Theodor Meynert

Theodor Meynert
Theodor Meynert

Theodor Meynert (* 15. Juni 1833 in Dresden; † 31. Mai 1892 in Klosterneuburg, Niederösterreich) war ein deutscher Psychiater und Neuroanatom. Meynert war von 1870 bis zu seinem Tod Professor in Wien.

Meynert galt neben Paul Flechsig in Leipzig als der führende europäische Neuroanatom. Sigmund Freud, Auguste Forel und Carl Wernicke studierten bei oder arbeiteten unter ihm.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Theodor Meynert kam am 15. Juni 1833 in Dresden als Sohn des Schriftstellers, Kritikers und Geschichtsschreibers Hermann Meynert zur Welt. Seine Mutter, Marie Meynert (geb. Emmering), war vor ihrer Heirat Sängerin an der Dresdner Oper. Bereits mit drei Jahren übersiedelte Theodor Meynert mit seinen Eltern nach Wien.

Meynert studierte an der Universität Wien Medizin und wurde von dem großen Pathologen Carl von Rokitansky gefördert. Dieser habilitierte ihn 1865 für das Lehrfach „Bau und Funktion des Gehirns und Rückenmarks“. Gleichzeitig mit seiner Habilitation übernahm Meynert die Stelle eines Sekundararztes und Prosektors an der Wiener Irrenanstalt. Im Jahre 1870 wurde er zum a.o. Professor der Psychiatrie an der Wiener Universität und zum Direktor der neu errichteten Psychiatrischen Klinik des Allgemeinen Krankenhauses ernannt. Im Jahre 1873 erfolgte Meynerts Ernennung zum ordentlichen Professor. Erst zwölf Jahre später wurde sein Wunsch nach einer seine Klinik fachlich ergänzenden Abteilung für Nervenkranke erfüllt.

Theodor Meynert verstarb am 31. Mai 1892 in Klosterneuburg (Niederösterreich).

Im Jahr 1894 wurde in Wien Alsergrund (9. Bezirk) die Meynertgasse nach ihm benannt.

Sein Enkel war der Psychiater Franz Günther von Stockert.

Werk

Meynerts Wirken setzte mitten in der zweiten Glanzperiode der Wiener medizinischen Fakultät ein. Er selbst wurde neben Wilhelm Griesinger in Berlin zum Begründer einer naturwissenschaftlich ausgerichteten Psychiatrie und, im Geiste Rokitanskys, einer vergleichenden Anatomie des Zentralnervensystems. Es gelang ihm, die Systeme der unwillkürlichen reflexartigen Bewegungen von jenen später entwickelten Bahnen der willkürlichen Innervation auch morphologisch zu trennen. Meynert brachte in das komplizierte Fasersystem des Gehirns eine Übersicht, als er den „Assoziationssystemen“ als Verbindungsbahnen der einzelnen Hirnabschnitte einer Hemisphäre des Gehirns und den die einander entsprechenden Punkte beider Hemisphäre verbindenden „Kommissurenbahnen“ die „Stabkranzsysteme“ gegenüberstellte, die eine Projektion der rezeptiven Vorgänge der Außenwelt auf die Hirnrinde gewährleisten und andererseits die Impulse der Hirnrinde an die Peripherie leiten. Seine entscheidende hirnanatomische Tat war wohl die Feststellung eines Systems der Verschiedenschichtigkeit der einzelnen Hirnrindenregionen mit z. T. typischen Zellformen. Er wurde damit der Begründer der Zytoarchitektonik im Sinne einer regionalen Zellgliederung der Hirnrinde, die von Korbinian Brodmann ausgebaut und in Wien durch Constantin Economo in einem Monumentalwerk, das er dem Andenken Meynerts widmete, einer gewissen Vollendung zugeführt wurde.

Neben den besonderen bahnenanatomischen Fragestellungen beschäftigten Meynert auch Probleme der morphologischen Pathologie. So grenzte er den Befund bei progressiver Paralyse von anderen hirnatrophischen Prozessen ab.

Meynert wirkte zu seiner Zeit auch im Ausland in hervorragendem Maße schulebildend: Carl Wernicke, der Schweizer Psychiater August Forel, Gabriel Anton und Franz Chvostek junior waren seine Schüler.

Meynert war Herausgeber des „Wiener Jahrbuches für Psychiatrie“ sowie Mitherausgeber des „Archivs für Psychiatrie und Nervenkrankheiten“ (Berlin). Zusammen mit Maximilian Leidesdorf gab er die „Vierteljahrschrift für Psychiatrie“ (Neuwied und Leipzig) heraus.

Werke (Auswahl)

(ausgewählt aus insgesamt 127 Publikationen

  • Die Bloßlegung des Bündelverlaufs im Großhirnstamme. Österreichische Zeitschrift für praktische Heilkunde 1865
  • Der Bau der Großhirnrinde und seine örtliche Verschiedenheiten nebst einem pathologisch-anatomischen Korollarium. Leipzig 1868
  • Vom Gehirn der Säugetiere. In Stricker: Handbuch der Lehre von den Geweben der Menschen und Tiere. 1869
  • Klinik der Erkrankungen des Vorderhirns. 1884
  • Klinische Vorlesungen über Psychiatrie. Wien 1890
  • Gedichte. Veröffentlicht postum von Dora v. Stockert-Meynert, Wilhelm Braumüller, Wien und Leipzig 1905

Eponyme

  • Meynert-Bündel (Fasciculus retroreflexus): Faserzug von den Nuclei habenulae (Epithalamus) zum Nucleus interpeduncularis (Tegmentum mesencephali).
  • Meynert-Haubenkreuzung (Decussatio tegmentalis): die dorsal in der Mittellinie des Tegmentum mesencephali (Mittelhirnhaube) kreuzenden Fasern des Tractus tectospinalis.
  • Meynert-Basalkern (Nucleus basalis): eine Ansammlung von Nervenzellen in Substantia inominata.
  • Meynert-Schicht: Zellschicht in der Sehrinde am Sulcus calcarinus.
  • Meynert-Achse: Vertikale Achse durch den Hirnstamm. Ihr gegenübergestellt ist die Forel-Achse.

Literatur

Weblinks


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