Turmuhr

Turmuhr
Uhrturm mit einer Turmuhr
Turmuhr (Zifferblätter)
am Uhrturm des Palace of Westminster in London (fälschlich Big Ben genannt)
Turmuhr (Uhrwerk)
im Uhrturm des Palace of Westminster in London

Unter Turmuhr versteht man

  • eine große, weithin sichtbare, zumeist an einem Kirchturm oder einem Uhrturm eingerichtete Uhr. In der Regel sind Zifferblätter nach allen vier Himmelsrichtungen hin angebracht.[1]
  • die gesamte Uhrenmechanik, also die Räderuhr mit den zusätzlichen Komponenten, für eine große öffentliche Uhr an einem Gebäude wie Rathaus, Schule, Schloss, Kirche oder Kloster.[2][3] Das Zifferblatt muss nicht unbedingt an einem Turm platziert sein.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Turmuhren waren die ersten mechanischen Uhren überhaupt und fanden gegen Ende des Mittelalters weite Verbreitung. Uhren waren zu dieser Zeit sehr teuer, so dass eine Turmuhr für alle Bewohner eines Ortes einen Nutzen brachte. Als zentrale und maßgebliche Zeitanzeiger waren diese Räder-Uhrwerke auf den hohen Türmen von Kirchen, Rathäusern und Schlössern installiert. Die ersten Räderuhren mit Gewichtsantrieb (ab ca. 1300) verkündeten die volle Stunde zunächst durch automatische Glockenschläge (Schlaguhr). Ersatzweise schlugen Turmwächter zu jeder beginnenden Stunde die zugehörige Glocke an.

Mit der Erfindung der Schlaguhr war es erstmals möglich, äquinoktiale Stunden mechanisch darzustellen, ohne astronomische Berechnungen durchführen zu müssen. Eine mechanische Uhr mit Anzeige der vorher gebräuchlichen temporalen Stunden wäre sehr aufwändig gewesen, ihre Konstruktion wurde vereinzelt dennoch versucht. Schlaguhren sind in Verbindung mit äquinoktialen Stunden erstmals 1344 in Padua belegt. Genua folgte 1353, Bologna 1356. In der Folge wurden Schlaguhren in ganz Europa verwendet.

Später wurden auch Uhren mit Zeigern verwendet. Sie brachten eine „amtliche“, für die jeweilige Region verbindliche Uhrzeit. Bei den ersten Zifferblättern begnügte man sich zunächst mit nur einem Zeiger, der die Stunden zählte. Die Turmuhren wurden damals noch in traditioneller Handarbeit durch Schmiede aus Eisen gefertigt.[1]

Auf dem Zifferblatt von Turmuhren ist bei römischen Zahlen die 4 oft als 'IIII' dargestellt und nicht wie seit dem Mittelalter allgemein üblich als 'IV'. Die „falsche“ Darstellung wird aus Symmetriegründen gewählt. Durch die 'IIII' entsteht ein optisch gleichwertiges Gegengewicht zur gegenüberliegenden 'VIII'. Zudem kommen auf diese Weise alle Zahlenarten gleich oft vor (je vier Strich-, V- und X-Zahlen). Bis heute sind beide Schreibweisen üblich.

Turmuhren dienten der Zeiteinteilung für liturgische Zwecke (der Gebetszeiten) sowie der Einteilung des Arbeitstages. Die ersten mechanischen Uhren waren noch so ungenau, dass man sie mit Hilfe von Sonnenuhren nachstellen musste. Eine sehr frühe deutschsprachige Gebrauchsanweisung zur Regulierung einer Turmuhr [4] mit einer so genannten „Waagbalkenhemmung“ ist aus dem Jahr 1385 bekannt.

Gegenwart

Heute sind mechanische Turmuhrwerke nur noch selten in Betrieb, die moderne Technik mit funkgesteuerten Werken und auch die aufwendige, schwierige Pflege der Uhren haben dazu ihren Beitrag geleistet.

Siehe auch

Literatur

  • Literatur von und über Turmuhr im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • G. W. Rösling, B. Stoß: Der Thurm-Uhren-Bau auf seiner jetzigen .... 1843; Reprint, Historische Uhrenbücher, Berlin 2006, ISBN 3-9810461-1-0
  • Curt Dietzschold: Die Turmuhren mit Einschluß der sogenannten Kunstuhren. Weimar: Bernhard Friedrich Voigt, 1894.
  • Knut Deutschle: Die alten Turmuhren. Rockenhausen 1989, ISBN 3-87022-129-1
  • Bernhard Schmidt: Turmuhrwerke. Hrsg. Fachkreis Turmuhren der DGC, Günter Verlag, Georgsmarienhütten 2001, ISBN 3-9807704-0-0
  • Jürgen W. Schmidt: Die städtischen Uhren von Perleberg und ihr Betreuer 1806 - 1817, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz Bd.6 Perleberg 2006 S.145-150
  • Friedrich-Karl Ginzel: Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie II - Das Zeitrechnungswesen der Völker: Zeitrechnung der Juden, der Naturvölker, der Römer und Griechen sowie Nachträge zum 1. Bande, Deutscher Buch-Ex- und Import, Leipzig 1958 (Nachdruck Erstausgabe Leipzig 1911), S. 93–94.

Einzelnachweise

  1. a b Gerhard Dohrn-van Rossum: Die Geschichte der Stunde, Hanser 1992, ISBN 3-446-16046-9
  2. Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 572. Thurmuhr bei Zeno.org
  3. Fritz von Osterhausen: Callweys Uhrenlexikon; München 1999; ISBN 3-7667-1353-1; S.337
  4. Gebrauchsanweisung zur Regulierung einer Turmuhr Staatsarchiv Luzern

Weblinks

 Commons: Turmuhr – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Turmuhr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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