Transparency International Deutschland

Transparency International Deutschland

Transparency International, kurz TI, ist eine weltweit agierende nichtstaatliche Organisation mit Sitz in Berlin, die sich in der nationalen und internationalen volks- und betriebswirtschaftlichen Korruptionsbekämpfung engagiert.

Transparency International wurde 1993 in Berlin vom ehemaligen Direktor der Weltbank für Ostafrika, Peter Eigen, und Mitstreitern aus aller Welt gegründet. Die Hauptsitze von TI und TI Deutschland befinden sich in Berlin-Moabit bzw. Berlin-Mitte.

Inhaltsverzeichnis

Hintergründe und Geschichte

Wettbewerbsfähigkeit und Korruption (Competitiveness and corruption), präsentiert in einem Workshop in Prag, 1998

Anlass zur Gründung der Organisation war die Idee, die weltweite Korruption durch unabhängige Einflussnahme einer außenstehenden und vor allem für sich stehenden Kontrollinstanz zu bekämpfen. Zu dieser Erkenntnis kam Peter Eigen als Vorsitzender einer Consultative Group für Kenia. In dieser trafen sich die Geberorganisationen der Entwicklungshilfe, um sich darüber Gedanken zu machen, welche Maßnahmen für Kenia sinnvoll, erschwinglich und vorrangig waren.

Dabei stellte man fest, dass gerade teure Projekte, die sinnlos, umweltschädlich und unsozial für Mensch und Tier waren, gleichzeitig auch die besten Chancen hatten, verwirklicht zu werden. Die Projekte dagegen, die direkt vor Ort nicht selten mit den Betroffenen zusammen konzipiert worden waren, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, hatten regelmäßig das Nachsehen. Gründe waren ein dichtgestricktes Netz aus Klüngeln und Seilschaften, die diejenigen Projekte verwirklicht sehen wollten, die ihnen am meisten nutzten. Lobbyisten aus dem Norden verbündeten sich mit den Verkäufern der großen Unternehmen, die den Bau ihrer Pipelines, Eisenbahnen und Fabriken so günstig und rücksichtslos vorantreiben wollten und dafür mit Kommunalpolitikern, Beamten und Landlords klüngelten. Hierbei machte sich niemand die Mühe, diese Machenschaften zu verschleiern. Korruption wurde ganz offen betrieben und war nach deutschem Recht sogar legal und steuerbegünstigt. Somit konnte sie auch mit offizieller Förderung wie Exportkrediten rechnen.

Eigen beschloss im Jahr 1993 mit jungen politischen Führern aus Afrika, Asien und Lateinamerika und weiteren Mitarbeitern der Weltbank, insgesamt 70 Personen, in der Borsigvilla in Berlin einen gemeinnützigen Verein zu gründen. Die damalige Situation bot ein günstiges Umfeld: Der alte Eiserne Vorhang war mit der Deutschen Einheit endgültig gefallen, der Kern der EU fügte sich gerade zusammen, die Golfkriege in Iran und Irak und der Bürgerkrieg in Jugoslawien hatten die Menschen für das Unrecht sensibilisiert und aus den USA „wehte der demokratische Wind“ der Clinton-Ära. Die Ideale von TI fielen auf fruchtbaren Boden, provozierten aber im Gegenzug auch Abwehr und Kritik.

Auf der Mitgliederversammlung der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. in Berlin wurde am 21. Oktober 2007 die Frankfurter Juristin Sylvia Schenk zur neuen Vorsitzenden des Vereins gewählt. Damit löst sie Hansjörg Elshorst ab, der nach fünf Jahren Vorsitz nicht erneut kandidiert hatte. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden der ehemalige Allianz-Manager Peter von Blomberg und die frühere Präsidentin des Bundesrechnungshofes Hedda von Wedel gewählt.

