Tempel von Newgrange

Tempel von Newgrange
Newgrange heute, nach der Teilrekonstruktion
Übersicht zur Lage von Newgrange zwischen Knowth und Dowth

Newgrange bezeichnet ein gewaltiges Hügelgrab in der irischen Grafschaft Meath am Fluss Boyne. Vom Typ her handelt es sich um ein Passage tomb (dt. Ganggrab) mit kreuzförmiger Kammer und Kraggewölbe, was nicht sehr häufig ist, aber auch auf Anglesey und Orkney vorkommt.

Der Name „Newgrange“ geht darauf zurück, dass die Umgebung 1142 Teil der Ländereien der Mellifont Abbey wurde. So entstand die Bezeichnung „new grange“ („neues Gehöft“). Auf Irisch wird die Gegend als Brú na Bóinne [ˈbruː nə ˈboːnʲə] „Herberge/Wohnstatt am (Fluss) Boyne“ oder ursprünglich wohl „Wohnstatt der (Göttin) Bóinn“) bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Newgrange liegt oberhalb einer weiten Flussbiegung in einem der fruchtbarsten und daher von jeher landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebiete Irlands. Die Anlage wurde ca. 3150 v. Chr. erbaut, und zwar von einem Volk, das dort lebte, lange bevor die Kelten nach Irland kamen. Sie ist eine der weltweit bedeutendsten Megalithanlagen und eine der ältesten, die einen Kalenderbau darstellen. In unmittelbarer Umgebung liegen mit Dowth und Knowth zwei weitere bedeutende Megalithanlagen, die zeitliche Vorläufer zu sein scheinen. 1993 wurden die Anlagen von Newgrange, Knowth und Dowth zum Weltkulturerbe erklärt.

Geschichte

Der Eingang um 1905
Heutiger Eingang (Entwurf O'Kelly, 1972) mit Lichtöffnung

Newgrange verfiel über die Jahrhunderte, der Grabhügel verschmolz mit der Landschaft und wurde als natürliche Hügelkuppe wahrgenommen. Bäume wuchsen auf der Anlage und der Hügel wurde als Weideland genutzt. Erst 1699 entdeckte Charles Campbell, der damalige Grundbesitzer es zufällig, als er einen Haufen Steine entfernen ließ. Edward Lhuyd von der Oxford University, der Irland zu dieser Zeit bereiste, machte sorgfältige Notizen und Zeichnungen über den Zustand im Jahre 1699. Der nächste Wissenschaftler, der Newgrange beschrieb war Sir Thomas Molyneux, Physikprofessor an der University of Dublin. Er war der erste, der erwähnte, dass zwei menschliche Skelette auf dem Boden des Grabes gefunden worden waren. Sir Thomas Pownall war der dritte Wissenschaftler vor Ort. Viele spätere Beschreibungen beruhen im Wesentlichen auf den Berichten dieser drei Männer.

1882 trat ein Gesetz zum Schutz antiker Monumente (Ancient Monument Protection Act) in Kraft, das Newgrange, Dowth und Knowth unter den Schutz des Staates stellte. Die zuständige Behörde grub im späten 19. Jahrhundert einige der verzierten Steine aus, ohne jedoch eine systematische Erforschung durchzuführen. 1911 erschien mit George Coffey’s Buch "New Grange and other Incised Tumuli in Ireland" eine ausführliche archäologische Beschreibung des damaligen Wissensstandes. Im folgenden fanden immer wieder Ausgrabungen statt, so 1928 und 1956 am äußeren Steinring. In den 50er Jahren wurden in der Umgebung Flintsteine und ein Dexel entdeckt. Daraufhin plante der Chefarchäologe der Irischen Tourismusbehörde (Bord Failte) weitere, systematische Ausgrabungen.

Diese fanden ab 1962 unter Leitung von Professor Michael J. O'Kelly vom Trinity College Dublin statt. Während dieser umfangreichen Ausgrabungen wurde die astronomische Ausrichtung des Eingangs erkannt. Im Inneren wurden 1967 die Überreste von fünf Menschen und diverse Grabbeigaben entdeckt. Der Mörtel, der im Inneren zur Abdichtung des Daches verwendet wurde, wurde mittels Radiokohlenstoffdatierung auf 3200 V.Chr. datiert.

