Tschirtner

Tschirtner

Oswald Tschirtner (* 1920 in Perchtoldsdorf; † 20. Mai 2007 in Maria Gugging) war ein österreichischer Künstler.

Leben

Oswald Tschirtner stammte aus einer streng katholischen Familie und war ein ausgezeichneter Schüler. Er besuchte ein erzbischöfliches Internat während der Gymnasialzeit und wollte Priester werden. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er jedoch nicht zum Theologiestudium zugelassen, deshalb begann er ein Chemiestudium, bevor er zum Wehrdienst eingezogen wurde. Als Obergefreiter war er Funker in Stalingrad, das er mit dem letzten Urlauber-Transport verließ. Aus dem Zweiten Weltkrieg kehrte er – nach einem Aufenthalt in einem französischen Kriegsgefangenenlager – 1946 mit den Anzeichen einer schweren Schizophrenie nach Vorarlberg zurück. Ab 1947 war er dauernd hospitalisiert, er litt an Halluzinationen und wurde 1954 in die Anstalt Gugging überstellt. Dort traf er auf den Neurologen und Psychiater Leo Navratil, der ihn zum Zeichnen ermutigte und 1981 schließlich das „Haus der Künstler“ gründete.

Tschirtner lebte dort stets sehr in sich gekehrt. Auch in seinem künstlerischen Werk hat er sich der Einsamkeit der Figur, fast dem Minimalismus verschrieben. Seine Menschen sind Kopffüßler, sparsam dargestellt, ohne kennzeichnende Attribute wie Kleidung oder Geschlecht. Der Kopf verfließt mit dem Körper, die Beine sind nicht mehr getrennt, sondern vereinen sich – durchaus elegant – zu einem stammartigen Rumpf mit fingerlosen Armen.

„Eine Landschaft kann bei Tschirtner in einem einzigen Strich, ein Tier in einem einzigen Punkt dargestellt sein“, schreibt der Brandstätter Verlag in einer Beschreibung von Tschirtners Werken, die im Jänner 2007 im 128-seitigen Sammelband „Das rote Zebra – Zeichnungen von Oswald Tschirtner“ in rund 60 Abbildungen erschienen sind.

Tschirtner begann in den 1960er Jahren zu zeichnen, im Laufe der Zeit schuf er völlig eigenständige Varianten und Kombinationen seiner Kopffüßler.

Johann Feilacher, Psychiater und Bildhauer, Nachfolger von Leo Navratil als Leiter des Hauses der Künstler, über Tschirtner: „Das eine war, dass er schon auch wollte, dass man ihn beachtet, dass man anwesend ist, dass seine Tätigkeit auch Bedeutung für den anderen hat und dass man seine Zeit für ihn hergibt. Das andere war, dass er besondere Ruhe gebraucht hat, dass er sich in ein Zimmer eingeschlossen hat, wo andere Leute nicht vorbeigekommen sind, wo er wirklich seinen Frieden, den er auch immer wieder beschrieben hat, gehabt hat. Dann konnte er sich wirklich gut konzentrieren und zeichnen.“

Tschirtner zeichnete sowohl mit Feder als auch mit Tusche auf meist kleinen Papierformaten. Seine Zeichnungen wirken locker, einfach, verdichtet, jedoch auch minimalistisch und gelegentlich witzig. Was als Kunsttherapie angefangen hatte, hängt mittlerweile als „Art Brut“ in Museen der ganzen Welt.

Tschirtner galt – neben August Walla, Johann Fischer, Johann Hauser oder Ernst Herbeck – als einer der großen Stars der „Gugginger Künstler“.

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