Tom Dooley (Lied)

Tom Dooley (Lied)

Tom Dooley ist ein auf Tatsachen beruhender Folksong aus den USA, der von einem angeblichen Mörder handelt, welcher für seine Tat gehängt wird. Weltweit wurde der Folksong im Jahre 1958 erstmals durch das Kingston Trio bekannt gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Kriminalfall

Thomas C. Dula (* 20. Juni 1844) lebte in der Reedy Branch/Elkville, Wilkes County, North Carolina. Am 24. April 1862 ging er zum konföderierten Infanterieregiment 42, wo er im Februar 1864 zum Militärmusiker befördert wurde. Am 10. März 1865 nahmen ihn gegnerische Truppen gefangen und ließen ihn nach Ablegen des Eids am 11. Juni 1865 frei. Dann kehrte Dula in seinen Heimatort zurück. Dort hatte er mindestens zwei Freundinnen gleichzeitig, nämlich Laura Foster und deren verheiratete Cousine Ann Melton. Am 25. Mai 1866 wollte Foster ihren Freund Dula heiraten und ritt heimlich von zuhause fort. Als Fosters Pferd ohne sie zurückkehrte, wurde eine Suchaktion eingeleitet, während deren Verlauf Dula in Mordverdacht geriet. Daraufhin floh Dula in eine Nachbargemeinde, wo er unter dem Pseudonym „Tom Hall“ für Oberst James W. M. Grayson arbeitete. Der Mord an Foster geschah zwischen dem 25. und 28. Mai 1866, allerdings konnten weder die Tatzeit noch dessen Umstände vollständig geklärt werden.[1][2]

Ende Juni wurde ein Haftbefehl gegen Dula erlassen. Auf der Flucht von Graysons Farm wurde Dula vom Sheriff W. E. Watsons Gehilfen aufgefunden und ins Gefängnis gesteckt. Grayson half mit, Dula festzusetzen und war persönlich an der Rückführung nach North Carolina beteiligt. Am 1. September 1866 wurde Fosters Leiche mit Messerstichen in der linken Brusthälfte entdeckt. Laura Foster war brutal mit einem großen Messer erstochen worden.[3] Tom Dula wurde vom ehemaligen Gouverneur North Carolinas, Zebulon D. Vance, [4] kostenlos verteidigt („pro bono“) und erklärte sich für nicht schuldig, schwieg jedoch weitgehend zu den Tatvorwürfen. Am 21. Oktober 1866 sprach ihn das Gericht in Statesville (North Carolina) für schuldig und verurteilte ihn zum Tode durch Hängen. Seine Anfechtung des Schuldspruchs führte zur Neuverhandlung, und am 20. Januar 1868 wurde er abermals zum Tode durch Erhängen verurteilt. Die Vollstreckung fand am 1. Mai 1868 statt. Allerdings nicht an einem weißen Eichenbaum („white oak tree“ wie im Liedtext), sondern mit einem hierfür konstruierten Falltür-Galgen. Und nicht in einem einsamen Tal („in some lonesome valley“), sondern in Statesville.

„Meine Herren, seht Ihr meine Hand, seht ihr wie sie bebt und zittert? Ich habe diesem Mädel nie ein Haar gekrümmt!“

Dulas letzte Worte

Vance verteidigte auch die andere Verdächtigte, Melton, die daraufhin freigesprochen wurde. Die Tat und der Prozess erlangten große Publizität bis ins ferne New York, wo die New York Herald Tribune über das Verfahren laufend berichtet hatte. Die Fachliteratur zum Fall Dula geht teilweise davon aus, dass Melton die tatsächliche Mörderin war und Dula sie durch seine Falschaussage schützen wollte. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass Melton eifersüchtig auf die Verlobung und die angekündigte Hochzeit Dulas mit ihrer Cousine Foster reagierte. So hieß es, sie habe Foster ermordet, um ihre Rivalin zu beseitigen und Dulas Zuneigung zurückzugewinnen.[1]

Gedichte und Texte

Armee-Hauptmann Thomas Land verfasste kurz nach der Hinrichtung das Gedicht „The Murder of Laura Foster", das aufgeteilt ist in die Schilderung des Mordes, die Fahndung nach dem Mörder und die nachfolgende Untersuchung.[5] Ein weiteres Gedicht aus jener Zeit hieß „Tom Dula's Lament", das die Metapher „hanging from a white oak tree," enthielt. Der dritte Text „Tom Dula" beginnt mit dem berühmten „hang down your head Tom Dula". Alle zusammen gelten als die Quellen für die Entstehung des Folksongs. Die Gedichte reflektieren weder den Tathergang noch die Beteiligten in der vom Gericht damals ermittelten Form. Das kommt auch teilweise in den Musikaufnahmen zum Ausdruck. [6] [7] Für einige Autoren war Grayson der Sheriff oder ein Schullehrer; deshalb sieht Buchautor West in den Gedichten und den Songs über Dooley eine Montage von Tatsachen und Mythen. [8]

