Torquato Tasso (Goethe)

Torquato Tasso (Goethe)
Daten des Dramas
Titel: Torquato Tasso
Gattung: Schauspiel
Originalsprache: Deutsch
Autor: Johann Wolfgang von Goethe
Erscheinungsjahr: 1790
Uraufführung: 16. Februar 1807
Ort der Uraufführung: Weimar
Ort und Zeit der Handlung: Belriguardo, einem Lustschlosse.
Personen
  • Alfons der Zweite, Herzog von Ferrata
  • Leonore von Este, Schwester des Herzogs
  • Leonore Sanvitale, Gräfin von Scandiano
  • Torquato Tasso
  • Antonio Montecatino, Staatssekretär

Torquato Tasso ist ein Schauspiel in fünf Aufzügen von Johann Wolfgang von Goethe, das den italienischen Dichter Torquato Tasso (1544-1595) in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Das Stück, das sich streng an die klassische Regel von den drei Einheiten des Orts, der Zeit und der Handlung hält, entstand zwischen dem 30. März 1780 und dem 31. Juli 1789. Im Februar 1790 lag das Werk im Druck vor, wurde aber erst am 16. Februar 1807 in Weimar uraufgeführt. .

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Das Stück spielt an einem Frühlingstag (um das Jahr 1577), Schauplatz ist Belriguardo, ein Lustschloss von Alfons II., dem Herzog von Ferrara. Thema des Dramas ist - neben der Liebe des jungen Tasso zur Prinzessin von Este, der Schwester des Herzogs - die Rolle des Dichters in der höfischen Gesellschaft. Wenn Tasso sagt: „Einen Herrn / Erkenn ich nur, den Herrn, der mich ernährt,/ Dem folg ich gern, sonst will ich keinen Meister. / Frei will ich sein im Denken und im Dichten! / Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein.“, so meint er mit dem Herrn den Herzog, mit dem Meister den Staatssekretär Antonio Montecatino und mit der Welt den Fürstenhof.

Handlung

Eingangsportal zum „Lustschloss“ Belriguardo in Voghiera bei Ferrara
Erster Aufzug
Gartenplatz

Die Prinzessin und die Gräfin von Scandiano, Leonore Sanvitale, bekränzen die Statuen des Vergil und des Ariost. Dabei unterhalten sie sich über Tasso. Leonore schildert den Poeten:

Sein Auge weilt auf dieser Erde kaum;…
Das weit Zerstreute sammelt sein Gemüt,
Und sein Gefühl belebt das Unbelebte.
Oft adelt er, was uns gemein erschien,
Und das Geschätzte wird vor ihm zu nichts.
In diesem eignen Zauberkreise wandelt
Der wunderbare Mann und zieht uns an.

Der Herzog kommt hinzu und prognostiziert zum Problem Tasso:

Die Menschen fürchtet nur, wer sie nicht kennt
Und wer sie meidet, wird sie bald verkennen.
Das ist sein Fall, und so wird nach und nach
Ein frei Gemüt verworren und gefesselt.

Im Verlaufe der Handlung wird sich zeigen, dass dies alles genau mit Tasso geschehen wird. Der Herzog lässt aber Tasso in Ruhe und bittet auch die Damen: Stört ihn, wenn er denkt und dichtet, in seinen Träumen nicht.

Tasso kommt und übergibt dem Herzog sein neuestes poetisches Werk. Der Herzog ist entzückt und winkt seiner Schwester. Es geschieht das erste der mindestens drei außerordentlichen Vorkommnisse in diesem Schauspiel. Die Prinzessin nimmt Vergils Kranz, und Tasso empfängt kniend die schöne Last auf sein schwaches Haupt. Leonore applaudiert. Der Zuschauer weiß zu Beginn der Aufführung noch nicht, warum diese Begebenheit außergewöhnlich ist und warum Tasso den Kranz eigentlich nicht mag. Der Zuschauer denkt höchstens: Vorschusslorbeeren?