Philosophie der Bewegung und ihre Vorgehensweise

Transparency International trägt ihr Grundkonzept bereits im Namen. In der Vielfältigkeit der verschiedenen Korruptionsarten ist nach den Prinzipien der Organisation als großer gemeinsamer Nenner, als Lösungsansatz, einzig und allein die Transparenz entscheidend, die es möglich macht, Korruption zu unterbinden bzw. in konstruktive Bahnen zu leiten. Denn hat aus dem Blickwinkel dieses Systems auch jedwede Korruption in Gesellschaft und Wirtschaft ihren Sinn – sie ist das Symptom für eine Fehlfunktion im System und wenn man die Korruption bekämpfen möchte, muss man ihr den Nährboden entziehen:

  • durch konsequente Offenlegung und Transparenz der Dinge und Verfahrenswege,
  • durch laufende Kontrolle durch unabhängige Inspektoren,
  • durch Überzeugungskraft und Akzeptanz gegenüber Betroffenen und Tätern
  • durch sorgfältige Auswahl und Rotation des Personals in den betroffenen Bereichen,
  • Mehr-Augen-Prinzip bei finanzwirksamen Entscheidungen
  • lückenlose Dokumentation, insbesondere im Vergabe- und Beschaffungsbereich.

Die meisten Korruptionsanklagen finden auf internationaler Ebene in Staaten statt, die von Armut betroffen sind (etwa in Südamerika und Afrika). Gerade in diesen Staaten hat sich ein regelrechter Teufelskreis aus Armut und Korruption gebildet, der aus eigener Kraft von den Staaten kaum mehr zu durchbrechen ist und sie dadurch anfällig macht für äußere politische Einflussnahme. Ein gewisser „Korruptionsaufschlag“ wird bei Investitionsprojekten oft vorausgesetzt (meist zehn Prozent der Gesamtsumme) und in Entwicklungshilfeprojekten vorwiegend aus Steuergeldern finanziert. Gleichzeitig werden Steuergelder eingesetzt, um in demselben Land die Korruption wieder zu bekämpfen. So gesehen ist es oft im Interesse ausländischer Machthaber oder Konzerne, die Korruption in einem Lande zu fördern oder gar einzuführen, um sich zu bereichern.

Der Ansatz von TI ist im Gegensatz etwa zu demjenigen von Greenpeace nicht konfrontativ, sondern konsensual, d. h. den Regierungs- bzw. Konzernchefs als gleichgestellter Unterstützer und Helfer in Sachen Korruption zur Seite zu stehen und ihnen mit Vernunft und Verständnis zu begegnen – ein Ansatz, der nicht immer gerne gesehen wurde und wird und nicht selten im Kreuzfeuer der Kritik steht – gerade von anderen nichtstaatlichen Organisationen (engl. non-governmental organizations, kurz NGOs), wie Attac oder Greenpeace, die ihre Popularität aus der Macht der Masse bzw. der Straße beziehen. TI gilt heute als eine der erfolgreichsten Antikorruptionsbewegungen der Welt, die inzwischen Büros in über 90 Staaten betreibt.

Finanzierung und Organisation

Die ausländischen Büros unterliegen bilateraler und multilateraler Finanzierung und Organisation. Die Dachgesellschaft Transparency International legt Wert darauf, dass die Tochterbüros so autark wie möglich in ihren jeweiligen Heimatländern bzw. Einsatzgebieten aktiv werden können, da von Land zu Land und von Kultur zu Kultur andere Regeln beachtet werden müssen und sollen. Auch die Definition von Korruption wird in jedem Lande individuell vorgenommen; Transparency International ist daran gelegen, die Sensibilität vor Ort zu beachten.

Transparency International ist allgemein als gemeinnützige Gesellschaft anerkannt und bemüht, sowohl politisch als auch wirtschaftlich und zivil unabhängig zu bleiben. Kritiker weisen darauf hin, dass auf diese Weise immer wieder versucht wird, auf Entscheidungen und Vorgehensweisen Einfluss zu nehmen. TI bemüht sich, ihre Finanzen beispielhaft transparent zu halten. Eine umfassende Liste sämtlicher finanziellen Ströme ist auf der Homepage www.transparency.org einzusehen. Vorstand und Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Der größte Teil des Geldes kommt von

Zudem werden TI Deutschland Bußgelder von diversen Staatsanwaltschaften zur Verfügung gestellt. Die deutsche Sektion hatte 2004 ein Jahresbudget von 122.459 Euro. Die Mutterorganisation Transparency International verfügt nach eigenen Angaben z. Z. über ein Budget von über 6.000.000 US-$ im Jahr.

