Thomas More

Thomas More
Thomas Morus (Hans Holbein der Jüngere, 1527)

Thomas Morus (engl. Thomas More; wahrscheinlich * 7. Februar 1478 in London; † 6. Juli 1535 ebenda) war ein englischer Staatsmann und humanistischer Autor. Er ist ein Heiliger und Märtyrer der Römisch-Katholischen Kirche (Gedenktag 22. Juni) und Patron der Regierenden, Politiker sowie der Katholischen jungen Gemeinde (KjG).

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Die Familie von Thomas More, nach Hans Holbein der Jüngere

Sir Thomas Morus war Sohn eines Richters, besuchte eine Lateinschule und leistete als Zwölfjähriger am Hof des Lordkanzlers, Erzbischof John Morton von Canterbury, Pagendienste, dieser schickte ihn zwei Jahre mit einem Stipendium nach Oxford, wo Morus Latein und Griechisch studierte – eine damals noch umstrittene Gelehrsamkeit, die sein Vater nicht gerne sah – und ab 1496 eine juristische Ausbildung in der Rechtsschule Lincoln's Inn durchlief. 1501 schrieb Morus lateinische und englische Verse, schloss sein juristisches Examen ab und begann, selbst zu lehren. Er wurde ein erfolgreicher Rechtsanwalt und Unterhändler.

1504 wurde er Parlamentsmitglied. Sein Widerspruch gegen die Steuererhöhungen König Heinrichs VII. erregte Aufsehen. Eine Zeit lang hatte er vor, Mönch zu werden und lebte als Laie im Kartäuserkloster in London. Mit 26 Jahren heiratete er Joan Colt. Dieser Ehe entstammten vier Töchter und ein Sohn. Seine Frau starb überraschend nach sechs Jahren glücklicher Ehe. Bald darauf ging er eine zweite Ehe ein mit Alice Middleton, die kinderlos blieb. Seine zweite Frau brachte allerdings eine Tochter aus erster Ehe mit.

Von 1510 an war er acht Jahre lang einer von zwei sogenannten Undersheriffs von London und lehrte an Lincoln's Inn Recht. König Heinrich VIII. wurde auf Morus aufmerksam und schickte ihn auf diplomatische Missionen. 1516 verfasste Morus das 1. Buch der Utopia und redigierte das ganze Werk, das im Dezember erschien. 1517, mit 39 Jahren, trat er ganz in den Dienst des Königs von England, der ihn bald zum Mitglied des Geheimen Rates machte. Außerdem vermittelt er in diesem Jahr bei den Mai-Unruhen in London. 1521 wurde er zum Ritter geschlagen. Er war ein entschiedener Gegner von Martin Luther und half Heinrich VIII., eine Arbeit über ihn zu schreiben, die dem englischen König den Titel Verteidiger des Glaubens eintrug. Morus' eigene Arbeit über Luther wurde europaweit gelesen.

1523 wurde er Parlamentssprecher und 1529 Lordkanzler, eine Position, die etwa der des heutigen Premierministers entspricht.

Im Privatleben engagierte sich Morus sehr für die Erziehung seiner Töchter, denen er die gleiche Bildung zukommen ließ wie seinem Sohn. Seine älteste Tochter Margaret Roper war eine der gelehrtesten Frauen ihrer Zeit. Er war auch sehr freigebig, ernährte während einer Hungersnot Hunderte aus seiner eigenen Tasche und entließ seine Landarbeiter nicht wegen mangelnder Arbeit.

1532 trat er vom Amt des Lordkanzlers zurück. 1534 verweigerte er vor dem Kronrat den Suprematseid und wurde im Tower of London gefangen gesetzt. Zuvor hatte er bereits seine Grabinschrift verfasst und sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Das Parlament verhängte die Acht über ihn und zog sein Vermögen zugunsten der Krone ein. Bis zu seinem Tode schrieb Morus religiöse Traktate und Trostschriften. 1535 verurteilte ihn ein Sondergericht zum Tode, am 6. Juli wurde Thomas Morus im Alter von 57 Jahren hingerichtet.

Seinen Humor, für den Thomas Morus bekannt war, hatte er sich bis zuletzt bewahrt. Eine Anekdote erzählt, dass er den Henker bei seiner Hinrichtung gebeten habe, beim Zuschlagen mit dem Beil auf seinen Bart zu achten, da dieser keinen Hochverrat begangen habe.

Die Scheidung Heinrichs VIII.