Indessen kommt Antonio von einem längeren Rom-Aufenthalt zurück. Der Weltmann weilte in des Herzogs diplomatischem Dienst in der Metropole und hatte Erfolg. Im Beisein aller anderen vier handelnden Personen missbilligt er die Auszeichnung Tassos und höhnt: wer drückte diesen Kranz auf Ariostens Stirne? Tasso schluckt die Beleidigung wortlos. Antonio darf wortreich weiter beleidigen. Der Herzog nimmt ihn beiseite, will von Rom hören. Tasso geht mit den Damen.

Zweiter Aufzug
Saal

Aus dem Zwiegespräch zwischen Tasso und der Prinzessin erfährt der Zuschauer, weshalb die Prinzessin Tasso schätzt. Die Prinzessin war todkrank. Als sie langsam genas, war es Tasso, der ihr unbekannt entgegentrat. Und Es fingen schöne Zeiten damals an. Tasso liebt die Prinzessin. Seine Liebeserklärung gipfelt in dem Satz: Erlaubt ist, was gefällt. Zu seinem Leidwesen weist ihn die Prinzessin in seine Schranken: Erlaubt ist, was sich ziemt. Doch ist nicht alles verloren, denn die Prinzessin hat keinen Bräutigam: Noch weiß ich kein Verhältnis, das mich lockte. Ermutigt entgegnet Tasso: Das göttlichste erfuhr ich nur in dir. Aber als er weiter auftrumpft, kommt die Ernüchterung: Nicht weiter, Tasso!

Die Prinzessin wünscht, Tasso und Antonio mögen Freunde sein. Tasso kommt dem Wunsch stürmisch nach und trifft auf einen reservierten Antonio. Tasso bittet unausgesetzt um gut Wetter: Hier ist meine Hand! Schlag ein! Doch Antonio beleidigt Tasso so lange, bis der Dichter den Degen blank zieht. Dies ist die schiere Unmöglichkeit an einem Fürstenhof, der sich als gewaltfreier Bezirk versteht. Das muss der Herzog bestrafen. Die Strafe fällt milde aus: Tasso! bleib auf deinem Zimmer. Tasso nimmt die Strafe ernster, als der Herzog sie gemeint hat. Der Herzog ist um Vermittlung bemüht und fordert Antonio auf: Stelle die Ruhe wieder her. Zuvor soll Leonore, so empfiehlt der Herzog weiter, Tasso Mit zarter Lippe zu besänftgen suchen.

Dritter Aufzug

Den beiden letztgenannten Wünschen des Herzogs wird nun entsprochen. Bevor Antonio Leonore vor seinen Karren spannt, erfährt der Zuschauer zunächst, weshalb Leonore Tasso interessant findet. Leonore möchte mit Tasso nach Rom oder Florenz gehen und könnte auf sein Gemüt als eine Freundin wirken. Die Prinzessin will sich aber Tasso nicht wegnehmen lassen, denn

Ich mußt ihn lieben, weil mit ihm mein Leben
Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt.

Als Leonore allein ist, kommt ans Licht, weshalb sie der Prinzessin Tasso abspenstig machen will. Leonore besitzt fast alles: Gemahl und Sohn und Güter, Rang und Schönheit. Aber, fragt sie sich Was fehlt dir noch? Ihre Antwort: Das, was vergänglich ist, bewahrt sein [Tassos] Lied. Die Dame ist auf den eigenen Nachruhm aus.

Als Antonio, vom Herzog ausgeschickt, die Szene betritt, will Leonore sehn, ob wir ihn zähmen können. Leonore ist Antonio nicht gewachsen. Es kommt andersherum. Er spannt sie - wie oben angekündigt - vor seinen Karren. Antonio setzt Tasso weiter herab: Die letzten Enden aller Dinge will sein Geist zusammenfassen; das gelingt kaum einem unter Millionen Menschen. Aber er will Tasso bei Hofe dulden. An Antonio soll es nicht liegen. Er sagt Leonore genau, was sie tun soll. Leonore soll zu Tasso hingehen und ihn ruhig stellen. Hernach wolle Antonio selbst zu Tasso aufs Zimmer und mit ihm reden.