Ziele und Arbeitsweise

Um Korruption sinnvoll bekämpfen zu können, entwickelten die Gründer drei Grundprinzipien, auf deren Basis sie agieren wollten.

Bildung von Koalitionen

Um die Komplexität von Korruption zu begreifen, musste man die Gründe und Mechanismen durchschauen und verstehen lernen. Daher wollte TI nicht, wie z. B. Amnesty International, Einzelfälle verfolgen, sondern die Schwachstellen in Gesetzen, Institutionen oder Systemen in den betroffenen Ländern aufdecken und für Reformen sorgen, indem sie mit ihnen zusammenarbeiten. Transparency International versucht, sich nicht aufzudrängen, sondern die Vernunft der Betroffenen und Beteiligten im sachlichen Disput zu erreichen, Koalitionen zu bilden, im klaren Wissen, dass Umdenken nicht in ein paar Stunden, sondern durch harte Arbeit in Kombination mit ständigen Nachhaken mit Kontrolle und Konsequenzen bei Nichtbeachtung der Regeln geschieht. Als gutes Beispiel für die freiwillige Selbstkontrolle wird die in Amerika praktizierte sentencing guideline angeführt. Diese setzt auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen, sich der Kontrolle einer unabhängigen Institution anzuvertrauen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Angesichts der hohen Strafen für nachgewiesene Korruption ist dies für Unternehmen in den USA billiger und praktischer – zumal sie nicht fürchten müssen, auf „schwarzen Listen“ angeprangert oder von Ausschreibungen ausgeschlossen zu werden.

Dezentrale Arbeit

TI gliedert ihre nationalen Büros (national chapters) in Regionalgruppen und Arbeitsgruppen auf, die fallbezogen auch selbständig agieren können. Transparency International vermeidet es, sich direkt in die Belange ihrer national chapters einzumischen und richtet sich in ihrer internationalen Arbeit ausschließlich nach deren Anweisungen („Dezentralismus“). So sollen die lokalen zivilgesellschaftlichen Kräfte mobilisiert und gefördert werden. „Missionarische“ Tendenzen, mit denen bereits existierende oder gerade langsam anwachsende „gesunde“ Gesellschaftsethiken überrollt oder gar erstickt werden könnten, möchte man möglichst unterbinden.

Ganzheitlicher „Gesundungsansatz“

Im Annual Report (Jahresbericht) werden die Analysen und Forschungsergebnisse zum Vorjahr zusammengefasst. Zusätzlich werden Einzelergebnisse zu speziellen Themen (Bribe-Payers-Survey, Korruptions-Sonderbroschüre) gesondert veröffentlicht. Die Indizes und Statistiken werden anhand der gesammelten Informationen und Analysen ständig erneuert. Wichtig für die Arbeit ist der ständige Kontakt sowohl zu Betroffenen als auch zu „Tätern“. Transparency International geht davon aus, dass korrupte Regierungen und Konzerne die Zusammenarbeit mit TI zur Verschleierung ihrer Aktivitäten missbrauchen können. Diese Kooperation wird gerade von anderen NGOs immer wieder kritisiert, macht aber aus Sicht von TI den eigenen Erfolg aus.

