Theodor Zöckler

Theodor Zöckler

Theodor Zöckler (* 5. März 1867 in Greifswald; † 18. September 1949 in Stade) war ein evangelischer Pfarrer aus Pommern, der vor allem in Ostgalizien wirkte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Theodor Zöckler stammte aus dem pommerschen Greifswald, sein Vater war der Theologieprofessor Otto Zöckler, ein Vertreter der pietistisch-positiven Theologie. Theodor Zöckler studierte u. a. bei Franz Delitzsch, der ihn für die Judenmission begeisterte. 1891 wurde Zöckler Pfarrer der evangelischen Deutschen in Stanislau (heute Iwano-Frankiwsk, Ukraine), das zum seinerzeit österreichischen Kronland Galizien gehörte. Die evangelische Kirche in Galizien war in 24, fast ausschließlich deutschsprachige, lutherische und reformierte Gemeinden gegliedert; nur drei der 16 Pfarrer waren Polen. Die Evangelischen betätigten sich unter den Ukrainern missionarisch.

Zöckler wurde bald mit der Not der Deutschen in jener Gegend konfrontiert. So kam es 1896 zur Gründung der evangelischen Anstalten in Stanislau. Die Zöckler’schen Anstalten, deren Gebäude noch heute im Zentrum von Iwano-Frankiwsk existieren, verstanden sich als eine diakonische Wohneinrichtung für Waisen, die bald um eine deutsche Schule mit Volksschul- und Gymnasialzweig sowie eine Fabrik für Landwirtschaftsmaschinen ergänzt wurden. 1913 erfolgte der Aufbau einer Pflegeanstalt. So wurde ihr Ruf als „Bethel des Ostens“ und der Zöcklers als „Bodelschwingh des Ostens“ begründet, und er wurde zur allgemein anerkannten Führungspersönlichkeit der Galiziendeutschen. Neben der karitativen Arbeit erwies Zöckler sich als ein Protagonist der Ökumene, der beste Kontakte zu anderen Konfessionen wie Völkern besaß. Mit Bodelschwingh hatte er auch gemein, dass beide (wie auch Zöcklers Vater) Mitglied im Wingolfsbund, einer christlich-überkonfessionellen Studentenverbindung waren.

Während des 1. Weltkrieges flüchtete Zöckler mit seiner Familie zunächst nach Linz und später weiter in die Schweiz. 1919 war schließlich die Rückkehr nach Stanislau möglich. Galizien gehörte nun zum wieder gegründeten Polen. In der Aufbauzeit des Kirch- und Schulwesens gelang es ihm, dieses im Sinne der Inneren Mission zu tun. Dabei erfuhr er Unterstützung aus dem Deutschen Reich. Das schwierige Verhältnis zwischen polnischem und deutschen Staat wirkte sich auch auf die Situation der Deutschen in Polen aus. In der Folge gerieten die Anstalten in Probleme. Der Evangelische Pressedienst meldet im Juni 1939: „Die von D. Zöckler begründeten Stanislauer Anstalten sehen sich gezwungen, Zöglinge zu entlassen, da die polnischen Behörden den deutschen evangelischen Liebeswerken rückwirkend für sechs Jahre heute Steuern auferlegt haben.“

Der Kriegsbeginn bedeutete das Ende der Zöckler’schen Anstalten, die nach dem Krieg im Diakonissenmutterhaus „Ariel“ Zöcklerische Anstalten in Göttingen-Weende ihre geistige und geistliche Fortsetzung erfuhren.

Zu Beginn der 2. Weltkriegs inhaftierte die polnische Polizei Zöckler. Doch er kam bereits am 16. September 1939 wieder frei und wurde Weihnachten des Jahres – wie alle galizischen Deutschen – in das „Wartheland“ umgesiedelt. Im Januar 1945 erfolgte die überstürzte Flucht vor der heranziehenden sowjetischen Armee. Zöckler gelangte nach Stade.

1946 gründete er mit Unterstützung von früheren Vertrauensleuten das Hilfskomitee der Galiziendeutschen A. u. H. B. im Diakonischen Werk der EKD e. V. Der Verein gewährte den über ganz Deutschland verstreuten galiziendeutschen Flüchtlingen Hilfe, sofern sie sich in Not befanden. „Zunächst waren die Aufgaben seelsorgerliche, materielle und kulturelle Betreuung der über ganz Deutschland verstreuten Flüchtlinge, z. B. Besuchsdienst, Familienzusammenführung, Hilfe bei Unterkunft, Beratung bei Auswanderungsabsicht usw.“.[1]

Zöckler war bereits seit langem fast ertaubt, als er am 18. September 1949 in Stade verstarb. Sein Grab auf dem dortigen Horstfriedhof hat sich erhalten (2011).

Theodor Zöckler, eine energische und gebildete Persönlichkeit, verschaffte als Superintendent – was im Fall der galizischen evangelischen Kirche das höchste Leitungsamt war – seiner Kirche im In- und Ausland viel Anerkennung. Persönlich erfuhr er große Wertschätzung auch unter den Ukrainern, so wurde er von einigen „Kyr Theodor“ genannt.