Vierter Aufzug
Zimmer

Tasso, auf Weisung des Herzogs in seinem Zimmer harrend, glaubt, die Prinzessin sei sein. Als Leonore im Auftrag Antonios kommt, verhehlt er ihr die Kränkung nicht, die er von dem schroffen Mann erfahren hat. Als Tasso wieder allein ist, durchschaut er Leonore: Nun kommt sie als ein Werkzeug meines Feindes, sie schleicht heran und zischt mit glatter Zunge, die kleine Schlange, zauberische Töne. Leonores Angebot, mit ihr nach Florenz zu gehen, nimmt Tasso nicht an. Ich will hinweg, und weiter, als ihr denkt.

Antonio sucht Tasso in seinem Zimmer auf, bringt ihm die Freiheit wieder und rät ihm, den Hof nicht zu verlassen. Vollende hier dein Werk, hier ist dein Platz. Tasso besteht darauf, er will nach Rom. Entweder er oder Antonio soll den Herzog darum bitten. Antonio hält nichts von dieser Idee, doch er geht.

Wie zuvor Tasso Leonore durchschaut hat, so glaubt er nun auch Antonio zu durchschauen. Er [Antonio] spielt den Schonenden, den Klugen, daß man nur recht krank und ungeschickt mich finde, bestellet sich zum Vormund, daß er mich zum Kind erniedrige. Die Ankunft dieses Manns hat sein ganz Geschick zerstört, überlegt Tasso. Und was das Schlimmste für ihn ist, Auch du! Geliebte Fürstin, du entziehst dich mir! In diesen trüben Stunden hat sie mir kein einzig Zeichen ihrer Gunst gesandt.

Fünfter Aufzug
Garten
Alfons II. Herzog von Ferrara

Antonio teilt dem Herzog Tassos Wunsch mit. Eigennützig will der Herzog Tasso nicht an benachbarte italienische Herrscher verlieren. Antonio hält dem Herzog alle schlechten Eigenschaften Tassos vor. Während Antonio Tasso zum Bleiben am Hofe riet, rät er dem Herzog, Tasso nach Rom zu entlassen, denn sein launisch Mißbehagen ruht auf dem breiten Polster seines Glücks.

Tasso erbittet vom Herzog sein letztes poetisches Werk zurück, weil er in Rom daran feilen möchte. Der Herzog betrachtet das Gedicht als sein Eigentum. Er denkt nicht an Rückgabe, sondern verspricht eine Kopie. Spätestens jetzt ahnt der Zuschauer, weshalb Tasso eingangs den Lorbeerkranz nicht mochte. Der Dichter fühlt sich unverstanden, allein gelassen. Tasso hält sein Werk für verbesserungsbedürftig. Der kunstsinnige Herzog missbraucht das schöne Gedicht zur Selbstdarstellung. Die Prinzessin, die Tasso so liebt, versteht ihn anscheinend auch nicht, wenn sie zu ihm sagt: Dir kann man nichts mehr geben, denn du wirfst unwillig alles weg, was du besitzest. Diese Leidenschaft, diese Raserei, bringt Tasso zur Sprache, wenn er von seinem Glück spricht, also seiner Liebe zur Prinzessin. Die Prinzessin dämpft: Wenn ich dich, Tasso, länger hören soll, so mäßige die Glut, die mich erschreckt. Tasso aber hat bis zuletzt Hoffnung. So schwärmt er weiter; spricht seine Sehnsucht nach der Prinzessin aus. Das zweite außerordentliche Vorkommnis in diesem Schauspiel lässt nicht lange auf sich warten. Tasso fällt ihr in die Arme und drückt sie fest an sich. Unerhört, was sich Tasso wieder leistet. Das ist Majestätsbeleidigung. Die Prinzessin stößt ihn von sich und eilt hinweg. Der Herzog, der sich mit Leonore und Antonio langsam genähert hatte, sagt zu Antonio: Er kommt von Sinnen, halt ihn fest. Nun, da ihn die Prinzessin endgültig verlassen hat, ist Tasso so schrecklich allein. Diesen Verlust verwindet er nicht. Das dritte außerordentliche Vorkommnis in diesem Schauspiel hängt mit dem zweiten zusammen und folgt sogleich. Es ist die merkwürdigste seelische Äußerung im ganzen Stück und bürdet selbst dem gestandenen Zuschauer ein nahezu unlösbares Rätsel auf: Überraschend ergibt sich Tasso in sein Schicksal.

Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,
Gab mir ein Gott, zu sagen, wie ich leide.

Bevor Tasso ganz verstummt, artikuliert er sein Weh in einer Klage – in dem Gleichnis von dem Fels und dem auf der Meereswoge strandenden Schiffer. Antonio, den er vormals als seinen Feind erkannte, soll nun auf einmal der rettende Fels sein, an dem der Schiffer Tasso eigentlich scheitern sollte, aber an den er sich nun klammert in der Seenot. Der Vorhang fällt.

Zitate

Es bildet ein Talent sich in der Stille,
Sich ein Charakter in dem Strom der Welt. (Leonore, I,2)
So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt. (Tasso, II,1)[1]
Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur
Das Leben lehret jedem, was er sei. (Antonio, II,3)
O blicke nicht nach dem, was jedem fehlt;
Betrachte, was noch einem jeden bleibt! (Leonore, III,2)
Wir hoffen immer, und in allen Dingen ist besser hoffen als verzweifeln. (Antonio, III,4)
Des Lebens Mühe lehrt uns allein des Lebens Güter schätzen. (Antonio, V,1)

Interpretationen

Die „Verrücktheit“ von Goethes Tasso

Torquato Tasso

Nach Ende des fünften Aufzugs sitzt der Zuschauer betroffen und möchte den Sinneswandel verstehen, der sich darin offenbart, dass Tasso ausgerechnet bei Antonio Halt finden soll.

Zunächst bietet sich die einfache Auslegung des Herzogs an: Tasso soll „von Sinnen gekommen“, also wahsinnig geworden sein. Eine andere Interpretation wäre, dass Tasso kapituliert hat und dem eigentlichen Sieger gegenüber eine typische Demutshaltung einnimmt (analog der des Wolfs, der dem überlegenen Rivalen im Zweikampf die Kehle zum Zubeißen darbietet).

Zuvor hat Tasso ständig versucht, gegen die Normen der höfischen Gesellschaft zu rebellieren, d. h. seine „Gedanken ohne Maß und Ordnung“ zur Geltung zu bringen, gemäß dem Motto: „Erlaubt ist, was gefällt“. Bereits in der Spaziergangszene weist ihn die Prinzessin mit den Gegenworten zurecht: „Erlaubt ist, was sich ziemt“. Die „goldene Zeit“, die Tasso wiederherstellen will, ist für sie ein bloßer Topos, der es ihr erlaubt, ins Schwärmen über die „gute, alte Zeit“ zu geraten. Tasso hingegen will die mit dem Topos verbundenen Ideale in der Wirklichkeit umsetzen. Sein ungeschickter Versuch, um die Prinzessin zu werben, macht ihm jedoch deutlich, dass seine Traum an der höfischen Wirklichkeit zerplatzt ist, und der Schluss zeigt, dass Tasso das eingesehen hat. Demnach brächte der Schluss nicht Tassos Irrsinn, sondern seine tiefe Verzweiflung und Resignation zum Ausdruck.[2]

Autobiographische Bezüge

Bei der Lektüre bzw. beim Betrachten von Goethes Torquato Tasso stellt sich unweigerlich die Frage, ob Goethe mit Tasso sich selbst, mit der Prinzessin die Frau von Stein und mit dem Hof der Este den Weimarer Hof meint. Denn Goethe wirkte und lebte seit dem 7. November 1775 am Weimarer Hofe; in seinem Drama führt er dem Publikum die Einschränkungen vor, denen der feinfühlige Dichter, der allein nach Vollendung im Werk strebt, von Seiten der schnöden Welt ausgesetzt sei.

