Toni Servillo

Toni Servillo
Toni Servillo (rechts) mit dem italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano

Toni Servillo (* 9. August 1959 in Afragola) ist ein italienischer Schauspieler und Theaterregisseur. Der Autodidakt begann seine Karriere ab den 1970er Jahren im neapolitanischen Theater und wurde einem breiten Publikum ab den 1990er Jahren als Filmschauspieler bekannt. Für seine minimalistischen Darstellungen, die Vergleiche zu Buster Keaton hervorriefen, wurde er in seinem Heimatland mehrfach preisgekrönt.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Ausbildung und Theaterarbeit

Toni Servillo wurde 1959 in der Provinz Neapel geboren. In den 1960er Jahren zog er mit seiner Familie nach Caserta.[1] Schon von Kindheit an von der Schauspielerei fasziniert[2] besuchte Servillo eine Internatsschule, machte aber sein Abitur an einer staatlichen Schule.[2] Der Autodidakt, der nie eine Schauspielschule besuchte,[1] stand in den 1970er Jahren erstmals in Bertolt Brechts Die Gesichte der Simone Machard auf der Theaterbühne und gründete 1977 in Caserta das Avantgarde-Theater Teatro Studio.[3] An diesem wirkte er als Regisseur und Schauspieler an Stücken wie Propaganda (1979), Norma (1982) oder Geliebter Spinner (1983) mit, in denen er in Italien und im europäischen Ausland auf Tournee ging. Für den selbst verfassten Einakter Guernica, bei dem er die Regie übernahm und die Hauptrolle spielte, gewann Servillo den Premio Gennaro Vitiello.[3]

Ab dem Jahr 1986 schloss sich Servillo der bekannteren freien neapolitanischen Theatergruppe Falso Movimento von Mario Martone an. Unter Martone spielte er in dem Stück Ritorno ad Alphaville und zeigte sich selbst für das Werk E... nach Texten von Eduardo De Filippo verantwortlich. Das Œuvre des italienischen Schauspielers und Autors inspirierte Servillo in den folgenden Jahren zu weiteren Theaterinszenierungen. Zu diesen zählen Ha da passà a nuttata (1989) und die mit dem Premio Gassman ausgezeichnete Produktion Sabato, domenica e lunedì (2002),[3] die er mit dem 1987 mitbegründeten Teatri Uniti in Szene setzte. Neben traditionellen Stoffen des neapolitanischen Theaters wagte sich Servillo auch an so bekannte ausländische Autoren wie Molière (Der Menschenfeind, 1995; Tartuffe, 2000) oder Marivaux (Les Fausses confidences, 1998) heran.[4] Mit Mozarts Die Hochzeit des Figaro (2000), Richard Strauss' Ariadne auf Naxos (2003) oder Ludwig van Beethovens Fidelio (2005) inszenierte er auch klassische Opern auf italienischen und portugiesischen Bühnen.

Filmkarriere

Servillo im Jahr 2008

Parallel zu seiner Arbeit am Theater feierte Servillo Anfang der 1990er Jahre unter der Regie seines Weggefährten Mario Martone sein Debüt als Filmschauspieler. An der Seite von Carlo Cecchi und Anna Bonaiuto war er 1992 in dem preisgekrönten Drama Morte di un matematico napoletano zu sehen, denen weitere Rollen in Martones Spielfilmen Rasoi (1993) und Teatro di guerra (1998) folgten. Den Durchbruch als Filmschauspieler in Italien ebnete ihm die Zusammenarbeit mit dem jungen Autorenfilmer Paolo Sorrentino, mit dem er erstmals 2001 an L'uomo in più zusammenarbeitete. In dem Drama, dass von den Biografien des Musikers Franco Califano und des Fußballspielers Agostino Di Bartolomei inspiriert wurde, schlüpfte Servillo gemeinsam mit Andrea Renzi in die Rolle eines Brüderpaares, deren erfolgreiche Karrieren in den 1980er Jahren der wirtschaftliche und soziale Absturz folgt. Für den Part des Sängers Tony Pisapia, der sich in die Drogenabhängigkeit und in eine Beziehung mit einem minderjährigen Mädchen flüchtet, wurde der experimentierfreudige Schauspieler erstmals für die wichtigsten italienischen Filmpreise, den David di Donatello und das Nastro d’Argento des Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani, nominiert.

An diesen Erfolg konnte Servillo drei Jahre später mit der Hauptrolle in Sorrentinos Le conseguenze dell'amore anknüpfen, der 2004 im Wettbewerb der 57. Filmfestspiele von Cannes vertreten war. Die von der deutschen Kritik als subtil und elegant gelobte Charakterstudie über einen zurückgezogen lebenden Geldwäscher,[5] der jahrelang in einem Hotel in der italienischsprachigen Schweiz seiner Arbeit nachgeht, wurde 2005 mit dem David di Donatello als bester italienischer Film des Jahres ausgezeichnet. Ebenso großes Lob seitens der Kritiker erhielt Servillo, der für seine „meisterhafte Minimalistik“[5], die manchen an Buster Keaton erinnerte,[6] mit dem italienischen Filmpreis und dem Nastro d’Argento prämiert wurde.