Auszeichnungen

  • 1937/1938 – Nicolaus Kopernicus-Preis. Bestimmt für das „Deutschtum in Polen“, später „im ehemaligen Polen“ Verleihung durch die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau

Schriften

Als Verfasser

  • Aus Jechiel Lichtensteins hebräischen Kommentar zum Neuen Testament; Leipzig 1895
  • Zeugenaufgabe der Diaspora; o.J.
  • Innere Mission in der Diaspora; 1896
  • Der Evangelische Hülfsbund für Innere Mission in der Diaspora d. h. unter den zerstreuten Glaubensbrüdern: Eine Übersicht über sein Werk und seine Aufgaben; Plau: Püschel, 1908 (21912) (zusammen mit Wiegand, August)
  • Das Evangelische Kinderheim in Stanislau: Ein Rückblick und ein Hülferuf; Stanislau: Anstaltsleitung, 1912
  • Das Deutschtum in Galizien; Weimar: Heimat und Welt; Weimar: Duncker, 1915 (2.Auflage: Dresden: Heimat- und Welt-Verlag, 1917)
  • Christian Theophilus Lucky; in: Saat auf Hoffnung 60; Leipzig 1917; S. 2–8
  • Helft, dass das Feuer nicht erlischt!; Linz: Wimmer, 1929 (zusammen mit Lempp, Wilfried)
  • Dürfen wir so weitermachen?; Stanislau: Evangelische Anstalten, 1933 (zusammen mit Lempp, Wilfried)
  • Denkschrift betr. die evangelisch-ukrainische Bewegung in Kleinpolen (19. Juli 1933); in: Die evangelische Kirche in Österreich, Belgien, Polen, Elsass-Lothringen, Siebenbürgen, Spanien, Ungarn, Ukraine, Bd. II
  • Weihnachtsbitte der evangelischen Anstalten in Stanislawow, Polen; Stanislau: Evangelisches Kinderheim, 1935
  • Die Erbschaft und andere Erzählungen; Posen: Luther-Verlag; Leipzig: H. G. Wallman, 1936 (2. Auflage: Posen: Lutherverlag, 1942)
  • Der Mann ohne Taufschein: Er führet mich auf rechter Straße. Erzählung aus Galizien; Posen: Luther-Verlag; und Leipzig: H. G. Wallman, 1936
  • Was ein altes Buch vermag: Eine Erzählung aus Galizien; Posen: Luther-Verlag; Leipzig: H. G. Wallman, 1936
  • 25 Jahre Diakonissenarbeit im polnischen Karpathenland: Sarepta. Rückblick und Ausblick; Kirchnüchel, Ostholstein: Evangelischer Hilfsbund für Innere Mission in der Diaspora; Gallneukirchen, Oberösterreich: Frau Blaßl, 1938
  • Die Liebe Christi als die treibende Kraft der inneren Mission; Wien: Evangelischer. Zentralverein für. Innere Mission in Österreich, 1917
  • Die zerbrochene Brille; Konstanz: Christliche Verlagsanstalt, 1954; ISBN B0000BPXZF

Als Herausgeber

  • Evangelisches Gemeindeblatt in Stanislau (1904–1939)
  • Jahresberichte der evangelischen Anstalten in Stanislau

Literatur

  • Maria Klanska: Theodor Zöckler und die Galiziendeutschen. In: Studia Germanica Posnaniensia 24, 1999, ISSN 0137-2467, S. 103–120.
  • Wilfried Lempp: Theodor Zöckler und die Zeugenaufgabe der evangelischen Diaspora. Verlag „Junge Gemeinde“, Stuttgart 1961, (Gotteszeugen 63, ISSN 845002-x), (Der Autor war mehrjähriger Mitarbeiter Zöcklers).
  • Rudolf Mohr: Bodelschwingh des Ostens. 80 Jahre deutsches Gymnasium in Stanislau. In: Der Gemeinsame Weg 96, 1999, ISSN 0938-6343, S. 36–37.
  • Erich Müller: Zöckler und der Bund der christlichen Deutschen in Galizien. In: Jahrbuch Weichsel-Warthe 45, 1999, ZDB-ID 533266-7, S. 88–94.
  • Roland Walloschke: Zöcklers Wirken gegen die Auswanderung und die Geschichte des Bundes. In: Zeitweiser der Galiziendeutschen 37, 1999, ZDB-ID 507473-3, S. 52–58.
  • Christian Erasmus Zöckler: Theodor Zöcklers Standpunkt – Wirken und Widerstand im Nationalsozialismus. Superintendent Zöcklers vergebliche kirchenpolitische Memorenden. In: Zeitweiser der Galiziendeutschen 39, 2001, ZDB-ID 507473-3, S. 92–99.
  • Christian Erasmus Zöckler: Wie kam es zur Gründung der Zöckler'schen Anstalten in Stanislau? In: Zeitweiser der Galiziendeutschen 35, 1997, ZDB-ID 507473-3, S. 38–44.
  • Christian Erasmus Zöckler: Ein Leben für die Kinder: Theodor Zöckler und Lillie Zöckler. Das Bethel des Ostens. Edition Epb, Bergisch Gladbach 2005, ISBN 3-937835-07-5, (Der Autor ist ein Enkel Theodor Zöcklers).
  • Lilly Zöckler: Gott hört Gebet. Das Leben Theodor Zöcklers. Quell-Verlag, Stuttgart 1951, (Aus klaren Quellen 40, ZDB-ID 846474-1), (Die Verfasserin, Ehefrau von Theodor Zöckler, berichtet von den missionarischen und diakonischen Aktivitäten ihres Mannes).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Konvent der ehemaligen evangelischen Ostkirchen: Hilfskomitee der Galiziendeutschen

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