Rekonstruktion

Detail der heutigen Fassade mit Quarzsteinen

Michael O’Kelly leitete auch die Rekonstruktion, die bis 1975 dauerte. Dabei wurde angestrebt, dem Besucher ein möglichst realistisches Bild der ursprünglichen Anlage zu geben. Zudem sollte der Zugang für Besucher zum Inneren ermöglicht werden. So wurde der Eingang 1972 von O'Kelly entworfen, und im Inneren wurden zahlreiche Betonstützen eingebaut.

Neben diesen drastischen Eingriffen ist auch die Fassade ein Kritikpunkt für Historiker. Das heutige Erscheinungsbild ist eine Interpretation der Funde von O'Kelly. Einige Kritiker sagen, dass eine Stützwand in diesem Winkel mit der damaligen Technologie nicht realisierbar gewesen wäre. O'Kelly verwendete Stahlbeton. Die Quarzsteine, die in die Stützwand eingemauert sind, wurden weit verstreut gefunden. Es ist nicht bekannt, wie sie ursprünglich angeordnet waren. Professor George Eogan bezweifelt die ausgeführte Interpretation, in Knowth wurden die Steine daraufhin am Boden belassen.

Aufbau

Verzierter Steinblock am Eingang

Die Anlage hat einen Durchmesser von gut 70 m. Der aufgeschüttete Hügel besteht überwiegend aus Stein und Grassoden, von einem fixierenden Steinring begrenzt, der nach Meinung der Wissenschaftler ursprünglich eine drei Meter hohe Mauer aus Granit und an der Zugangseite aus weißem Quarzit trug. Er wurde nach der Ausgrabung entsprechend nachgebildet.

Ein ca. 22 m langer Gang unter dem Hügel endet in einer kreuzförmigen Grabkammer. Sie hat ein ca. 7 m hohes sogenanntes Kraggewölbe und ist nach über 5000 Jahren immer noch wasserdicht. In einer der drei Nischen der Kammer fand sich ein großer verzierter Altarblock (wie auch in Knowth) mit einer seichten Mulde. Auf ihm fanden sich verbrannte menschliche Knochen. An etwa 13 Tagen eines jeden Jahres dringt um die Wintersonnenwende bei Sonnenaufgang ein Lichtstrahl durch eine Öffnung über dem Eingang für ca. 15 min in den Gang und die Kammer. Weil die Erdachse im Verlauf von vielen tausend Jahren wegen der Präzession pendelt, ist der Lichteffekt heutzutage etwas schwächer als zur Bauzeit; der Lichtstrahl erreicht nicht mehr die hintere Platte der inneren Kammer, sondern endet ca. 1 Meter vorher.

Die nächste bauliche Entsprechung hat diese Anlage in ihrem Vorgänger Knowth (wenige hundert Meter entfernt). Es gibt Anzeichen dafür, dass vormals die gesamte Anlage wie die von Knowth von einem verzierten Steinring umstanden war; hiervon sind nur noch 12 Steine evident.

Im Umfeld der Anlage befand sich eine Siedlung der Grooved ware und der Glockenbecherkultur.

Tourismus

Es ist möglich, Newgrange zu besuchen, der Zugang ist allerdings streng reglementiert. So ist es nicht möglich, das Steinzeitmonument individuell zu betreten, man gelangt nur etwa 100 m an die eingefriedete Anlage heran. Stattdessen müssen Touren im Visitor Center auf der anderen Seite des Flusses gebucht werden.

Literatur

  • W. Antpöhler: Newgrange, Dowth und Knowth. 2000. ISBN 3-89060-022-0, engl. ISBN 1856353176
  • George Coffey: New Grange and other Incised Tumuli in Ireland. Hodges, Figgis & Co. Ltd., Dublin 1912
  • Michael J. und Claire O'Kelly: Newgrange: archaeology, art and legend. 1982. ISBN 978-0500390153, engl. ISBN 0500390150
  • Shee E. Twohig: Irish megalithic tombs. 2. Auflage. Shire, 2004
  • G. Stout: Newgrange and the Bend of the Boyne. Cork University Press, Cork 2002

Weblinks

53.694166666667-6.47666666666677Koordinaten: 53° 41′ 39″ N, 6° 28′ 36″ W


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