Transparency International veröffentlicht regelmäßig drei Indizes zum Thema Korruption:

  • Corruption Perceptions Index (CPI): Der bekannteste Index von TI. Er listet jährlich Länder danach auf, wie korrupt Politik und Verwaltung im Vergleich wahrgenommen werden. Dabei reicht der Indexwert von 0 (völlig korrupt) bis 10 (völlig unkorrupt). 2008 umfasste der CPI 180 Staaten. Erstellt wird der Index von Johann Graf Lambsdorff, einem Professor an der Universität Passau, der dazu eine Vielzahl bestehender Umfragen auswertet. Befragt werden in erster Linie jeweils ausländische Länderanalysten und Geschäftsleute. Im Jahr 2008 galten Dänemark, Schweden und Neuseeland mit einem Wert von jeweils 9,3 als die am wenigsten korrupten Länder der Welt, gefolgt von Singapur (9.2). Am schlechtesten schnitten Irak (1,3), Myanmar (1,3) und Somalia (1,0) ab. Die Schweiz (9,0) lag auf Platz 5, Österreich (8,1) auf Platz 12, Deutschland (7,9) auf Platz 14.
  • Bribe Payers Index (BPI): Der BPI listet auf, aus welchen Ländern die höchsten Korruptionszahlungen kommen.
  • Globales Korruptionsbarometer: Für das Korruptionsbarometer werden Privatleute befragt, welche Lebensbereiche von Korruption wie stark betroffen sind.

Im Transparency International´s Quarterly Newsletter (TI Q) sind die Zwischenergebnisse zusammen mit anderen Nachrichten, Ereignissen und Ergebnissen rund um die Welt der Korruption auf der Homepage einzusehen oder als Heft kostenlos von TI zu beziehen.

Spezielle Angebote

Transparency International bietet auf der Homepage verschiedene Materialien zum kostenlosen Herunterladen an:

  • Ein Source Book, eine Art „Kochbuch“ gegen Korruption, das inzwischen in 25 Sprachen erhältlich ist
  • Das ABC der Korruptionsprävention, eine Art Leitfaden für Unternehmen als Hilfe zur Selbsthilfe. Sie enthält die relevanten Stichworte von A wie Abhängigkeit bis Z wie Zweifelsfälle.
  • Die Satzung von Transparency International, in der sich sämtliche Mitglieder und Interessierte zur Korruptionsbekämpfung auch im „kleinsten Kreise“ verpflichten
  • Regionale und überregionale Veranstaltungsinformationen über Workshops, Vorträge und sonstige Vorgänge in Sachen nationaler und internationaler Korruptionsbekämpfung.

Erfolge

Das Hauptziel ist die idealistische Vision von der totalen und weltweiten Ausmerzung der Korruption. Auf dem Weg zu dieser Vision hat Transparency International bereits einige Erfolge und Teilerfolge erzielen können:

International (Auszug)

  • Veränderung des Bewusstseins bei Weltorganisationen wie z. B. der Weltbank, ganz besonders vorangetrieben durch deren neunten Präsidenten James David Wolfensohn
  • weltweite Konvention gegen Korruption bei den Vereinten Nationen (vorgestellt 2003 in Mexiko)
  • OECD-Konvention gegen die Bestechung ausländischer Hoheitsträger von 1997, in der sich 34 „reiche“ Exportländer verpflichten, die Bestechung im Ausland durch ihre Exporteure zu verhindern
  • Umsetzung dieser Gesetze in nationales Recht, z. B. kann in Deutschland für eine im Ausland erfolgte Bestechung angeklagt und auch rechtskräftig verurteilt werden.

National (Auszug)