Seinen bisher größten Erfolg feierte der Schauspieler im Jahr 2008. Bei den 61. Filmfestspielen von Cannes war er mit Hauptrollen in zwei verschiedenen Filmen im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten. Unter der Regie von Matteo Garrone agierte Servillo in der Bestseller-Verfilmung Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra als maliziöser kampanischer Müllmanager, für die ihn der deutsche Tagesspiegel als minimalistischen Komiker im Stile eines Buster Keaton hochlobte.[7] In Paolo Sorrentinos politische Satire Il Divo mimte der Schauspieler maskenhaft und mit eckigen Bewegungen den siebenmaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti,[8] dem ebenfalls Verbindungen zur Mafia nachgesagt werden. Der Italiener galt daraufhin als Mitfavorit auf den Darstellerpreis[9], hatte aber gegenüber Benicio del Toro (Revolución und Guerrilla) das Nachsehen, der für seine Leistung als Che Guevara ausgezeichnet wurde. Monate später erhielt Servillo sowohl für Gomorrha als auch Il Divo den Europäischen Filmpreis als Bester Darsteller und konnte sich gegen so bekannte Kollegen wie James McAvoy (Abbitte) oder Mads Mikkelsen (Tage des Zorns) durchsetzen. Ebenfalls im Jahr 2008 wurde er für die Hauptrolle des wortkargen Kriminalkommissars in Andrea Molaiolis La ragazza del lago, der Verfilmung eines Romans von Karin Fossum, mit seinem zweiten David di Donatello bedacht. Ein Jahr später wurde er für seine Leistung in Il Divo erneut mit dem David di Donatello und dem Nastro d’Argento ausgezeichnet.

Toni Servillo ist seit 1990 mit Manuela La Manna verheiratet. Sein Bruder ist der Sänger Peppe Servillo, mit dem er 2007 zusammen in Fabrizio Bentivoglios Spielfilm Lascia perdere, Johnny! vor der Kamera stand.

Filmografie (Auswahl)

  • 1992: Morte di un matematico napoletano
  • 1993: Rasoi
  • 1997: I vesuviani
  • 1998: Teatro di guerra
  • 2001: L'uomo in più
  • 2001: Luna rossa
  • 2004: Le conseguenze dell'amore
  • 2004: Notte senza fine
  • 2005: Sabato, domenica e lunedì (TV)
  • 2007: La ragazza del lago
  • 2007: Lascia perdere, Johnny!
  • 2008: Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra (Gomorra)
  • 2008: Il Divo
  • 2010: Gorbaciof
  • 2010: Noi credevamo
  • 2010: Ein ruhiges Leben (Una vita tranquilla)
  • 2010: Un balcon sur la mer
  • 2011: Il gioiellino

Auszeichnungen (Auswahl)

David di Donatello

  • 2002: nominiert als Bester Hauptdarsteller für L'uomo in più
  • 2005: Bester Hauptdarsteller für Le conseguenze dell'amore
  • 2008: Bester Hauptdarsteller für La ragazza del lago
  • 2009: Bester Hauptdarsteller für Il Divo

Europäischer Filmpreis

  • 2005: nominiert für den Publikumspreis als Bester Darsteller für Le conseguenze dell'amore
  • 2008: Bester Darsteller für Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra und Il Divo

Weitere

Angers European First Film Festival

  • 2002: Jean-Carmet-Preis für L'uomo in più

Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani

  • 2002: nominiert für das Nastro d’Argento als Bester Hauptdarsteller für L'uomo in più
  • 2005: Nastro d’Argento als Bester Hauptdarsteller für Le conseguenze dell'amore
  • 2009: Nastro d’Argento als Bester Hauptdarsteller für Il Divo
  • 2011: nominiert für das Nastro d’Argento als Bester Hauptdarsteller für Ein ruhiges Leben und Il gioiellino

Internationale Filmfestspiele von Venedig

  • 2007: Pasinetti-Preis als Bester Darsteller für La ragazza del lago

Internationales Filmfestival von Locarno

  • 2009: Excellence Award für sein Lebenswerk[10]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b vgl. Biografie bei movieplayer.it (italienisch; aufgerufem am 6. Dezember 2008)
  2. a b vgl. Biografie bei mymovies.it (italienisch; aufgerufen am 6. Dezember 2008)
  3. a b c vgl. Biografie bei cittacentoscale.it (italienisch; aufgerufen am 6. Dezember 2008)
  4. vgl. Porträt bei arte.tv, 29. Juni 2006 (aufgerufen am 6. Dezember 2008)
  5. a b vgl. Koppold, Rupert: Mancher Wein ist verkorkst. In: Stuttgarter Zeitung, 15. Mai 2004, S. 35
  6. vgl. Daniel Kothenschulte: Huldigung an eine Schreibmaschine. In: Frankfurter Rundschau, 14. Mai 2004, S. 17
  7. vgl. Becker, Peter von: Spiel dir das Lied vom Tod. In: Der Tagesspiegel, 17. November 2008, Ausg. 20088, S. 25
  8. vgl. Beier, Lars-Olav: Rohrfrei für alle! bei Spiegel Online, 23. Mai 2008 (aufgerufen am 6. Dezember 2008)
  9. vgl. Palme d'or : les paris sont ouverts. In: Le Matin, 24. Mai 2008, S. 34
  10. Excellence Award von Locarno an Toni Servillo, Kleine Zeitung, 9. April 2009

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