Musikproduktionen

Grayson & Whitter - Tom Dooley

Die erste, heute noch erhaltene Aufnahme dieses Folksongs stammt von dem Old-Time-Duo Grayson and Whitter, das den Titel Tom Dooley / On The Bank of The Old Tennessee am. 30. September 1929 für Victor (#40235) mit Violine und Gitarre aufnahm. Auf dem Plattenlabel wird als Komponist der Sänger Gillian Banmon (G. B.) Grayson vermerkt. Er war übrigens der Großneffe des Oberst Grayson, der Tom Dula illegal beschäftigt hatte. Ihr erst am 2. Mai 1930 veröffentlichter Song verkaufte – auch bedingt durch die Depression - gerade einmal 4.000 Stück und trug kaum zur Verbreitung des Folksongs bei.[9]

Die hierin erstmals veränderte Schreibweise des richtigen Familiennamens Dula geht auf die Aussprache eines endendem „a“ wie ein „y“ zurück, was dann wie „Dooley“ klingt. Diese Aussprache ist typisch für die alte Mundart in den Appalachen wie im Begriff Grand Ole Opry.

Die Musikforscher Anne und Frank Warner besuchten im Juni 1938 Frank Noah Proffitt (in manchen Quellen „Profitt“) in den Appalachen, wo sie auf der Suche nach Folkloresongs waren und nahmen den Song Tom Dula zwei Jahre später 1940 auf ein portables Tonband (Schallplattenaufzeichnung) auf (Dauer: 46 Sekunden),[10] ohne die Aufnahme des Old-Time-Duos zu kennen. Danach kontaktierte Warner den berühmten Musikforscher Alan Lomax in New York, der den Song schließlich mit Genehmigung Warners 1947 in sein Buch Folk Song: U.S.A. als Nr. 82 (von 111 Titeln) übernahm. [11] Hierin wird klargestellt, dass Text und Musik von Frank Warner adaptiert wurden. [12] Buchautor West weist nach, dass bereits am 22. Juni 1921 textliche und musikalische Dokumente des Songs zu finden sind, komponiert von Charlie Davenport. [13] Lomax sorgte sodann für die urheberrechtliche Registrierung bei BMI, die den Musikforscher Alan Lomax und Frank M. Warner eintrugen. Das Lomax-Buch trug zur Verbreitung der folkloristischen Werke bei, Frank Warner selbst nahm den Song im Jahre 1952 (LP American Folk Songs and Ballads; Elektra #ELK3) auf. Es folgten weitere Fassungen, jedoch mit modifiziertem Text, insbesondere durch das Folksay Trio in einer schnellen Version (LP Ballads And Dances vol. 2; Stinson #SLP6, 1953), Paul Clayton (LP Bloody Ballads; Riverside #12-615, 1956) und den Tarriers (LP The Tarriers; Glory #PG1200, 1957).

Kingston Trio - Tom Dooley

Dann übernahm das gerade etablierte Kingston Trio den Song auf seine erste LP The Kingston Trio (Capitol T#996). Die Mehrzahl der Fachwelt geht davon aus, dass das Trio den Song im August 1957 im berühmten „Purple Onion-Club“ in San Francisco erstmals gehört und dann auf dem Album des Folksay-Trios wiedererkannt hatte. [14] Im Gegensatz zum Original hat diese Version lediglich drei Verse, und der Refrain wird viermal wiederholt. Das Kingston Trio war erst zum zweiten Mal im Tonstudio, als am 5. Februar 1958 Tom Dooley entstand. Take 5 mit einem Tenor-Banjo von Bob Shane hiervon wurde für die LP The Kingston Trio verwendet, die am 1. Juni 1958 auf den Markt kam. Die Radiostationen konzentrierten sich beim Airplay auf Tom Dooley, sodass sich Capitol entschloss, Tom Dooley / Ruby Red (Capitol #4049) als Single auszukoppeln und am 8. September 1958 zu veröffentlichen. Sie gelangte am 29. September 1958 in die Pop-Hitparade, wo sie bis zum ersten Rang vordrang. Der Titel kurbelte auch den LP-Verkauf an, sodass ihre erste LP gleich den ersten Platz der LP-Charts erreichte. Mit Hilfe diese Platzierungen konnte sich die Folkmusik endgültig als Populärmusik etablieren. Auch in Deutschland erreichte die englischsprachige Fassung des Kingston Trios am 29. März 1959 den ersten Platz, den es für fünf Wochen innehatte.

Urheberrechtsstreit

Als Proffitt den Song vom Kingston Trio am 19. November 1958 in der Milton Berle TV-Show hörte, war er überrascht, dass auf den Labels von Capitol Records „Traditional, arr. Dave Guard“ angegeben war. Die LP beschrieb den Ursprung des Songs als „die klassische Wiedergabe eines Folksongs aus den Bergen von Tennessee“. [15] So bekäme der Arrangeur Dave Guard alle Komponisten-Tantiemen, obwohl Alan Lomax und Frank M. Warner bei der BMI als Urheber registriert waren. Proffitt und Lomax klagten deshalb Anfang 1959 wegen Copyright-Verletzung und machten 1962 außergerichtlich einen Vergleich mit den Gegnern. Danach gingen alle bisherigen und künftigen Royalties zu Ludlow Music, die John A. Lomax, Alan Lomax and Frank Warner repräsentierten. Anfang 1959 waren bereits 3,5 Millionen Stück der Single Tom Dooley verkauft worden, weltweit waren es sechs Millionen Exemplare.[16] Die LP verkaufte ebenfalls eine Million Stück.[17] Bis 1961 erreichte die Plattenfirma durch das Folk-Trio einen Umsatz von vier Millionen Dollar. Der Hit vom Kingston Trio wurde auf Platz 197 der Songs of the Century der RIAA gewählt.

