Tödliche familiäre Schlaflosigkeit

Tödliche familiäre Schlaflosigkeit

Bei der tödlichen familiären Schlaflosigkeit (engl. Fatal Familial Insomnia, kurz FFI), handelt es sich um eine erbliche, sehr seltene und im Verlauf von Monaten bis Jahren stets tödlich endende übertragbare spongiforme Enzephalopathie (TSE). Sie wird auch als letale familiäre Insomnie bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Klinisches Bild

Die Erkrankung ist bei Männern und Frauen gleich häufig. Die ersten Symptome treten im Alter zwischen 37 bis 62 Jahren, im Mittel mit 51 Jahren auf.

Erstes Symptom sind Ein- und Durchschlafstörungen und dadurch bedingt Benommenheit und Schläfrigkeit am Tage. Später im Krankheitsverlauf treten oneiroide Zustände auf: Der Erkrankte fällt, sich selbst überlassen, in einen traumartigen Zustand mit Halluzinationen und einem Verhalten, das dem Trauminhalt entspricht. In späteren Erkrankungsstadien kommen Gleichgewichts- und Gangstörungen, Myoklonien (Muskelzuckungen) und Zeichen einer Schädigung der Pyramidenbahn hinzu. Die Betroffenen leiden unter Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisstörungen und weiteren kognitiven Symptomen.

Zur Diagnostik werden unter anderem Polysomnographie und EEG eingesetzt. Patienten mit FFI erreichen nur noch über kürzere Zeit Schlafstadium 1 und REM-Schlaf, die tieferen Schlafstadien 2–4 treten nicht mehr auf (Agrypnia excitata).

Es gibt keine Behandlungsmöglichkeit; und die Patienten sterben innerhalb weniger Jahre. Ein Teil der Betroffenen stirbt plötzlich, bevor eine schwere Bewusstseinsstörung eingesetzt hat. Bei anderen schreitet die Erkrankung bis zum Apallischen Syndrom fort. Todesursache bei diesen Patienten ist oft Lungenentzündung oder eine andere Infektion.

Genetik

Die tödliche familiäre Schlaflosigkeit ist autosomal dominant vererblich, wenn also nur ein Elternteil auf einem Allel betroffen ist, erkranken dessen Kinder jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%. Verantwortlich ist eine zum Aminosäureaustausch führende Mutation im Gen, welches das Prionprotein kodiert:

Patienten mit FFI haben eine „missense“-Mutation des Prion-Gens an Codon 178 (GAC→AAC). Die gleiche Mutation findet man in Familien mit Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Ob diese Mutation zu FFI oder Creutzfeldt-Jakob-Krankheit führt, hängt von einer an sich unbedeutenden Variation (Polymorphismus) des Prion-Gens ab: Kodiert das Prion-Gen an Codon 129 für die Aminosäure Methionin, so kommt es zu FFI. Steht an dieser Stelle der Code für Valin, ist eine Creutzfeldt-Jakob-Krankheit die Folge.[1]

Pathologie

Die deutlichsten Veränderungen bei der feingeweblichen Untersuchung des Gehirns findet man in einzelnen Thalamuskernen (Nucleus ventralis anterior und Nucleus medialis dorsalis) sowie im Nucleus olivaris inferior. In diesen Gebieten ist die Zahl der Nervenzellen reduziert. Leichtere Veränderungen finden sich in Hirnrinde, anderen Teilen des Thalamus und im Kleinhirn. Spongiforme, „schwammartige“ Veränderungen des Hirngewebes und Ablagerungen von Prionprotein sind weniger ausgeprägt als z. B. bei der verwandten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit

Epidemiologie

FFI galt selbst unter den Prionkrankheiten als äußerst selten. In letzter Zeit wurden etwas mehr Fälle diagnostiziert, was vermutlich auf eine Verbesserung der Diagnostik zurückzuführen ist. Auch wenn man von weiteren unentdeckten Fällen ausgeht, bleibt es vermutlich eine sehr seltene Erkrankung. Über den gesamten Globus verteilt gibt es eine zweistellige Anzahl an betroffenen Familien. Auch in Deutschland und Österreich gibt es Fälle.

Geschichte

Die Krankheit wurde 1986 erstmals beschrieben, wobei sie damals nicht als TSE erkannt wurde. 1992 wurde die zur Krankheit führende Mutation im PRNP-Gen beschrieben und 1995 die experimentelle Übertragbarkeit nachgewiesen. Die merkwürdig erscheinende Tatsache, dass eine Erbkrankheit übertragbar ist, ergibt sich aus den Besonderheiten der Prionkrankheiten.

Durch die „BSE-Krise“ und das Auftreten von vCJD in den 1990er Jahren wurde das Interesse der Öffentlichkeit an den TSE und damit auch in gewissem Umfang an FFI geweckt.

Literatur

  • Montagna P, Gambetti P, Cortelli P, Lugaresi E.: Familial and sporadic fatal insomnia. Lancet Neurol. 2003 Mar;2(3):167-76. Review.
  • Lugaresi E, Medori R, Montagna P, Baruzzi A, Cortelli P, Lugaresi A, Tinuper P, Zucconi M, Gambetti P.: Fatal familial insomnia and dysautonomia with selective degeneration of thalamic nuclei. N Engl J Med. 1986 Oct 16;315(16):997-1003.
  • Medori R, Tritschler HJ, LeBlanc A, Villare F, Manetto V, Chen HY, Xue R, Leal S, Montagna P, Cortelli P, et al.: Fatal familial insomnia, a prion disease with a mutation at codon 178 of the prion protein gene. N Engl J Med. 1992 Feb 13;326(7):444-9.
  • Tateishi J, Brown P, Kitamoto T, Hoque ZM, Roos R, Wollman R, Cervenakova L, Gajdusek DC.: First experimental transmission of fatal familial insomnia. Nature. 1995 Aug 3;376(6539):434-5.
Einzelnachweis
  1. orphanet: Fatal familial insomnia, hier online

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