Two Spirit

Two Spirit

Two Spirit (original: niizh manidoowag) ist die aus der Sprachengruppe Ojibwa ins Englische übersetzte Bezeichnung für ein drittes Geschlecht, das es im von der westlichen Kultur abweichenden Geschlechtermodell bei vielen alten nordamerikanischen Indianerstämmen gegeben hat. Two-Spirit bedeutet, dass zwei Seelen in einem Körper vereint sind. Die Bezeichnung Two Spirit wurde in den 1990ern als Ersatz für die in anthropologischer Literatur übliche, als diskriminierend empfundene Bezeichnung Berdache geprägt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

„Dance to the berdache“ von George Catlin (1796-1872). Ritueller Tanz um den Berdache zu feiern.

Die in Amerika lebenden Ureinwohner verfügten über eine Kultur, die in vielen Teilen stark von der Kultur der einwandernden Europäer abwich und diesen daher sehr fremd erschien. Ein Teil der kulturellen Unterschiede betraf die Geschlechterrollen, was das ohnehin vorhandene Sendungsbewusstsein der europäischen Einwanderer bezüglich der Überlegenheit ihrer eigenen Kultur noch förderte.

Die vermeintliche Minderwertigkeit der indianischen Kultur diente in der Folge als willkommene Begründung für die Landnahme, die teilweise per Vertrag erfolgte, oft durch Vertreibung oder Mord ermöglicht wurde. Die traditionelle Lebensweise der indianischen Urbevölkerung wurde weitgehend unterdrückt, später erzwang man die Umsiedlung ganzer Stämme in Indianerreservate. Eine der Folgen war der zunehmende Verlust der kulturellen Identität verbunden mit dem Versuch, sich zu assimilieren. Die letzten bekannten Two-Spirit People wurden in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von ihren eigenen Leuten isoliert und starben verachtet.

Über das Leben und die soziale Funktion der Two-Spirit ist nur wenig bekannt, da die meisten Berichte darüber oft nur ihre Verabscheuung über Männer, die in Frauenkleidung herumliefen, und Frauen, die Krieger waren, zum Ausdruck brachten. Die europäischen Einwanderer machten keinen Halt davor, kurz nach der Entdeckung solcher Menschen diese den Hunden vorzuwerfen oder ähnliche Gräueltaten an ihnen zu verüben.

Kultur

Es war dort üblich, Jungen oder Mädchen (meist noch vor der Pubertät), die in ihrem Verhalten und ihren Fähigkeiten zu dem anderen als ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht neigten, als Two-Spirits anzusehen. Das Geschlecht, dem eine Person sich zugehörig fühlte und von welchem Geschlecht eine Person sich angezogen fühlte, also mit welchem Geschlecht eine Person Sex haben mochte, waren zwei voneinander getrennte Dinge in der damaligen indianischen Kultur. Damit war eine Frau, die sich anzog und verhielt wie ein Mann oder umgekehrt, nicht mit einem Mann beziehungsweise einer Frau im üblichen Sinne gleichzusetzen, sondern nahmen eine besondere Stellung in der indianischen Gesellschaft ein. Sie wurden oft als Menschen mit besonderen Kräften und Fähigkeiten verehrt. So waren Two-Sprits mit einem von Geburt an männlichen Körper oft Heiler und Two-Spirits mit einem von Geburt an weiblichen Körper oft Krieger oder Häuptling. Sie gingen mit dem gleichen wie ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht eine Partnerschaft ein. Trotzdem sind sie im herkömmlichen Sinne nicht als schwul oder lesbisch zu betrachten, weil sie nicht ihr bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht beibehielten und es nicht tauschten, wie es bei Transsexuellen der Fall ist, sondern nach indianischer Auffassung das dritte Geschlecht hatten. So waren in der indianischen Kultur Männer, die mit einem als Mann geborenen Two-Spirit geschlechtlichen Verkehr hatten, deshalb nicht als schwul anzusehen. Die als Mann geborene Two-Spirit nahm beim Geschlechtsverkehr die passive Rolle und nicht die für den Mann typische aktive Rolle an.

Heute

Trotz der Bemühungen vieler lesbischer, schwuler, transgender, intersexueller oder transsexueller Indianer, die damalige indianische Kultur mit ihrem Geschlechterverständnis wieder aufleben zu lassen, war dies nicht möglich. Die heutigen Indianer haben die Normen und Werte der Europäer verinnerlicht. So gibt es die Two-Spirit heute nicht mehr. Sie sind mit der Besiedlung Amerikas und der Unterdrückung der Indianer verschwunden. An ihre Stelle ist ein in der westlichen Kultur übliches Verständnis von nur zwei Geschlechtern, das als Heteronormativität bezeichnet wird, gerückt.

Andererseits wird der Ausdruck two-spirit von manchen modernen Indianern wie auch Nicht-Indianern noch oder wieder benutzt, und manche Nicht-Heterosexuelle versuchen, in ihrer Identität an das traditionelle Verständnis anzuknüpfen.

Literatur

  • Cameron, Michelle. (2005). Two-spirited Aboriginal people: Continuing cultural appropriation by non-Aboriginal society. Canadian Women Studies, 24 (2/3), 123-127.
  • Conley, Craig. Oracle of the two-fold deities.
  • Jacobs, Sue-Ellen; Wesley Thomas, and Sabine Lang (Eds.). (1997). Two-spirit people: Native American gender identity, sexuality, and spirituality. Urbana: University of Illinois Press. ISBN 0252023447, ISBN 0252066456.
  • Lang, Sabine. (1998). Men as women, women as men: Changing gender in Native American cultures. Austin, TX: University of Texas Press. ISBN 0292747004, ISBN 0292747012.
  • Medicine, Beatrice. (1997). Changing Native American roles in an urban context and changing Native American sex roles in an urban context. In S.-E. Jacobs, W. Thomas, & S. Lang (Eds.) (pp. 145-148).
  • Roscoe, Will. (1991). The Zuni man-woman. Albuquerque: University of New Mexico Press. ISBN 0826312535.
  • Roscoe, Will. (1998). Changing ones: Third and fourth genders in native North America. New York: St. Martin's Press. ISBN 0312175396.
  • Roscoe, Will; & Gay American Indians. (1988). Living the spirit: A gay American Indian anthology. New York: St. Martin's Press. ISBN 0312018991.
  • Rowe, J. Spencer (2005). "The Last of the Dodo's:Voice of the Two Spirit". USA: Lulu Publishing. ISBN 1411623584
  • Schaeffer, Claude E. (1965). The Kutenai female berdache. Ethnohistory, 12 (3), 193-236.
  • Schultz, James W. (1916). Blackfeet tales of Glacier National Park. Boston: Houghton Mifflin Co.
  • Schultz, James W. (1919). Running Eagle, the warrior girl. Boston: Houghton Mifflin.
  • Spanbauer, Tom. (1991). The man who fell in love with the moon: A novel. New York: Atlantic Monthly Press. ISBN 0871134683.
  • Trexler, Richard C. (1995). Sex and conquest: Gendered violence, political order, and the European conquest of the Americas. Ithaca, NY: Cornell University Press. ISBN 0801432243.
  • Williams, Walter L. (1986). The spirit and the flesh: Sexual diversity in American Indian cultures. Boston: Beacon Press. ISBN 0807046027.
  • Wolf, Rope. Two-spirit: Belonging (Film)[1]

Weblinks

Fußnoten

  1. Wolf, Rope. Two-spirit: Belonging

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