1786 „floh“ Goethe von Karlsbad aus Hals über Kopf vor den Weimarer Verhältnissen nach Italien. Hierüber berichtet er später in seinem Reisetagebuch Italienische Reise. In der Eintragung vom 16. Oktober 1786 ist der früheste Hinweis auf eine Beschäftigung Goethes mit dem historischen Torquato Tasso zu finden. Goethe unternahm in Ferrara, der ehemaligen Residenz der Este, den Versuch, Spuren nachzugehen, die der historische Torquato Tasso in deren Herrschaftsbereich hinterlassen hatte. Diesen Versuch gab er aber schnell auf. Auf seiner Reise hat sich Goethe im Oktober 1786 nur kurz in Ferrara, aufgehalten; Belriguardo, den Schauplatz seines Dramas, hat er nie besucht.

Selbstzeugnisse

„Heute früh sieben Uhr deutschen Zeigers hier angelangt, bereite ich mich, morgen wieder wegzugehen. Zum erstenmal überfällt mich eine Art von Unlust in dieser großen und schönen, flachgelegenen, entvölkerten Stadt. Dieselben Straßen belebte sonst ein glänzender Hof, hier wohnte Ariost unzufrieden, Tasso unglücklich, und wir glauben uns zu erbauen, wenn wir diese Stätte besuchen. Ariosts Grabmal enthält viel Marmor, schlecht ausgeteilt. Statt Tassos Gefängnis zeigen sie einen Holzstall oder Kohlengewölbe, wo er gewiß nicht aufbewahrt worden ist. Auch weiß im Hause kaum jemand mehr, was man will. Endlich besinnen sie sich um des Trinkgeldes willen. Es kommt mir vor, wie Doktor Luthers Tintenklecks, den der Kastellan von Zeit zu Zeit wieder auffrischt. Die meisten Reisenden haben doch etwas Handwerkspurschenartiges und sehen sich gern nach solchen Wahrzeichen um.“

– Auszug aus Goethes Italienischer Reise, Tagebucheintrag (Ferrara, den 16. [Oktober 1786] nachts) über Goethes Suche nach Spuren, die Torquato Tasso in Ferrara hinterlassen hat

„Was die Maske des Tasso betrifft, so hat es mit derselben folgende Bewandtnis. Er starb zu Rom, im Kloster St. Onofrio, wo man von seinem Gesicht nach dem Tod einen Abguss machte. Man setzte die Maske auf eine Büste, die noch in der Bibliothek benannten Klosters steht.“

– Schreiben Goethes vom 18. März 1816

„ich hatte in meinen letzten Bänden bey Göschen das Möglichste gethan, z. B. in meinen Tasso des Herzensblutes vielleicht mehr, als billig ist, transfundirt, und doch meldete mir dieser wackere Verleger, dessen Wort ich in Ehren halten muß: daß diese Ausgabe keinen sonderlichen Abgang habe.“

– Brief Goethes aus dem Jahre 1829 an Christoph Friedrich Ludwig Schultz (Jurist, preußischer Staatsrat (1781 - 1834))

„Meine Iphigenie und mein Tasso sind mir gelungen, weil ich jung genug war, um mit meiner Sinnlichkeit das Ideelle des Stoffs durchdringen und beleben zu können.“

Eckermann über ein Gespräch mit Goethe am 4. Februar 1829

„Ich hatte das Leben Tassos, ich hatte mein eigenes Leben, und indem ich zwei so wunderliche Figuren mit ihren Eigenheiten zusammenwarf, entstand mir das Bild des Tasso, dem ich als prosaischen Contrast den Antonio entgegenstellte, wozu es mir auch nicht an Vorbildern fehlte. Die weitern Hof-, Lebens- und Liebesverhältnisse waren übrigens in Weimar wie in Ferrara.“

