Transzendental

Transzendental

Unter transzendental (von lat. transcendere, „überschreiten”) versteht die Erkenntnistheorie eine Fragestellung bzw. eine Begründungsweise, die auf die notwendigen Bedingungen zurückführt, unter denen gegenständliches Erkennen überhaupt möglich ist.[1]

Tonangebend ist ihre Formulierung durch Immanuel Kant:

„Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, sofern diese a priori möglich ist, überhaupt beschäftigt“

Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, KrV A11/12

Transzendental in diesem Sinne darf nicht verwechselt werden mit Transzendenz, was im Unterschied dazu das Übersteigen der Grenzen des Erfahrbaren meint.

Inhaltsverzeichnis

In der Scholastik

In der scholastischen Philosophie wird dieser Begriff auf dem Gebiet der Ontologie benutzt, und zwar für diejenige Bestimmung des Seins, die jede einzelne Kategorie übersteigt und dem Sein als solchem zukommt. Zentral ist hierfür der Begriff der Transzendentalien.

Bei Immanuel Kant

Kants transzendentale Deduktion ist als ein Antwortversuch auf Humes Problem, ob das Kausalprinzip bzw. die Annahme der Gesetzmäßigkeit der Welt auf Basis unserer Sinneswahrnehmungen als gültig angesehen werden dürfe, zu verstehen. Kant behauptet gegenüber dem von Hume vertretenen Skeptizismus, dass es Synthetische Urteile a priori geben müsse, das sind Zusammensetzungen oder Verknüpfungen des Verstandes "ganz und gar ohne das Hülfsmittel der Erfahrung", z.B. "die Welt muß einen Anfang haben" (KrV B13/18).

Bei Karl Popper

Karl Popper will den Kritizismus Kants fortsetzen. Den Transzendentalismus von Kant und Jakob Friedrich Fries kritisiert er indes, weil dabei Psychologie und Erkenntnistheorie vermischt würden (Psychologismus).

Für Popper heißt „transzendentale Methode“ nur noch, dass die Begriffe und Thesen einer Erkenntnistheorie an den tatsächlichen Verfahren der Wissenschaften kritisch gemessen werden sollten.[2]

Bei Hans Albert

Man muss in der Tat Erkenntnisse voraussetzen, um überhaupt erkenntnistheoretische Überlegungen anstellen zu können. Daraus folgt aber nicht, wie Leonard Nelson beweisen wollte, die Unmöglichkeit von Erkenntnistheorie, sondern für Hans Albert lediglich die Unmöglichkeit einer reinen Erkenntnistheorie.[3]

Kants Lösung ist gemäß den Forderungen einer Rechtfertigungsstrategie. Diese können durch einen konsequenten Fallibilismus und kritischen Realismus ersetzt werden.

Kants Ideen können dann uminterpretiert werden zu

  1. einer empirischen Theorie, die das Erkennen erklärt;
  2. einer Erkenntnistheorie, die Ziele und Normen festsetzt aufgrund der faktischen Möglichkeiten, welche (1) aufweist;
  3. einer Methodologie wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, die als eine rationale Heuristik aufgefasst werden sollte.

Siehe auch

Literatur

Zur Methode der Transzendentalphilosophie bei Kant:

  • Wolfgang Röd: Dialektische Philosophie der Neuzeit. Bd. 1, München 1974, S. 30ff.. 
  • Karl R. Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Tübingen 1994. 
  • Ernst Cassirer: Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik. Historische und systematische Studien zum Kausalproblem. Hamburg 2004. 
  • Hans Albert: Kritik der reinen Erkenntnislehre. Tübingen 1987. 

Zum Charakter und zur Brauchbarkeit sog. transzendentaler Argumente:

  • Roderick Chisholm: What is a Transcendental Argument?. In: Neue Hefte für Philosophie. Nr. 14, 1978. 
  • Moltke S. Gram: Do Transcendental Arguments have a Future?. In: Neue Hefte für Philosophie. Nr. 14, 1978. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Der Ausdruck ‚transzendental‘ bezeichnet genau genommen nicht die Methode der Kritischen Philosophie, sondern den Charakter der sie leitenden Fragestellung; in der Transzendentalphilosophie wird nach Bedingungen gefragt, unter denen sich die objektive Gültigkeit von Begriffen und Sätzen a priori als möglich begreifen lässt.“ (Wolfgang Röd: Die Philosophie der Neuzeit 3. Teil 1: Kritische Philosophie von Kant bis Schopenhauer. München 2006, S. 33)
  2. Karl R. Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. S. 7. 
  3. Hans Albert: Kritik der reinen Erkenntnislehre. Mohr, Tübingen 1987, ISBN 3-16-945229-0, S. 29. 

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