  • Erarbeitung einer Bewertung der OECD-Konvention in deutsches Recht und Forderung der Fortentwicklung und Anwendung der Antikorruptionsgesetze. So reichte TI Deutschland im Juni 2002 für die Phase II des Überwachungsprozesses eine detaillierte Stellungnahme zum Stande der Korruptionsbekämpfung ein.
  • Einflussnahme auf die Formulierung des Steueranpassungsgesetzes vom März 1999, das zunächst formal die steuerliche Absetzbarkeit von Bestechungs- und Schmiergeldern abgeschafft hat. Transparency International verfolgt das Ziel, dass die Praxis der Finanzbehörden dem klaren Willen des Gesetzgebers folgt und keine De-facto-Absetzbarkeit von Schmiergeldzahlungen im In- und Ausland geduldet wird.
  • Seit Beginn des Jahres 1999 sind TI und TI-Deutschland gegenüber der OECD, der EU und der Bundesregierung aktiv gewesen, um zu erreichen, dass die Exportkredit– und Exportversicherungsinstitutionen der OECD-Mitgliedsstaaten (die ECAs) Exportgeschäfte nicht decken dürfen, wenn sie durch Schmiergeldzahlungen oder Korruption zustande kamen. Seit langem wird versucht, durch klare Regelungen für die öffentliche Exportkreditförderung eine international wirksame Grundlage zu erwirken.
  • In Deutschland drängt die Organisation unter anderem auf ein generelles Recht auf Akteneinsicht, ein restriktiveres Parteispendengesetz, die Offenlegung von Nebeneinkünften, transparentere Regelungen im Vergabewesen und mehr Transparenz im Gesundheitswesen.

Kritik an Transparency International

Beziehung zur Weltbank

Ein wichtiger Kritikpunkt war, besonders unter dem alten Weltbankdirektor Barber B. Conable, dass der öffentliche Einsatz eines Weltbankdirektors gegen Korruption dem guten Ruf des Hauses schade. Ein weiterer Kritikpunkt war, wie es rechtlich handzuhaben sei, dass Unternehmen, die der Korruption überführt wurden, nach TIs Forderung auf „Schwarzen Listen“ verzeichnet werden sollten, die frei auf der Homepage der Weltbank einzusehen sein sollten.

Die Lösung lag schließlich in der Feststellung, dass die Weltbank einem eigenen rechtlichen Regime entspringt und daher nationalen Bestimmungen nicht unterworfen ist. Gegenargumente von Vertretern wirtschaftlicher Interessenverbände, die beklagten, dass mit einer „Schwarzen Liste“ auch unschuldige Mitarbeiter der Unternehmen in Generalverdacht geraten würden, wurden mit der Feststellung abgewehrt, dass die Angestellten eines von Korruption betroffenen Unternehmens nicht schutzwürdiger seien als die eines nicht von Korruption betroffenen. Schließlich handele es sich bei der Vergabe von Aufträgen um ein Nullsummenspiel, bei welchem dem Vorteil des einen Unternehmens stets ein Nachteil der Konkurrenzunternehmen entgegensteht.

Beziehung zu internationalen Banken

Im Zusammenhang mit der Strafverfolgung von Geldwäsche befürchteten viele Kreditinstitute das Fernbleiben von „Potentatengeldern“, z. B. von international geächteten Diktatoren wie Suharto und Abacha, wenn sie sich zu offensiv gegen Korruption engagieren – aber letztlich hat auch hier ein Umdenken eingesetzt, vor allem in der zunehmenden Zusammenarbeit mit schweizer und auch deutschen Ermittlungsbehörden. Keiner schmückt sich gerne mit dem Vorwurf, Völkermörder und Diktatoren zu unterstützen – auch wenn es nur um die Aufbewahrung ihrer Gelder geht.

Ein einschlägiges Gesetzesvorhaben über die Einführung der Informationsfreiheit in Deutschland scheiterte 2003 hauptsächlich auf Druck der Industrie, aber auch am Widerstand der einzelnen Ministerien, deren Vertreter der Ansicht waren, zu viel Transparenz sei vielleicht schädlich, obwohl dem widersprach, dass erfahrungsgemäß Länder, in denen traditionell ein waches Bewusstsein in Sachen Transparenz wirkt (zum Beispiel in den skandinavischen Ländern), immer ganz oben auf dem nationalen Korruptionsindex zu finden sind, im Gegensatz zu Deutschland, das 2004 recht abgeschlagen auf Platz 20 stand.