In einer 58-minütigen Filmdokumentation aus dem Jahre 1991 benennt Filmautor Alan Lomax[18] Frank Proffitt als ursprüngliche Quelle („original source“) dieses Songs. Wie Lomax, der sich in Urheberrechtsfragen nicht auskannte, dies gemeint hat, ist unklar; aus seiner Sicht war Proffitt die Quelle des Songs. Proffitt selbst hatte den Folkforschern Warner berichtet, dass er den Song aus Überlieferung kannte und kommt deshalb nicht als Komponist in Frage.

Folkways Records and Service Corp. nahmen Proffitt 1962 unter Vertrag und Folk-Legacy Records Inc. veröffentlichte die LP Frank Proffitt, of Reese, North Carolina 1962 als ihr erstes Album.[19]

Cover-Versionen

Insgesamt sind bei BMI 31 Coverversionen registriert. Der Titel wurde wegen seines Erfolges mit einem BMI-Award ausgezeichnet. Eine rhythmisch schnelle Skiffle-Fassung präsentierte im November 1958 Lonnie Donegan, die in Großbritannien bis Rang drei der Hitparade vordrang. In Deutschland konnten die Nilsen Brothers mit ihrer im Dezember 1958 erschienenen deutschsprachigen Version am 31. Januar 1959 den ersten Platz für sieben Wochen belegen, bevor sie vom Kingston Trio verdrängt wurden. [20][21] Dieter Thomas Heck und Tom Astor coverten den Song ebenfalls. Doc Watson coverte den Song 1964 für Vanguard Records. Rob Ickes nahm 1997 das Stück auf seinem Album Hard Times als Bluegrasssong auf.[9] Ebenso existiert eine Version der Chicagoer Death/Grind-Band Macabre auf deren Minialbum Morbid Campfire Songs.

Filme

Der Erfolg des Kingston Trios hat zu einem Kurzfilm The Legend of Tom Dooley (Juli 1959)[22] mit Michael Landon in der Hauptrolle angeregt, in einer Nebenrolle spielte Richard Rust (deutscher Titel: „Keine Gnade für Tom Dooley“). Der Film, als Western gedreht, spielt in der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs. Im Unterschied zum Titel nimmt er keinen Bezug zur Legende von Tom Dula oder zu irgendwelchen Fakten aus diesem Fall. Die fiktive Handlung ist aber offensichtlich so angelegt, dass die Songtexte dazu passen.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Leigh Lundin (21. Februar 2010): Who Killed Laura Foster?. Tom Dula. Criminal Brief. Abgerufen am 25. Februar 2011.
  2. neue Hinweise auf den Tathergang finden sich im Buch Franes H. Casstevens, Death in North Carolina’s Piedmont: Tales of Murder, Suicside And Causes Unknown, 2006, S.29 ff.
  3. Wilkes Co. Chamber of Commerce: History of Tom Dula Online (21. Oktober 2007
  4. der ehemalige Anwalt Vance kam selbst am 6. Juli 1865 aus der Kriegsgefangenschaft
  5. John Foster West, The Ballad of Tom Dula: The Documented Story Behind the Murder of Laura Foster and the Trials and Execution of Tom Dula, 2002, S. 31 ff., ISBN 1-887905-55-3
  6. In der gesprochenen Einleitung des Kingston Trios ist dies erkennbar.
  7. Lied und gesprochener Vortext
  8. John Foster West, a.a.O., S. 50
  9. a b Rob Lopresti (17. Januar 2010): Boy Kills Girl. Tom Dooley. Criminal Brief. Abgerufen am 21. Februar 2010.
  10. zu finden auf der CD Nothing Seems Better to Me - The Music of Frank Proffitt and North Carolina, Warner Collection, Vol. 2
  11. John Foster West, a.a.O., S. 22 f.
  12. “words and melody adapted and arranged by Frank Warner“
  13. John Foster West, a.a.O., S. 23 f.
  14. Fred Bronson, The Billboard Book of Number One Hits, 1985, S. 45
  15. In den Liner Notes zur Bear-Family-CD „The Kingston Trio: The Guard Years“ sagt Guard, dass er den Song von den Folksays gehört hatte
  16. Joseph Murrells, Million Selling Records, 1985, S. 117
  17. Joseph Murrells, a.a.O., S. 117
  18. Association for Cultural Equity, 1991; Interview mit Proffitt ab Minute 16
  19. Amaris O. Lynip, Proffitt Sang the Legend of Tom Dooley, The Democrat
  20. Nilson Brothers
  21. Textvariante in de:
  22. The Legend of Tom Dooley

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