Thuringi

Thuringi

Die Thüringer (lat. Thuringi, T(h)ueringi oder Thoringi) waren ein westgermanischer Stamm, auf den das spätere Thüringen zurückgeht.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnung und Entstehung

Für die Etymologie des Namens „Thüringer“ existieren zahlreiche Theorien. Die lange Zeit übliche Ableitung des Namens von den elbgermanischen Hermunduren wird in jüngster Zeit in Zweifel gezogen, da sie lautgeschichtlich nicht haltbar ist. Stattdessen wird eine Ableitung von einem germanisch-keltischen Stamm der Turonen in Erwägung gezogen. Nach einer vielbeachteten Theorie, die 2002 von Heike Grahn-Hoek vorgelegt wurde, leitet sich der Name der Thüringer, auch Tueringi von dem der gotischen Terwingen, auch Teruingi ab. Schon in der Antike wurden die beiden Gruppen häufig verwechselt. Fest steht zumindest, dass die Westwärtswanderung verschiedener Gruppen von gotischen Terwingen ab etwa 375 den Anstoß zur Ethnogenese der späteren Thüringer geliefert hat. Zumindest lässt auch die Archäologie einen solchen Schluss zu.

Geschichte

Das Siedlungsgebiet der Thüringer umfasste im Wesentlichen Teile des heutigen Mitteldeutschlands, das heißt den Raum zwischen Thüringer Wald, Werra, Harz und Elbe. Wahrscheinlich entstanden sie zum Teil aus Gruppen der Hermunduren.

Die Bezeichnung Thüringer tauchte erstmals Ende des 4. Jahrhunderts auf. Im 5. Jahrhundert gerieten die Thüringer unter die Herrschaft der Hunnen und bildeten nach deren Abzug 452 ein eigenes Königreich. Der erste bekannte König war Bisinus. Sein Reich erstreckte sich nach Süden über den Main hinaus fast bis zur Donau. Wahrscheinlich ist er mit dem Thüringerkönig Fisud identisch, der gemäß der Origo Gentis Langobardorum seine Tochter Radegund mit dem Langobardenkönig Wacho verheiratete.

Gregor von Tours, der um 590 seine „Fränkische Geschichte“ veröffentlichte, schrieb von Thoringern, welche aber linksrheinisch und in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Franken lebten und von letzteren auch besiegt und unterworfen wurden. Der geografische Unterschied zu jenen Thüringern an Saale und Unstrut bedarf noch einer Klärung.

Kurz danach erscheinen ebenfalls bei Gregor von Tours als Könige der Thüringer die Brüder Balderich, Herminafried und Berthachar, von denen Berthachar früh von Herminafried ermordet wurde. Schließlich blieb nur noch Herminafried als eigenständiger König übrig. Er heiratete die Gotin Amalaberga, eine Nichte des Ostgotenkönigs Theoderich. Mit dem Tod Theoderichs (526) verlor das thüringische Reich den gotischen Schutz, sodass es für die Franken nicht mehr schwer war, die Thüringer anzugreifen.

In einer Reihe von Schlachten, wobei die letzte wohl bei Burgscheidungen an der Unstrut stattgefunden haben soll, besiegten die merowingischen Franken schließlich im Jahr 531 die Thüringer unter König Herminafried. Die in späteren sächsischen Chroniken auftauchende Unterstützung von verbündeten Sachsen erscheint dagegen sehr unwahrscheinlich. Durch Flucht, Deportation und Mord fand die thüringische Königsfamilie ihr Ende. Die letzte Angehörige des Königshauses, Radegundis, starb 587 im französischen Exil und wurde später heilig gesprochen.

Die in vielen Publikationen erwähnte Aufteilung des thüringischen Reiches in das Herzogtum Thüringen unter fränkischer Herrschaft und einen sächsischen Teil ist ebenfalls nicht nachgewiesen und entspringt selbiger späteren Chronik wie die oben genannte „Sachsenhilfe“ im Jahr 531.

Die weitere Entwicklung Thüringens aus dem Reich der Thüringer wird im Artikel Geschichte Thüringens (Mittelalter) dargestellt.

Könige der Thüringer

Siehe auch Liste der Herrscher von Thüringen.

Literatur

  • Karl Peschel: Thüringen in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Wilkau-Haßlau: Beier & Beran, 1994. ISBN 3-930036-03-7
  • Heike Grahn-Hoek: Stamm und Reich der frühen Thüringer nach den Schriftquellen. Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 56, 2002, 7-90.
  • Hardy Eidam/ Marina Moritz/ Gerd-Rainer Riedel/ Kai-Uwe Schierz (Hrsg.): Heidenopfer – Christuskreuz - Eichenkult. Erfurt 2004.
  • Detlef Ignasiak: Die Fürstenhäuser Thüringens. quartus-Verlag, 2000. ISBN 3-931505-50-2

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