Tigerfibel

Tigerfibel

Mit der Tigerfibel und der Pantherfibel beschritt die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg einen völlig neuen Weg bei der Gestaltung von Handbüchern für die Ausbildung mit Vorschriftscharakter. Sie dienten der Ausbildung von Besatzungen, Kommandanten und Zugführern des Panzerkampfwagen VI Tiger und des Panzerkampfwagen V Panther. Die Tigerfibel wurde am 1. August 1943 durch den Generalinspekteur der Panzertruppen, Heinz Guderian, als Dienstvorschrift D 656/27 erlassen und herausgegeben. Die Pantherfibel folgte am 1. Juli 1944 als D 655/27.

Inhaltsverzeichnis

Charakter

Entgegen dem bislang und sonst gängigen Stil, das Erforderliche sachlich nüchtern und in trockener technischer Prosa darzustellen, verlegte man sich auf den Fibelstil. Fibeln waren damals jedermann aus der eigenen Grundschulzeit bekannt und zeichneten sich durch paarreimende Verse und einprägsame Merksätze aus, die durch einfache Bilder ergänzt wurden. Das gleiche Muster wurde für die beiden militärischen „Fibeln“ verwendet. Neben kurzen sachlichen, umgangssprachlich formulierten Darstellungen dominieren humorvolle Verse („Griesgrämig plagt sich nur der Tor, der Tigermann lernt mit Humor[1]). Die unvermeidbar notwendigen technischen Zeichnungen wurden durch eine Vielzahl karikaturartiger, lustiger und erotischer Illustrationen ergänzt. Dass diese Art der Präsentation sehr gut aufgenommen wurde und erfolgreich war, ist an der Entwicklung von der Tigerfibel zur Pantherfibel erkennbar. War die Tigerfibel noch näher an den bekannten technischen Bedienungsanleitungen und Ausbildungsheften alter Art, wurde die Pantherfibel auch in der äußeren Erscheinung völlig dem neuen Stil angepasst. Lustige Verse und humorvolle Illustrationen haben darin alles andere beinahe völlig verdrängt. Zur weiteren Unterstützung der Ausbildung, wurde ihr auch noch ein auf Papier gedrucktes Brettspiel beigefügt. Beim Knüppelspiel mussten Spielfiguren (im Felde durch Patronen oder Steinchen zu ersetzen) durch Würfeln über einen mit Zahlen markierten Parcours gebracht werden. Etliche Felder waren dabei als Pannen oder Glücksfälle markiert („Du hast die Minen schnell bemerkt, womit die Sperre hier verstärkt. Drum wird, weil die Umgehung glückt, auf 24 vorgerückt.“[2]). Selbst trockenste Themen, wie die Zündkerze werden stilgerecht aufbereitet:

Als Krankheit wirkt meist die Entzündung
im Motor ist's ne Mordserfindung!
Doch soll er sich nicht unnütz quälen,
Musst Du die richt'ge Kerze wählen.
Für Deinen Panther ist's bekanntlich:
Die W 2 25![3]

Folgerichtig lässt sich sogar Guderian dazu herbei, die Fibel mit zwölf Versen zu genehmigen und in Kraft zu setzen („… Die Pantherfibel ist genehmigt. Wer sie nicht kennt, der wird erledigt.“[4]). Die dem Konzept zugrunde liegende Überlegung wird ebenfalls in der Pantherfibel gereimt vorgestellt:

Rezept
Solides Können ist ein Schatz
Drum dient es hier als Bodensatz.
Drauf buntes Wissen und Humor
Dann kommt dirs halb so schwierig vor,
Gemixt mit ein paar Geistesblitzen
Und wichtigen Gedächtnisstützen,
So wird der Pantherpunsch gebraut
Den jedermann ganz leicht verdaut.[5]

Die Bundeswehr folgte dem durch Panther- und Tigerfibel eingeschlagenen Weg zu Beginn ihres Bestehens. Als Beispiel kann dafür die Sicherheitsfibel genannt werden, die Mitte der 1960er Jahre zur Sensibilisierung der Truppe in Fragen von Spionage usw. eingesetzt wurde. Interessanterweise wurde anscheinend der gleiche Illustrator für die humorvolle Vorschrift eingesetzt. Den erwähnten Fibeln ist gemeinsam, dass sie mit der alten staatlichen Tradition brechen, die Bediensteten mit drohend erhobenem Zeigefinger zu belehren, sondern stattdessen auch in sehr sicherheitsempfindlichen Fragen auf die höhere Einprägsamkeit lustiger Verse setzen. Das an sich alte Lehrprinzip (Drei-drei-drei, bei Issos Keilerei) findet damit erstmals Eingang in deutsche militärische Ausbildungsvorschriften. Obwohl die Methode nicht nur als originell, sondern vor allem auch als effiziente und wegweisende Art der Wissensvermittlung erkannt wurde[6], verließ die Bundeswehr diesen Weg wieder und kehrte zu den Vorschriften alter Art zurück. Diese wurden in der Folge aber stärker als bislang bebildert und zeigten in den Illustrationen an einigen Stellen sogar Anflüge eines burschikosen Humors.

Einzelnachweise

  1. D 656/27 Tigerfibel, S.3 Motto
  2. D 655/27 Pantherfibel, Spielbrettbeilage
  3. D 655/27 Pantherfibel, S. 66
  4. D 655/27 Pantherfibel, S. 5
  5. D 655/27 Pantherfibel S. 5
  6. Portner, Schulz, Driftmann, Wullich, Grundlagen der Allgemeinen Wehrpädagogik, Regensburg 1977

Quellen

  • Dienstvorschrift D 656/27, Die Tigerfibel, o.O. 1943 (Reprint: Melchior Verlag 2009, ISBN 9783941555235).
  • Dienstvorschrift D 655/27, Panther-Fibel, o.O. 1944 (Reprint: Melchior Verlag 2009, ISBN 9783941555396).

Literatur

  • Brand, Wulf-D.: Tigerfibel, Teutonia publications, 1997, ISBN 0-938242-32-6.
  • Portner, Schulz, Driftmann, Wullich: Grundlagen der Allgemeinen Wehrpädagogik, Regensburg 1977.

Weblinks


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