Kardinal Thomas Wolsey, Erzbischof von York, hatte es nicht zuwege gebracht, die Annullierung der Ehe mit Katharina von Aragón, um die Heinrich angesucht hatte, herbeizuführen und musste 1529 von seinem Amt als Kanzler zurücktreten. Morus wurde an seiner Stelle ernannt, jedoch unterschätzte Heinrich offenbar Morus’ Widerstand in diesem Fall. Soweit es sich um die Auseinandersetzung mit dem Protestantismus gehandelt hatte, hatte Thomas Morus die Innenpolitik seines Königs unterstützt. Doch wohlbewandert im Kirchenrecht und religiös, wie er war, wusste Morus, dass die Annullierung des Sakraments der Ehe ein Fall für die Gerichtsbarkeit des Papstes war; Papst Clemens VII. hätte der Scheidung eventuell zugestimmt, wenn ihn der Neffe Katharinas, Kaiser Karl V., nach dem Sacco di Roma nicht in der Hand gehabt hätte. Heinrichs Reaktion darauf war, dass er sich selbst in das höchste Amt der Kirche in England einsetzte. Der Geistlichkeit wurde vorgeschrieben, den Suprematseid zu schwören und damit den weltlichen Herrscher als Haupt dieser (der anglikanischen) Kirche anzuerkennen. Morus, als Laie, brauchte diesen Eid nicht abzulegen. Aber er legte lieber am 16. Mai 1532 das Amt des Kanzlers nieder, als diesem neuen Regime zu dienen. Möglicherweise standen auch gesundheitliche Beschwerden hinter seinem Rücktrittsgesuch.

Morus konnte sich früher dem ersten Versuch noch entziehen, ihn mit verräterischen Machenschaften in Verbindung zu bringen. Doch verabschiedete das Parlament 1534 den Act of Succession, der den Eid hinsichtlich einer Bestätigung der Legitimität aller Kinder, die Heinrich und Anne Boleyn geboren würden, beinhaltete; außerdem wies er jedwede fremde Autorität, ob Prinz oder Potentat (das heißt: auch des Papstes) zurück. Wie vorher schon der Suprematseid, war auch dieser nicht von der gesamten Bevölkerung zu leisten, sondern nur von denen, die dazu vorgeladen wurden, also von Inhabern öffentlicher Ämter und denen, die im Verdacht standen, Heinrich nicht zu unterstützen.

Prozess und Hinrichtung

Morus sollte diesen Eid im April 1535 ableisten. Weil er dies ablehnte, wurde er – gemeinsam mit John Fisher – im Tower von London eingekerkert. Morus wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Am 6. Juli 1535 wurde er auf dem Schafott vor dem Tower (auf dem Tower Hill) hingerichtet. Sein Kopf wurde einen Monat lang auf der London Bridge zur Schau gestellt und dann von seiner Tochter Margaret Roper gegen ein Bestechungsgeld heruntergeholt.

Die Lebensleistung

Thomas Morus war ein ungewöhnlich gebildeter Mann, gleichzeitig fachkundiger Jurist und ein geschickter Unterhändler. Seine Unparteilichkeit als sogenannter Undersheriff und in anderen Positionen wurde gerühmt. Er galt als ausgezeichneter Administrator, der sämtliche anhängigen Gerichtsfälle erledigte, was etwas noch nie Dagewesenes darstellte. Als römisch-katholischer Christ setzte er sich konsequent für die Autorität des Heiligen Stuhls ein. Gleichzeitig focht er mit der Feder für ein humanes Miteinander der Menschen.

Sein bekanntestes Werk war und ist De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, in dem er ein erfundenes Inselkönigreich beschreibt. Einige moderne Gelehrte verstehen es als ein idealisiertes Gegenbild von Morus zeitgenössischem England, andere sehen darin eine boshafte Satire desselben England. Vielleicht greift Morus auch auf die bereits von Platon im „Timaios“ angewandte Methode zurück. In dem Stadtstaat dieser Insel herrscht eine Art Kommunismus: die Interessen des Einzelnen sind denen der Gemeinschaft untergeordnet. Wie in einem (idealen) Kloster hat jeder zu arbeiten; jedermann bekommt Bildung und genießt religiöse Toleranz. Anders als in der Realität der Renaissance sind Grund und Boden gemeinsamer Besitz. Nach dem Erscheinen in Löwen (Leuven) wurde es bald in mehrere Sprachen übersetzt und wurde der Vorläufer der Romanutopie (u. a. Voltaire: Candide, ou l'optimisme, 1759).

Erasmus von Rotterdam, der mehrfach bei Thomas Morus zu Besuch war, widmete ihm sein Lob der Torheit. Während Morus als sogenannter Undersheriff amtierte, fand er die Zeit, eine Geschichte König Richards III. zu verfassen. Sie wird – auch wegen ihrer meisterlichen Beherrschung der englischen Prosa – als Juwel der englischen Geschichtsschreibung betrachtet. Erasmus von Rotterdam schrieb über ihn: „Thomas Morus, Lordkanzler von England, dessen Seele reiner war als der reinste Schnee, dessen Genius so groß war, wie England nie einen hatte, ja nie wieder haben wird, obgleich England eine Mutter großer Geister ist“.

