Thiole

Thiole
Allgemeine Struktur von Thiolen mit der blau markierten Thiolgruppe (Mercaptogruppe)

Thioalkohole sind organisch-chemische Verbindungen, die eine oder mehrere aliphatisch oder aromatisch gebundene Thiolgruppen (−SH) als funktionelle Gruppen tragen. Thioalkohole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch ein Schwefelatom ersetzt ist. Wie sich die Alkohole formal vom Wasser (H2O) ableiten, sind die Thioalkohole Abkömmlinge des Schwefelwasserstoffs (H2S). Alkanthiole leiten sich direkt von den Alkanen mit Thiolgruppe ab. Thioalkohole bilden zusammen mit den Thiophenolen die Gruppe der Thiole.

Inhaltsverzeichnis

Nomenklatur

Thioalkohole werden wegen ihrer Eigenschaft, Quecksilber-(II)-Ionen zu binden, auch Mercaptane genannt (von lat. Mercurium captans: Quecksilber fangend). Die Namen einzelner Alkanthiole werden aus dem entsprechenden Namen des Alkans und der Endsilbe -thiol gebildet, wie beispielsweise Methanthiol, Ethanthiol usw. Bei Molekülen mit einer funktionellen Gruppe höherer Priorität wird die Vorsilbe Mercapto- (oder Sulfanyl-, veraltet auch Sulfhydryl-[1]) verwendet. Darüber hinaus haben viele Alkanthiole Trivialnamen, z. B. Ethylmercaptan für Ethanthiol.

Herstellung

\mathrm{ R-X \ + \ SH^- \ \longrightarrow \ R-SH \ + \ X^-}

X = Cl, Br, I, R-SO3, RO-SO3, SO4-

Als Nebenprodukte entstehen Thioether:

\mathrm{ R-SH \ + \ SH^- \ \rightleftharpoons \ R-S^- \ + \ H_2S}
\mathrm{ R-S^- \ + \ R-X \ \longrightarrow \ R-S-R \ + \ X^-}

Die Bildung von Thioethern kann durch einen Überschuss von Schwefelwasserstoff unterdrückt werden.

\mathrm{ (NH_2)_2CS \ + \ R-X \ \longrightarrow \ (NH_2)_2CS^+R \ + \ X^-}
\mathrm{ 2 \ (NH_2)_2CS^+R \ + \ 2 \ OH^- \ \longrightarrow \ (H_2N)_2CN-CN \ + \ 2 \ R-SH}

Hier wird durch Elimination von R-SH zunächst Cyanamid gebildet, das zu Dicyandiamid dimerisiert.

\mathrm{ R-OH \ + \ H_2S \ \longrightarrow \ R-SH \ + \ H_2O}

Eigenschaften

Chemische Eigenschaften

Als Homologe der Alkohole – Schwefel steht in der gleichen Hauptgruppe wie Sauerstoff – gehen Thioalkohole ähnliche Reaktionen ein. Ihre Salze heißen Thiolate; die Anionen sind gute Nukleophile. Weiterhin sind sie Reduktionsmittel, die beispielsweise vielfach in der Proteinchemie eingesetzt werden.

Die im Vergleich zur O-H-Bindung schwächere S-H-Bindung führt dazu, dass Thioalkohole stärker sauer sind als die analogen Alkohole und bereits in wässriger NaOH-Lösung Thiolate bilden. Ferner lassen sich Thiole im Gegensatz zu Alkoholen oxidativ zu Disulfiden dimerisieren; dies ist wichtig bei Proteinen, in denen zwei Aminosäure-Ketten über Cystein-Einheiten verknüpft sein können, wobei Cystin-Derivate entstehen.

Physikalische Eigenschaften

Thioalkohole sieden niedriger als die analogen Alkohole, da Schwefel aufgrund der geringeren Elektronegativität zum Wasserstoff keine Wasserstoffbrückenbindungen bildet.

Toxizität

Alkanthiole, vor allem die kurzkettigen Homologe, sind erkennbar an ihrem besonders widerwärtigen Geruch. Sie haben eine toxische Wirkung auf das Zentralnervensystem.

Vorkommen

Thioalkohole im Drüsensekret des Stinktieres

Als Aromastoffe findet man Thioalkohole u. a. in Milch, Käse, Zwiebeln und Knoblauch. Sie werden bei Abbau- und Fäulnisprozessen von organischem Material frei. Mehrere Thioalkohole kommen im Drüsensekret des Stinktiers vor. Weitere Beispiele für das Vorkommen von Mercaptanen sind Rohöl und das Kondensat aus der Erdgasgewinnung. Das Erdgaskondensat aus dem von Katar und dem Iran erschlossenen Gasfeld South Pars kann bis zu 3000 ppm Mercaptane enthalten.

Beispiele für Thioalkohole

Anwendung

Besonders lineare Thiole wie Hexadecanthiol finden in neuerer Zeit verstärkt Anwendung beim Aufbau von selbstorganisierenden Monoschichten (Self Assembling Monolayers, SAM). Die hohe Affinität der Thiolgruppe zu Münzmetallen, insbesondere Gold, führt dazu, dass sich die Thiole spontan in einer hochgeordneten Schicht zusammenlagern, wenn ein Goldsubstrat einer Thiollösung exponiert wird. Wenn die Thiole geeignet funktionalisiert sind, wie zum Beispiel mit ssDNA oder Proteinen, bildet dieses System die Grundlage für Biosensoren (Biacore). Die metallkomplexierende Eigenschaft wird bei verschiedenen Antidoten gegen Schwermetallvergiftungen (z. B. Blei, Quecksilber oder Cadmium) verwendet. Ein weiteren antidotischer Effekt liegt in der reduzierenden Eigenschaft der Sulfhydrylgruppe.

Darüber hinaus werden Brenngasen wie Erdgas oder Campinggas Gemische aus Methanthiol, Ethanthiol, Propan-1-thiol und 2-Methyl-propan-2-thiol (tert.-Butylmercaptan, TBM) als Odorierungsmittel beigemengt. Sie erzeugen „Gasgeruch“, da Erdgas bzw. Methan selbst geruchlos sind, und tragen zur sicheren Verwendung dieser Brennstoffe bei. Ein Beispiel dafür ist die unbeabsichtigte Freisetzung des Odorierungsmittels am 16. Januar 2001 im Stadtlabor von Bern, wonach die Altstadt wegen Gasgeruchs für den Verkehr gesperrt wurde[3].

Einzelnachweise

  1. Römpp CD 2006. Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-143321-3.
  2. a b c Hans Beyer, Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie. 23. Auflage, S. Hirzel, Stuttgart 1998, ISBN 3-7776-0808-4.
  3. news.ch: Gasgeruch in Berner Altstadt. 16. Januar 2001.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Thiole — Thiole,   organische Verbindungen mit der funktionellen Gruppe SH, die der Gruppe OH bei Alkoholen und Phenolen entspricht (Thioalkohole beziehungsweise Thiophenole; formal die Halbester des Schwefelwasserstoffs, Sulfide); sie haben die… …   Universal-Lexikon

  • thiole — SYN: thiophene …   Medical dictionary

  • Alkanthiol — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Alkanthiole — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Mercaptan — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Mercaptane — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Mercapto — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Merkaptan — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

  • SH-Gruppe — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Thioalkohol — Allgemeine Struktur von Thiolen Alkanthiole (kurz als Thiole bezeichnet) sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Thiolgruppen (SH Gruppen) als funktionelle Gruppen tragen. Alkanthiole entsprechen Alkoholen, deren Sauerstoffatom durch… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”