– Goethe im Tischgespräch am 6. Mai 1829

Rezeption

  • Caroline Herder schreibt: Von diesem Stück [dem Tasso] sagte er [Goethe] mir im Vertrauen den eigentlichen Sinn: es ist die Disproportion des Talents mit dem Leben.[3]
  • Goethe erhält von Friedenthal [4] das höchste Lob für den kunstvollen Bau des Tasso.
  • Conrady[5] hebt die beinahe nicht zu übertreffende gebundene Rede der Dichtung hervor. Bertolt Brecht hingegen meint in seinem Aufsatz „Der regelmäßige Jambus im Drama“[6]: „Selbst in Meisterhänden vergewaltigt der regelmäßig gebaute Jambus Sprache und Gestus“. Dabei bezieht sich Brecht ausdrücklich auf Goethes „Torquato Tasso“ als Beispiel.
  • Conrady[7] charakterisiert den Tasso als makelloses Kunstwerk, dessen Teile innerlich harmonisch verknüpft sind.
  • Nach Betrachten der Bremer Aufführung von „Torquato Tasso“ (mit Bruno Ganz in der Titelrolle) schrieb Yaak Karsunke das folgende Gedicht, dem er den Titel simples sonett auf Torquato Tasso gab:
hier zeigt man – gar gräßlich anzuschaun
Torquato Tasso, einen hohen clown,
der sich verrenkt & jämmerlich sich windet,
sich selbst den schwanz voll kunst zur schleife bindet.
dem dichter wird bei hofe applaudiert,
weil stilvoll er verhüllt, wonach er nackt doch giert;
bis endlich sein bedürfnis roh durch die metafern bricht:
den kraftakt honoriert ihm die gesellschaft nicht!
daß der beherrschte sich nicht selbst beherrscht, heißt schuld
& prompt entzieht der herrscher ihm die huld,
steckt Tassos arbeit ein, verläßt den ort,
& nimmt auch noch die beiden Leonoren mit sich fort.
zu spät schreit unser held jetzt auf: tyrann!
(dann biedert er sich bei Antonio an.)
  • Wolfgang Koeppen schrieb zwischen 1978 und 1983 eine Geschichte mit dem Titel „Tasso oder die Disproportion“.[8]

Literatur

Titelblatt des Erstdruckes

Werkausgaben

  • Erstdruck: J. W. Goethe: Torquato Tasso. Ein Schauspiel. Ächte Ausgabe. Leipzig: G. J. Göschen 1790, 222 S.
  • Johann Wolfgang von Goethe: Poetische Werke, Band 5. S. 611-697. Phaidon Verlag Essen 1999, ISBN 3-89350-448-6

Sekundärliteratur

Geordnet nach dem Erscheinungsjahr

  • Richard Friedenthal: Goethe – sein Leben und seine Zeit. München: Piper 1963. S. 344 - 348.
  • Leo Kreutzer: Mein Gott Goethe Reinbek: Rowohlt 1980
  • Sven Aage Jørgensen, Klaus Bohnen, Per Øhrgaard: Aufklärung, Sturm und Drang, frühe Klassik 1740 - 1789. S. 502 - 504. In Helmut de Boor (Hrsg.), Richard Newald (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur, Band VI. München 1990, ISBN 3-406-34573-5
  • Bernhard Greiner: „Mit meinen Augen hab ich es gesehn, / Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne.“ Das Schöne als Symbol des klassischen Theaters: Torquato Tasso. In: Euphorion: Zeitschrift für Literaturgeschichte 86 (1992). S. 171 - 187
  • Nicholas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. Bd. 1: 1749 – 1790. S. 702 - 726. München 1995, ISBN 3-406-39801-4
  • Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon. S. 1047 - 1048, 1079 - 1081. Stuttgart 1998, ISBN 3-520-40701-9
  • Karl Otto Conrady: Goethe - Leben und Werk. S. 476 - 486. Düsseldorf und Zürich 1999, ISBN 3-538-06638-8

Audiovisuelle Medien

Fernsehspiele

Hörbücher

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auch abgewandelt (bzw. falsch zitiert) als: Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt.
  2. vgl. auch Leo Kreutzer in: „Mein Gott Goethe“ Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1980; Kapitel: „Über Torquato Tasso, Werther und die Phantom-Gesellschaft“ (S.12-29)
  3. Aus Caroline Herders Brief vom 18. März 1789 an ihren Gatten
  4. Friedenthal S. 347, 9. Z.v.o.
  5. Conrady S. 478, 12. Z.v.o.
  6. in: Bertolt Brecht: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Band 19. Suhrkamp. Frankfurt/Main 1967, S. 420f.
  7. Conrady S. 478, 16. Z.v.o.
  8. in: Wolfgang Koeppen: „Auf dem Phantasieroß“; Frankfurt/Main 2001, S.593-598

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