Beziehung zur Großindustrie

Kritik an TI erwächst auch aus der Tatsache, dass sich der Verband zu einem großen Teil aus Spenden der Großindustrie finanziert. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel stammt mehr als ein Drittel der Spendeneinnahmen in Deutschland von Unternehmen.[1] Allerdings begrenzt Transparency Deutschland die Mitgliedsbeiträge von Unternehmen auf 5.000 Euro jährlich, um die eigene finanzielle Unabhängigkeit zu sichern. Der Beitritt von Großkonzernen falle, so Eltermann, zeitlich häufig mit der Einleitung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens zusammen. Auf diese Weise diene TI als öffentliches „Feigenblatt“ und politische Lobbygruppe der Großindustrie. Als weiteres Indiz wird die Zugehörigkeit des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Peter von Blomberg zur Geschäftsführung der Allianz AG und zum Aufsichtsrat der RWE angeführt. Kooperative Mitglieder von TI Deutschland müssen sich einem "Code of Conduct" (Verhaltensregeln) unterwerfen, in dem sie sich verpflichten, von jeglicher Korruption Abstand zu nehmen. Vorgeschrieben sind darüber hinaus entsprechende Mitarbeiterschulungen. Verfolgt ein Unternehmen interne Korruptionsfälle nach Auffassung von Transparency nicht streng genug, kann ihm die Mitgliedschaft entzogen werden, was in der Vergangenheit bereits passierte.

Der französische Journalist Christian de Brie von der Zeitung Le Monde diplomatique formuliert seine Kritik an der Organisation noch schärfer:

Transparency International ist ein Unternehmen, das von großen Korrupten auf die Beine gestellt wurde, das heißt alle großen multinationalen Unternehmen der Welt stecken da mit drin […] – das ist so, als ob man dem Fuchs die Aufsicht über einen Hühnerstall übertragen würde und ihn darum bittet, systematisch die Mäuse zu denunzieren, die die Maiskörner der Hühner knabbern.

– Christian de Brie in der 2003 von ARTE ausgestrahlten Dokumentation "Weiße Westen – Schwarze Kassen"

Dem wird entgegengehalten, dass Transparency nicht von Unternehmen gegründet wurde, nicht an der Aufdeckung von Korruptionsstraftaten arbeite, also auch über niemanden eine schützende Hand halten könne.

Dennoch gibt es keine klare Trennung der Aktivitäten von Transparency nahe stehenden Personen und in Korruptionsaffären verwickelten Großunternehmen. So wurde der Transparency-Mitbegründer Michael J. Hershman im Zuge der Siemens-Korruptionsaffäre von Siemens zum "Compliance-" (Kontroll-)"Berater" berufen[2]. Dies geschah just wenige Tage nach der Ankündigung des Rauswurfs von Siemens als Transparency Mitglied[3].

Beziehung zum deutschen Gesundheitswesen

TI veröffentlichte am 12. November 2004 in Berlin eine Studie („Schwachstellenanalyse“) über Betrug und Korruption von Seiten bundesdeutscher Krankenkassen, Ärzte, Apotheker, Pharmaindustrie, Forscher und Versicherter. Die TI-Sprecherin Anke Martiny schätzte den Verlust, der dadurch dem deutschen Gesundheitswesen entsteht, auf 3-10 %, das wären zwischen 6 und 20 Milliarden Euro. Sowohl Pharma- als auch Ärzteverbände wandten prompt ein, dass TI willkürlich Zahlen aus den USA auf Deutschland übertragen hätte. Die Nichtregierungsorganisation erwiderte hierzu, dass eine europäische Konferenz zur Korruption im Gesundheitswesen im Oktober 2004 in London eine solche Übertragung für zulässig und für angemessen erklärt habe.

