Tribolumineszenz

Tribolumineszenz

Der Begriff Tribolumineszenz (von gr. „tribein“ reiben und lat. „lumen“ Licht) wurde 1895 von Wiedemann und Schmidt für das Auftreten einer „kalten Lichtemission“ bei starker mechanischer Beanspruchung von Festkörpern geprägt.[1] Heute fasst man den Begriff etwas weiter und zählt zum Beispiel auch die Lumineszenz, die beim schnellen Abrollen von Klebeband auftritt, zu dieser Kategorie.[2]

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung und Geschichte

Reibt man in einem völlig dunklen Raum, mit gut an das Dunkle angepassten Augen, zwei Stücke Würfelzucker aneinander, so kann man ein schwaches bläuliches Licht erkennen. Diese Beobachtung geht noch auf Francis Bacon zurück und ist die ursprüngliche Form der Tribolumineszenz: Licht, welches beim Zerbrechen von Kristallen entsteht.

Intensiv erforscht wurde diese Erscheinung allerdings erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Um 1900 untersuchte Tschugajew 510 anorganische und organische Kristalle auf etwaiges Tribolumineszenzvermögen und fand, dass 127 davon eine Tribolumineszenz zeigten.[3] Vier Jahre später fand Max Trautz in einer Monumentalstudie heraus, dass von 827 untersuchten kristallinen Substanzen 283 Verbindungen Tribolumineszenz aufwiesen.[4][5] Unter der großen Zahl tribolumineszenzfähiger Stoffe war aber nur bei wenigen die Lichtemission so hell, dass man eine Farbe erkennen konnte. Zusätzlich zeigte sich sehr schnell, dass die Lichtemission oft nicht von den Stoffen selbst, sondern von der Methode der Kristallisation abhängig ist. Selbst Kristalle einer Kristallisationscharge verhielten sich unterschiedlich. Außerdem fand man heraus, dass oft schon die Spannungen, die bei der Kristallisation innerhalb eines Kristalls oder beim Schockfrosten auftreten, ausreichen, um Tribolumineszenz auszulösen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Tribolumineszenz ist kein einheitliches Phänomen, sondern kann auf unterschiedliche Weise ausgelöst werden. Es werden sieben verschiedene Anregungsmechanismen unterschieden [6]:

  1. Deformationslumineszenz
  2. Triboinduzierte Gasentladungslumineszenz
  3. Triboinduzierte Elektrolumineszenz
  4. Triboinduzierte Photolumineszenz
  5. Triboinduzierte Resonanzstrahlung
  6. Triboinduzierte Thermolumineszenz
  7. Lichtemission bei Phasenübergängen

Ohne eingehende Untersuchung ist es praktisch nicht möglich, nur vom äußeren Erscheinungsbild auf den jeweiligen Anregungsmechanismus zu schließen. Ein bei vielen Materialien nachgewiesener Wirkmechanismus ist die Anregung von Stickstoffmolekülen durch elektrische Entladungen. Diese entstehen praktisch immer, wenn schnell Ladungen getrennt werden und es einen Überschlagsblitz gibt. Dies konnte durch spektroskopische Untersuchungen nachgewiesen werden. Außerdem konnten mit Hilfe eines Mikroskops die Funkenbahnen auf der Kristalloberfläche als dünne, krumme Linien beobachtet werden. In einigen Fällen entspricht das Spektrum der Tribolumineszenz aber dem der Fluoreszenz, das heißt, mechanische Energie bewirkt hier einen direkten Übergang von Elektronen in den angeregten Zustand. Es ist dabei nicht notwendig, den Kristall zu zerstören, allein die Einwirkung mechanischer Energie reicht dafür aus. Im Prinzip ist so die Herstellung eines triboinduzierten Lichtgenerators möglich.[7]

