Ulf Miehe

Ulf Miehe

Ulf Miehe (* 11. Mai 1940 in Wusterhausen; † 13. Juli 1989 in München) war ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmregisseur. Er veröffentlichte auch unter dem Pseudonym Robert Artner.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ulf Miehe wuchs in Berlin auf und war nach einer Buchhändlerlehre in Bielefeld als Lektor im Sigbert Mohn Verlag tätig. Während dieser Zeit entdeckte er Guntram Vesper, dessen Band Gedichte er 1965 betreute. Nach der Liquidierung des Sigbert Mohn Verlages im gleichen Jahr arbeitete er als Synchronsprecher, Statist, Übersetzer, freier Schriftsteller und Regisseur. Er erhielt mehrere Stipendien (Bertelsmann-Stiftung 1965, Berliner Senat 1967) und war ab 1974 Mitglied des P.E.N.-Zentrums. Mit Marius Müller-Westernhagen trat er 1972 in der WDR-Satire-Sendung „Express“ auf. Esther Ofarim sang auf ihrer LP „Complicated Ladies“ mehrere seiner Songtexte.

Miehe war einst mit Gertrud Höhler liiert. Mit seiner Frau Angelika lebte er bis zu seinem Tod bei München. Miehe starb im Alter von 49 Jahren in München während der Vorbereitungen zu seinem Filmprojekt „Der Unsichtbare“ an einer Gehirnblutung.

Auszeichnungen

  • 1973: Staatlicher Förderpreis für Literatur des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst
  • 1975: Bundesfilmpreis für Nachwuchsregie: Filmband in Gold

Literarisches Schaffen

Ich hab noch einen Toten in Berlin

Bekannt wurde Miehe vor allem mit seinem Kriminalroman Ich hab noch einen Toten in Berlin, den die Kritik in die Tradition Dashiell Hammetts stellte und Miehe als „deutscher Raymond Chandler“ bezeichnete.[1] Es geht darin um die Idee für ein Drehbuch, in dem ein Geldtransport der US-Armee überfallen werden soll. Zwei Filmemacher verführt dieser Gedanke, ihn in die Tat umzusetzen. Dazu müssen sie mit einem Berliner Kriminellen zusammenarbeiten, der aber gänzlich andere Interessen verfolgt. Der Roman wurde in 11 Sprachen übersetzt, hatte in den USA eine Auflage von 200.000 Exemplaren, erhielt in Bayern den „Staatlichen Förderpreis für Literatur“ und wurde 1974 unter dem Titel Output verfilmt. 33 Jahre nach seinem Erscheinen wurde er von der Süddeutschen Zeitung für ihre „SZ Krimibibliothek“ (Band 17) ausgewählt.

Puma und Lilli Berlin

Miehe, der zunächst unter dem Pseudonym Robert Artner zusammen mit Walter Ernsting alias „Clark Darlton“ Science-Fiction schrieb und auch als Herausgeber tätig war, sowie Gedichte und Erzählungen verfasste, festigte mit zwei Romanen seinen Ruf als Kriminalschriftsteller: Puma (1976) und Lilli Berlin (1981). Beide gelten als „bildhaft erzählt, sauber recherchiert, knapp und präzise im Dialog und transparent in der Schilderung von Charakteren und Lokalitäten“.[2] Puma, eine Erpressergeschichte, sollte verfilmt werden, wovon man aber Abstand nahm, da zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit durch die Schleyer-Entführung geschockt war. Den Roman gilt in der Kritik als „ein Buch, gegen das die gut verkäufliche Ware solcher Mainstreamer wie Donna Leon oder Henning Mankell ziemlich alt aussieht“[3] und für den Literaturkritiker Peter Jokostra galt Miehe als „Vollbluterzähler, ein Fabulierer, der dem berühmten Raymond Chandler nicht nachsteht, ja ihm in manchen geglückten Passagen sogar überlegen ist“.[4] Der WDR produzierte 2004 den Roman als Hörspiel.

Handlungsplatz der Romane Miehes ist oft das zweigeteilte Berlin

In Miehes letztem Kriminalroman Lilli Berlin spielt sich innerhalb weniger Januartage ein realistisches und phantastisches Stück deutsch-deutscher Berliner Wirklichkeit ab. Peter Henning fasst zusammen, dass der Autor seinem Grundthema in allen drei Romanen treu geblieben sei: „der schnörkellosen Inszenierung der realistischen Unterweltballade, des Noir-Romans.[5]

Buchveröffentlichungen

  • Die Zeit in W. und anderswo. Prosa. Peter Hammer, Wuppertal 1968.
  • Puma. Mit Materialien zu Leben und Werk. Dumont, Köln 1999, ISBN 3-7701-4854-1.
  • Lilli Berlin. Roman. Piper, München 1981. ISBN 3-492-02417-3
  • Puma. Roman. Piper, München 1976, ISBN 3-492-02176-X.
  • Ich hab noch einen Toten in Berlin. Roman. Piper, München 1973. ISBN 3-492-01959-5. Zuletzt: Süddeutsche Zeitung. Kriminalbibliothek Bd. 17. München 2006, ISBN 978-3-86615-235-9.
    • Dänische Übersetzung: En million i Berlin. Lindhardt og Ringhof, Kopenhagen 1974, ISBN 87-7560-134-6.
    • Finnische Übersetzung: Miljoonan dollarin kysikirjoitus. Gummerus, Jyväskylä 1974, ISBN 951-20-0765-7.
    • Schwedische Übersetzung: Miljondollarmanuskriptet. Norstedt, Stockholm 1974, ISBN 91-1-742012-1.
    • Niederländische Ausgabe: Ik heb nog een dode in Berlijn. Bruna, Utrecht 1978, ISBN 90-229-5221-5.
    • Spanische Ausgabe: Un muerto en Berlin. Editorial Planeta, Barcelona 1978, ISBN 84-320-4127-0.
  • Ab sofort liefern wir folgende Artikel auf Teilzahlung. Eine Politpornographie. Bär, Berlin 1969
  • Die Zeit in W und anderswo. Erzählungen. Hammer, Wuppertal 1968
  • Zwischen Spree und Krumme Lanke. Berliner Witz. Das kleine Buch. Mohn, Gütersloh 1964, 173. S.

