Telegraf (Zeitung)

Telegraf (Zeitung)
Extrablatt zum 17. Juni 1953 Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD Bonn)

Der Telegraf war eine SPD-nahe Tageszeitung im Berlin der Nachkriegsjahre. Sie wurde 1946 von Arno Scholz gegründet. Ihre Auflage wuchs schon im ersten Erscheinungsjahr auf 550.000 Exemplare und die Zahl der Mitarbeiter des allmählich entstehenden Medienkonzerns stieg auf über 700 an.[1] Die Zeitung konnte gerade noch ihr 25-jähriges Bestehen feiern, als im Zuge der sich verändernden Ostpolitik ihre ehemalige ideologische Grundlage entfiel und sie dann 1972 eingestellt werden musste.

Am 15. März 1946 erhielt der frühere Vorwärts-Reporter, Redakteur der Hannoverschen SPD-Zeitung Volkswille bis 1933 und anerkannte Widerstandskämpfer Arno Scholz von der britischen Militärverwaltung Berlin die Lizenz zur Gründung dieser Tageszeitung – ohne die damals übliche Gebietsbeschränkung. Als Mitlizenzträger konnte er den früheren Reichstagspräsidenten Paul Löbe sowie Annedore Leber, die Witwe des von den Nazis ermordeten Julius Leber, gewinnen. Dazu konnte er die Druckerei der britischen Tageszeitung Der Berliner übernehmen, wo er zuvor Geschäftsführer war. Mit den Jahren wuchs daraus ein ganzer Medienkonzern mit drei weiteren Zeitungen und einer Illustrierten (Mosaik, Blickpunkt, Puck und Illus), deren Ausgaben auch in Ostberlin verkauft wurden. Es wurde zusätzlich die Ausgabe Der kleine Telegraf (im DINA5-Format) mit eigenen illegalen Korrespondenten in Ostberlin und in der Sowjetzone herausgegeben, deren Auflage (rund 100.000 Exemplare) unter der Hand im Osten verteilt wurden. Der kämpferische Telegraf hatte es sich von Anfang an zum Ziel gesetzt, die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED zu verhindern, was sich bei den Berliner Wahlen 1946 auch in Zahlen niederschlug: Fast 50 Prozent der Gesamt-Berliner entschieden sich für die SPD – für die SED keine 20.

Neben der starken Konkurrenz durch die Berliner Morgenpost und die B.Z. verlor der Telegraf dann ausgerechnet wegen der rückhaltlosen Unterstützung der sozial-liberalen Ostpolitik viele Leser, die Gefahren für die Sicherheit West-Berlins sahen. Dazu kamen die Verluste durch den Bau der Mauer – Ost-Berliner konnten die Zeitung nicht mehr kaufen. 1971 starb auch noch der Gründer, Herausgeber, Verleger und Leitartikler Arno Scholz. Die Zeitung wurde nach einem erfolglosen letzten Rettungsversuch durch die SPD-eigene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft endgültig eingestellt.[2] Das umfangreiche Foto-Archiv mit etwa 130.000 Fotos ging über in den Besitz der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Einzelnachweise

  1. Dietrich Oppenberg: Handbuch Deutsche Presse 1947. Reprint des Zeitungsteils. Econ Verlag, Düsseldorf 1996, ISBN 3-430-17288-8 (S. 271).
  2. Bericht im Spiegel Nummer 28/1972 vom 3. Juli 1972.

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