Die Anfälligkeit für Betrug im deutschen Gesundheitswesen sei unter anderem durch die Unübersichtlichkeit und Unkontrollierbarkeit des föderalen Systems bedingt. Denn im bevölkerungsreichsten Einzelstaat innerhalb der EU gebe es neben dem Bundesministerium für Gesundheit auch noch 16 Landesministerien, mindestens ebensoviele Kassenärztliche Vereinigungen und etwa 300 Krankenkassen, die als Akteure an der Verwaltung der nationalen Gesundheitsausgaben beteiligt seien. Als besonders „strukturell korruptionsanfällig“ bezeichnete der Pharmakologe Peter Schönhöfer aus dem Beirat von TI auf der Pressekonferenz insbesondere den Pharmabereich. Die Pharmaindustrie vermarkte ihre Produkte, indem sie Ärzte, Apotheker und Wissenschaftler mit gesponserten Konferenzen, Software und anderen Zuwendungen massiv beeinflusse. Eine Beziehung zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Korruption wurde zum ersten Mal in einem TI-Workshop Corruption — how and why to avoid it in Prag diskutiert (November 1998).

Kritik in Blogs

Im März 2006 ging TI Deutschland gegen die Verfasserin eines privaten Weblogs [4] vor, die im Januar über die ihrer Meinung nach unfaire Kündigung einer Freundin nach deren Probezeit bei TI Deutschland geschrieben hatte. Der Justiziar und Ethikbeauftragte der Organisation, Jürgen Marten, verlangte die Löschung des Artikels und drohte mit rechtlichen Schritten. Dieses Vorgehen wurde in verschiedenen Weblogs, nicht nur im deutschsprachigen Raum, kritisch und durchweg ablehnend kommentiert. Auch etablierte Medien berichteten über den Vorfall [5]. TI wurde der Vorwurf gemacht, sich in diesem Fall nicht an die eigenen ethischen Grundsätze zu halten. Nachdem die Verfasserin des Blogs ihrerseits über ihren Anwalt gegen TI eine Strafanzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede angekündigt und eine Unterlassungserklärung gegen die Behauptung eingefordert hatte, sie habe Unwahrheiten verbreitet, verzichtete TI auf weitere rechtliche Schritte.

Im Rahmen des medialen Interesses an den Vorgängen veröffentlichte die Onlineausgabe der Tagesschau einen Artikel, in dem auch Jochen Bäumel, ein Vorstandsmitglied von TI Deutschland und Korrespondent a. D. der ARD, zitiert wird. Von Bloggern wurde der Bericht als einseitig TI-freundlich beurteilt und die Tatsache, dass die erste Fassung des Textes [6] wenig später überarbeitet wurde [7], als Bestätigung dieser Ansicht gewertet. In diesem Zusammenhang wiesen sie auch darauf hin, dass Jochen Bäumel sich zuvor im Namen von TI gegen zusätzliche gesetzgeberische Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ausgesprochen hatte („Ich halte die gesetzlichen Regelungen für ausreichend. Die Anstalten könnten aber zusätzliche Anstrengungen unternehmen um Korruption zu verhindern.“ [8]) und sehen in diesem Vorfall ein Beispiel dafür, wie personelle Verflechtungen mit anderen Organisationen die Glaubwürdigkeit von TI beeinträchtigen können.

Weblinks

Belege

  1. Claudia Eltermann: Feigenblatt der Großindustrie, Der Spiegel vom 4. November 2003
  2. Siemens verstärkt Compliance Organisation
  3. Transparency International wirft Siemens raus
  4. Blog: gedankenträger
  5. David Fischer-Kerli: Gebloggte Meinungen, taz vom 29. März 2006
  6. Fiete Stegers: Transparency International im Clinch mit Weblogs, tagesschau.de, 28. März 2006
  7. Fiete Stegers: Transparency International im Clinch mit Weblogs, tagesschau.de, 30. März 2006
  8. Korruption bei den Öffentlich Rechtlichen – Interview mit Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied von «Transparency International – Deutschland e.V.». medienhandbuch.de, 11. August 2005

Literatur

  • Global Corruption Report 2007. Corruption in Judicial Systems (Transparency International Global Corruption Reports) von International Transparency von Cambridge University Press, 2007, ISBN 0521700701.
  • Jahrbuch Korruption 2006. Parthas Verlag, Berlin 2007, ISBN 3866018665
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