Veröffentlichungen unter dem Pseudonym Robert Artner

  • Clark Darlton und Robert Artner: Am Ende der Furcht. Heyne, München 1966
  • Clark Darlton und Robert Artner: Der strahlende Tod. Moewig, München 1967
  • Clark Darlton und Robert Artner: Leben aus der Asche. Moewig, München 1968
  • Robert Artner: Handgriffe für den Umgang mit Beat, Schule, Film, Kirche, Anti-Baby-Pille, Bundeswehr, Eltern und anderen Gegnern. Jugenddienst-Verlag, Wuppertal

Veröffentlichungen als Herausgeber

  • Panorama moderner Lyrik deutschsprechender Länder. Von der Jahrhundertwende bis zur jüngsten Gegenwart. S. Mohn, Gütersloh 1966
  • Drago Ulama: Gedichte. S. Mohn, Gütersloh 1966
  • Thema Frieden. Zusammen mit Wolfgang Fietkau und Arnim Juhre. Hammer, Wuppertal 1967

Übersetzungen

  • Jim Kjelgaard: Fäuste und Angelruten. Aus dem Amerikanischen. S. Mohn, Gütersloh 1964, später: Sauerländer, Aarau 1973, ISBN 3-7941-0193-6.
  • Anne Sinclair Mehdevi: Die Lederhand. S. Mohn, Gütersloh 1965

Der Filmemacher

Ulf Miehe wirkte als Drehbuchautor bei den Reihen Tatort und Der Fahnder mit, führte selbst Regie in einigen Filmen, hatte aber den größten Erfolg mit dem Kinofilm John Glückstadt.

Theodor Storm (1817–88), dessen Novelle den Stoff für den Film John Glückstadt gab

John Glückstadt

Die Handlung dies Films basiert auf der von Theodor Storm 1887 geschriebenen Novelle Der Doppelgänger. Ein junger Mann, zu einem Verbrechen verführt, kommt in das Gefängnis Glückstadt und muss lebenslang den Spottnamen des Gefängnisses tragen. Zurück in seiner kleinen Heimatstadt an der Nordsee, will er sich ein neues Leben aufbauen, ist aber dem Terror der Bewohner ausgesetzt. Die Hauptrollen spielen Dieter Laser als John Hansen bzw. John Glückstadt – er erhielt für diese Rolle den Bundesfilmpreis als bester Schauspieler – und Marie-Christine Barrault als Johns Frau. Weitere Darsteller sind Johannes Schaaf und Tilo Prückner, die Musik stammt von Eberhard Schoener.

Ulf Miehe erhielt bei den Filmfestspielen für sein Werk den Filmpreis als Nachwuchsregisseur, das Filmband in Gold. Die FAZ schrieb, dass dieser Historienfilm „von seiner Ästhetik her eindeutig für das Kino konzipiert sei, was in Deutschland ja schon eine erwähnenswerte Seltenheit geworden sei“, kritisierte aber auch, dass die Regie an einigen Stellen noch eine gewisse Unerfahrenheit erkennen ließe und fährt fort: „Dennoch ist dies ein recht beachtlicher Film geworden, dessen melancholisches Schwarzweiß etwa jene Atmosphäre trifft, die wir auch aus FassbindersEffi Briestkennen.“[6]

Kinofilme

Fernsehfilme

  • 1970: So hat jeder seine Freiheit (Regie)
  • 1981: Nichts Neues unter der Sonne – Grüße Max (Drehbuch und Regie)
  • 1983: Die Zeiten ändern sich (Drehbuch)
  • 1984–1986: Mehrere Serienepisoden der Reihe Der Fahnder. (Drehbuch)
  • 1985: „Es muss nicht immer Mord sein“: Einmal ist keinmal mit Dirk Dautzenberg (Drehbuch)
  • 1987: „Tatort“: Die Macht des Schicksals (Drehbuch)
  • 1987: „Tatort“: Gegenspieler mit Helmut Fischer (Drehbuch)
  • 1988: „Tatort“: Doppelleben (Drehbuch)

Sekundärliteratur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. So Günter Herburger. In: Der Spiegel (1973)
  2. Neues Handbuch der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. S. 456. München 1990
  3. Peter Henning: Schwarze Geschichten. In: Focus Nr. 45, 1999
  4. Peter Jokostra in einem 1977 verfassten Beitrag, abgedruckt in der Puma-Neuausgabe in der Reihe „DuMont Noir“, Nr.5, 1999, ISBN 3-7701-4854-1
  5. Peter Heninng in der Sendung Mosaik im WDR3 vom 9. August 2006
  6. Wilfried Wiegand: Junger deutscher Film am Ziel? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Juli 1975

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