Tribolumineszenz heute

Tribolumineszenz wird heute kaum noch bearbeitet. Neuere Arbeiten zeigen, dass beim Abrollen von Klebebändern nicht nur Tribolumineszenz ausgelöst, sondern sogar Röntgenstrahlung emittiert wird.[8] Das Gleiche gilt auch für das Öffnen von selbstklebenden Briefumschlägen. In der Technik werden tribolumineszente Materialien, vor allem dotierte Zinksulfide, angewandt, um innerhalb von Turbinen oder Schlagmühlen einen Überblick über die mechanische Belastung und die Stoffströme zu bekommen. In der Materialwissenschaft werden tribolumineszente Substanzen als funktionelle Füllstoffe eingesetzt. Über das bei mechanischer Belastung entstehende Licht kann man auch hier Aussagen zu Belastungsspitzen, Mikrorissen und etwaigen inneren Schäden machen.[9]

Experimentelles

Aufgrund des einfachen experimentellen Zuganges bietet Tribolumineszenz die ideale Möglichkeit, eine Form der Lumineszenz selbst zu erzeugen und zu beobachten. Man braucht dafür nur einen dunklen Raum, kristalline Stoffe und etwas zum Zerreiben, Zerquetschen oder Zermahlen. H. Brandl hat eine Auswahl leicht zugänglicher Stoffe zusammengestellt und beschrieben.[10] Im einfachsten Falle kann man Tribolumineszenz beobachten, wenn man ein Stück Würfelzucker im Dunkeln zerschlägt, mit einer Zange zerdrückt oder zwei Stück aneinander reibt. Diese schwache Tribolumineszenz lässt sich durch Zugabe von einer geringen Menge Wintergrünöl deutlich verstärken. Zumindest zwei der bisher bekannten Verbindungen leuchten so hell, dass man das Tribolumineszenzlicht schon bei Tageslicht sehen kann. Dabei handelt es sich um Anthracen-9-carbonsäure-menthylester (nur mit (-)-Menthylrest, blaue Tribolumineszenz) und um Triethylammoniumtetrakis(dibenzoylmethanato)europat(III) mit einer roten Tribolumineszenz.

Weitere Tribolumineszierende Stoffe sind z. B.:

Weblinks

Einzelnachweise

  1. E. Wiedemann, G. C. Schmidt: Über Lumineszenz. In: Annalen der Physik und Chemie. 54, 1895, S. 604–625
  2. Ritsch, ratsch, röntgen. In: Berliner Zeitung. 23. Oktober 2008 (Wissenschaft).
  3. L. Tschugajew: Über Tribolumineszenz. In: Chem. Ber. 34, 1901, S. 1820–1825.
  4. M. Trautz: Studien über Chemilumineszenz. In: Zeitschrift für physikalische Chemie. 53, 1905, S. 1–105.
  5. Max Trautz: Bericht über die Tribulumineszenz. In: ZEITSCHRIFT FÜR ELECTRONIK, ATOMISTIK; IONOLOGIE; RADIOACTIVI-TÄT ETC. 1910, abgerufen am 27. April 2011 (pdf).
  6. A. J. Walton: Triboluminescence. In: Advances in Physics. 26, 1977, S. 887–948.
  7. P. A. Thiessen, K. Meyer: Tribolumineszenz bei Verformungsvorgängen fester Körper. In: Naturwissenschaften. 57, 1970, S. 423–427.
  8. Carlos G. Camara et al.: Correlation between nanosecond X-ray flashes and stick–slip friction in peeling tape. In: Nature. 455, 2008, S. 1089–1092, doi:10.1038/nature07378.
  9. Ian Sage, Grant Bourhill: Triboluminescent materials for structural damage monitoring. In: Journal of Materials Chemistry. 11, Nr. 2, 2001, S. 231–245, doi:10.1039/b007029g.
  10. H. Brandl: Das Phänomen der Tribolumineszenz. In: MNU. Nr. 45, 1992, S. 195–202.

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