried von Eppstein, ein Neffe des Erzbischofs, verschanzt hatte. Zu dem Amtsbezirk des Landvogts gehörten immerhin so bedeutende Städte wie Oppenheim, Boppard, Wesel, Frankfurt, Friedberg und Gelnhausen. Die Ernennung zum Landvogt eröffnete Ulrich I. so auch über die Grenzen seines Territoriums hinaus regionalen Einfluss. Prägnantestes Beispiel dafür ist, dass Ulrich I. in seiner Funktion als Landvogt als erster Hanauer Herr für das Gebiet des Bornheimerbergs tätig wird, ein Gebiet, dass später größtenteils zum Hanauer Territorium zählt und halbkreisförmig den Norden der Stadt Frankfurt umgab.

Die Königsnähe brachte ihm auch weiter Vorteile für die eigene Herrschaft. So erreicht er für vier Orte seiner Herrschaft Stadtrechte:

  • am 5. August 1288 verlieh König Rudolf I. dem Hanauer Ort Windecken die Rechte und Freiheiten von Frankfurt;
  • am 4. Juli 1290 erhielt Steinau an der Straße das Stadtrecht Gelnhausens;
  • am 28. März 1295 erhielt Babenhausen das Stadtrecht von Frankfurt, jetzt durch König Adolf;
  • und endlich am 2. Februar 1303 auch Hanau – durch König Albrecht – das Frankfurter Stadtrecht.

Über die Amtstätigkeit Ulrichs I. als Landvogt gibt es sonst nur wenige Belege. Zentrale Aufgabe für ihn war die Verwaltung des Reichsguts für den König. Er hatte das Amt wohl bis zu seinem Tode inne.

Tod

Ulrich I. verstarb Ende des Jahres 1305 oder Anfang des Jahres 1306. Er wurde im Kloster Arnsburg begraben.

Literatur

  • Emil Becker, Die Herren von Hanau als Landvögte in der Wetterau, in: Jahresbericht des Königlichen Gymnasiums zu Marburg, Marburg 1902.
  • Heinrich Dannenbauer, Königsfamilie und Ministeriale, in: Heinrich Dannenbauer, Grundlagen der mittelalterlichen Welt, S. 329 - 353 (350 f.), Stuttgart 1958.
  • Reinhard Dietrich, Die Landesverfassung in dem Hanauischen = Hanauer Geschichtsblätter 34, Hanau 1996. ISBN 3-9801933-6-5
  • Franziska Haase, Ulrich I., Herr von Hanau. 1281 – 1306, masch. Diss. Münster 1925.
  • Fred Schwind, Die Landvogtei in der Wetterau, Diss. Frankfurt 1972
  • Fred Schwind, Zu den Anfängen der Herrschaft und Stadt Hanau, in: 675 Jahre Altstadt Hanau, Hanau 1978, S. 24ff
  • Reinhard Suchier, Genealogie des Hanauer Grafenhauses, in: Festschrift des Hanauer Geschichtsvereins zu seiner fünfzigjährigen Jubelfeier am 27. August 1894, Hanau 1894.
  • Ernst J. Zimmermann, Hanau Stadt und Land, 3. Auflage, Hanau 1919, ND 1978.

Verweise

  1. Staatsarchiv Marburg, Urkunden O.I.a. [Nr. 29], v. 9. Juni 1343
  2. Helfrich Bernhard Wenck, Hessische Landesgeschichte mit einem Urkundenbuche und geographischen Charten, Bd. 1, Darmstadt 1783, S. 372
  3. Walther Möller, Stamm-Tafeln Westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter, NF 2, Darmstadt 1951, S. 68; Gaston Pöttickh Graf von Pettenegg, Sphragistische Mittheilungen aus dem Deutsch-Ordens-Centralarchive, Wien 1884, S. 21
  4. Walther Möller, Stamm-Tafeln Westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter, NF 2, Darmstadt 1951, S. 68



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