Nachwirkungen

Thomas Morus ist Namensgeber verschiedener Institutionen, darüber hinaus werden in Deutschland die Thomas-Morus-Medaille der katholischen Thomas-Morus-Gesellschaft Hannover e. V.[1] und seit 2001 der Thomas-Morus-Preis[2] von Lennestadt, dessen Namenspatron er ist, verliehen.

Die Biografien

In Robert Bolts Stück Thomas Morus (A Man For All Seasons) geht es um Sir Thomas' verlorenen Kampf gegen König Heinrichs Entschluss, England eine nationale Kirche zu geben, die er kontrollieren könnte. Zwei Filme wurden auf Grund dieses Stückes gedreht: Ein Mann zu jeder Jahreszeit von 1966 mit Paul Scofield, der sechs Oscars gewann (Bester Film; Regie: Fred Zinnemann; Hauptdarsteller: Paul Scofield; Drehbuch (Adaption): Robert Bolt; Kamera (Farbe): Ted Moore; Kostüme (Farbe): Elizabeth Haffenden, Joan Bridge) und eine Version von 1988 mit Charlton Heston.

Seine Werke

Aktuelle Ausgaben:

  • Utopia, Aus dem Lateinischen von Alfred Hartmann, Diogenes 1981, Zürich, ISBN 978-3-257-20420-9
  • Utopia, üb. v. Gerhard Ritter, Reclam, Stuttgart 1986, ISBN 978-3-15-000513-2
  • Utopia, üb. v. Hermann Kothe, Insel, Frankfurt am Main 1992, ISBN 978-3-458-32906-0
  • Utopia, üb. v. Jacques Laager, Manesse, Zürich 2004, ISBN 978-3-7175-2054-2

Die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf besitzt eine umfangreiche Sammlung mit Werken von und über Thomas Morus, das sogenannte Morianum. Zeitweise gab es auch eine eigene (deutsche), wissenschaftliche Thomas Morus-Gesellschaft mit eigenen Jahrbüchern, die sich aber inzwischen aufgelöst hat. Sitz und Zentrum der Gesellschaft war die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Selig- und Heiligsprechung

1886 erfolgte die Seligsprechung von Thomas Morus durch den Heiligen Stuhl, die Heiligsprechung erfolgte 1935, zu einer Zeit, als die Konflikte zwischen NS-Regime und Katholischer Kirche durch Nichtachtung der Konkordatsvereinbarungen seitens der politischen Machthaber immer offenkundiger wurden. Die Heiligsprechung wurde von einigen als ein Zeichen zum religiösen Widerstand gegen totalitäre Herrschaftsansprüche interpretiert, für den Thomas Morus den Märtyrertod gestorben war. So schrieb etwa Outhbert Wright in einer Besprechung des Buchs Thomas More von W. Chambers nur kurz nach der Heiligsprechung in der New York Times am 18. August 1935:

We have seen the totalitarian State raise its formidable head once more from the ruins of yet another Europe, this time wrought by the World War. We have seen it in Russia, in Italy, in Germany. We are even told that it exists, in germ and embryo, within the United States. And the question inevitably occurs, as Professor Chambers states it at the end of his narrative: "Is the State supreme, or is there a moral law above the laws which the State makes?"

Am 31. Oktober 2000 ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Patron der Regierenden und der Politiker (siehe Homepage des Vatikan). Außerdem ist er der Patron der KjG (Katholische junge Gemeinde) und zahlreicher Katholischer Studentengemeinden, vor allem auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Der Gedenktag in der katholischen Kirche ist der 22. Juni, in der anglikanischen Kirche der 6. Juli.

Literatur

  • Richard Marius: Thomas Morus. Eine Biographie, Benziger Verlag, Zürich 1987, ISBN 3-545-34054-6
  • Peter Berglar: Die Stunde des Thomas Morus. Einer gegen die Macht, Freiburg 1978
    • neu aufgelegt bei: Adamas, Köln 1999, ISBN 978-3-925746-78-9
  • Joseph Bernhart, Thomas Morus, Konrad, 1979, ISBN 978-3-87437-156-8
  • Hans Peter Heinrich: Thomas Morus. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlt, 3. Aufl., Reinbek bei Hamburg 1991, ISBN 3-499-50331-X
  • Dietmar Herz: Thomas Morus zur Einführung, Junius, Hamburg 1999, ISBN 3885063018
  • Stephan Füssel (Hrsg.): Thomas Morus 1477/78-1535. Humanist – Staatsmann – Märtyrer. Katalog zur Ausstellung des Moreanum 1987 in der Stadtbibliothek Nürnberg, Fink (Pirckheimer-Jahrbuch, Band 3), München 1987, ISBN 3-7705-2432-2

Fußnoten

  1. Zur Thomas-Morus-Gesellschaft siehe: http://www.thomasmorusgesh.kulturserver-nds.de/
  2. Stadt Lennestadt online: „Thomas Morus – Stadtpatron von Lennestadt“. Abgerufen am 8. Februar 2008.

Siehe auch

Weblinks


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