Totale Faktorproduktivität

Totale Faktorproduktivität

Die Totale Faktorproduktivität ist ein Maß für die Produktivität. Sie gibt an, welcher Teil des Wachstums der Produktion nicht auf ein Wachstum des Einsatzes der Produktionsfaktoren (in der Regel Arbeit und Kapital) zurückgeführt werden kann, sondern sozusagen als unerklärter Rest übrig bleibt. Es bietet sich an als Ursache für diesen Teil des Wachstums des Produktionsergebnisses den technischen Fortschritt anzunehmen.

Mit Hilfe der Solow-Wachstumszerlegung kann das Wirtschaftswachstum, d.h. das Wachstum des gesamtwirtschaftlichen Outputs Y, als Summe eines Wachstumsbeitrages des Produktionsfaktors Arbeit A, des Produktionsfaktors Kapital K und eines verbleibenden Rests, das Solow-Residuum, aufgeteilt werden. Dieser Rest wird als totale Faktorproduktivität bezeichnet und kann als Maß für den technischen Fortschritt angesehen werden.

Mathematisch wird das totale Differential einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion mit konstanten Skalenerträgen gebildet (dass eine solche Produktionsfunktion vorliegt, ist eine Annahme) und dann nach der Zeit abgeleitet. Nach Division mit Y erhält man als Ergebnis die Wachstumsrate des Outputs Y als die Summe der Wachstumsraten der Produktionsfaktoren Arbeit A und Kapital K jeweils gewichtet mit den Grenzproduktivitäten von A und K (also den partiellen Ableitungen von Y nach A bzw. K).

Unter der Annahme vollkommener Konkurrenz auf den Güter- und Faktormärkten entsprechen diese Grenzproduktivitäten den Einkommensanteilen der Produktionsfaktoren A und K, die sich zu 1 (oder 100 %) summieren.

Beobachtbar sind (im Prinzip) die Wachstumsraten von Y, A und K und die Einkommensanteile der Produktionsfaktoren von A und K. Die Solow-Wachstumszerlegung kann also empirisch überprüft werden. Normalerweise ist festzustellen, dass die Summe der Produktionsfaktorenwachstumsraten gewichtet mit den Einkommensanteilen der Produktionsfaktoren eine Outputwachstumsrate ergibt, die kleiner als die beobachtete ist. Die Differenz ist die empirisch ermittelte totale Faktorproduktivität, die wie gesagt auch als ein Maß für den technischen Fortschritt verstanden werden kann.

Die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion mit konstanten Skalenerträgen lautet:

             Y = c \cdot K^a \cdot A^{1-a}.

Logarithmieren:

            \log Y = \log c + a \cdot \log K + (1-a) \cdot \log A.

Nach der Zeit abgeleitet unter der Berücksichtigung, dass

             d/dt {\log Y} = {\dot Y \over Y} = \hat Y

erhält man die Solow-Wachstumszerlegung:

             {\dot Y \over Y} = a \cdot {\dot K \over K} + (1-a) \cdot {\dot A \over A}.

Die Wachstumsrate von Y ist also die gewichtete Summe der Wachstumsraten von K und A. Wenn die tatsächlichen Wachstumsraten beobachtet vorliegen und wenn a als Einkommensanteil von K bzw. (1-a) als der Einkommensanteil von A ebenfalls bekannt ist, kann diese Gleichung überprüft werden. Sie stimmt in der Regel nicht, sondern es gilt:

             {\dot Y \over Y} = a \cdot {\dot K \over K} + (1-a) \cdot {\dot A \over A} + TFP.

wobei TFP die totale Faktorproduktivität ist.

TFP als Erklärung für das Asiatische Wunder

Die Wachstumstheorie gliedert Wachstum in Faktorakkumulation und Veränderungen der TFP. Um das enorme Wachstum der Asiatischen Tigerstaaten von 1960 bis in die 90er zu erklären, argumentieren die Weltbank (1993) und andere mit Hilfe von Schätzungen der TFP. Sie kommen zu dem Schluss, dass ein nicht unerheblicher Teil des asiatischen Wachstums auf der erfolgreichen Assimilierung westlicher Technologien basiert und die weitergehende technische Diffusion als potentielle Chance für andere Entwicklungsländer genutzt werden kann (=Anstieg der TFP).

Kritik am TFP Konzept

Diese Sichtweise wurde von Young und anderen in verschiedenen empirischen und theoretischen Arbeiten herausgefordert. Kernpunkte der Kritik sind die theoretische Konstruktion der TFP und deren empirische Messung. Young, Kim und Lau erzielen deutlich abweichende Ergebnisse, mit dem Schluss, dass das asiatische Wirtschaftswachstum rein auf Faktorakkumulation zurückzuführen ist. TFP Wachstum sei für Asien nicht signifikant. Paul Krugman fügt der Diskussion eine weitere, historische, Komponente hinzu. Er zieht Parallelen zwischen dem wirtschaftlichen Aufstieg der Tigerstaaten mit dem Aufstieg der Sowjetunion. Er warnt vor der Angst, die Tigerstaaten könnten durch Ihren Aufstieg den Wohlstand in den Industrieländern gefährden und prognostiziert aufgrund der Natur Ihres Wirtschaftswachstums einen baldigen Rückgang des Wachstums. Seit Ende der 90er Jahre scheint die Diskussion zu ruhen. Young et al. haben sich offenbar mit Ihrer Kritik durchgesetzt, obwohl auch sie keinen „Sieg“ erringen konnten. Das Konstrukt der TFP und der makroökonomischen Basis werden zunehmend durch andere, eher mikroökonomische Ansätze ersetzt. Eine gute Zusammenfassung findet sich bei Felipe (1997).

Literatur

  • Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Zur Entwicklung der Produktivität in Deutschland, Deutsche Bundesbank Monatsbericht September 2002. (PDF-Datei; 367 kB)
  • Collins, Bosowrth and Rodrik (1996): “Economic Growth in East Asia: Accumulation versus Assimilation”, Brookings Papers on Economic Activity
  • Felipe (1997): “Total Factor Productivity Growth in East Asia: A critical survey”, EDRC Report Series No.65
  • Kim and Lau (1994); “The Sources of Economic Growth of the East Asian Newly Industrialized Countries”, Journal of Japanese and International Economies
  • Kim and Lau (1996): “The Sources of Asian Pacific Economic Growth”, The Canadian Journal of Economics, Vol. 29
  • Krugman (1994): “The myth of Asia’s miracle”, Foreign Affairs
  • Nelson and Pack (1999): “The Asian Miracle and Modern Growth Theory”, The Economic Journal
  • Pack and Page (1994): “Accumulation, exports, and growth in the high-performing Asian economies”, Carnegie-Rochester Conferences Series on Public Policy 40
  • Pack and Page (1994): “Reply to Alwin Young”, Carnegie-Rochester Conference Series on Public Policy 40
  • Pack and Page (1999): “The Asian Miracle and the Modern Growth Theory”, The Economic Journal
  • World Bank (1993):”The East Asian Miracle. Economic Growth and Public Policy”, Oxford University Press
  • World Bank(2006): “An East Asian Renaissance. Ideas for Economic Growth”, IBRD
  • Young, A (1994): “Accumulation, exports and growth in the high performing Asian economies - A comment”
  • Young, A (1995): “The Tyranny of numbers: confronting the statistical realities of the Est Asian growth experience”, Quarterly Journal of Economics

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