Telefonseelsorge

Telefonseelsorge
Hinweisschild an der Golden Gate Bridge
Still-Leben auf dem Ruhrschnellweg / A40 in Mülheim an der Ruhr

Bei der Telefonseelsorge (Schweiz: Die Dargebotene Hand, engl.: „telephone emergency services“, „crisis hotline“ oder „Samaritans“) handelt es sich um Hilfseinrichtungen zur telefonischen Beratung von Menschen mit Sorgen, Nöten und in Krisensituationen. Die Telefonseelsorge dient als Krisendienst unmittelbar der Suizidprävention. Sie ist in den meisten Ländern rund um die Uhr erreichbar. Es handelt sich um ein Beratungs- und Seelsorgeangebot, das vorwiegend von Ehrenamtlichen gewährleistet wird. Über das telefonische Angebot hinaus gibt es in vielen Ländern von der Telefonseelsorge zusätzlich auch im Internet ein Beratungsangebot per Mail oder Chat.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Telefonseelsorge

Die Idee einer Telefonseelsorge entstand zuerst in protestantischen Pfarrhäusern: 1892 erstmals in New York und dann 1953 in London wurden Pfarrer auf die steigende Zahl von Suizidversuchen und Selbsttötungen in ihren Großstädten aufmerksam. Sie boten ihre Telefonnummern in Zeitungsinseraten an, um diesen Menschen noch ein Gespräch, ein menschliches Ohr, ein Angebot zur Hilfe in ihrer Verzweiflung geben zu können. So gab der anglikanische Pfarrer einer Londoner Innenstadtgemeinde, Chad Varah, am 2. November 1953 in der Times die Anzeige auf: „Before you commit suicide, ring me up. Telephone Mansion House 9000“ („Bevor Sie Selbstmord begehen, rufen Sie mich an“). Diese Begebenheit wird als die Geburtsstunde der Telefonseelsorge angesehen.

Aus der Initiative Einzelner wurde in England die Bewegung der Samaritans, die sich auch auf andere Länder ausgeweitet hat. Parallel zu den Samaritans hat sich ein weiterer Dachverband, IFOTES, entwickelt. In den meisten Ländern werden die Stellen von Personenvereinigungen getragen. In Deutschland und Österreich sind zumeist Kirchen Träger der Telefonseelsorge. Die erste Telefonseelsorge in Deutschland wurde von der Telefonseelsorge Berlin e. V. 1956 in Berlin gegründet. – Durch die Idee und die anschließende Etablierung der Telefonseelsorge weltweit wurden in der Folge verschiedene andere telefonische Notfallberatungen initiiert, so wie Suchtnotrufe, Kindersorgentelefone, Beratungstelefone für Gewaltopfer und so weiter.

Internationale Grundsätze

  • Anonymität: Ratsuchende werden nicht nach ihrem Namen gefragt, sondern können anonym bleiben. Auch die Telefonseelsorger bleiben anonym.
  • Verschwiegenheit: Alle Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht.
  • Erreichbarkeit: Die Telefonseelsorge-Stellen sind in den meisten Ländern Tag und Nacht erreichbar, an allen Tagen des Jahres.
  • Kompetenz: Die Mitarbeiter der Telefonseelsorge werden ausgewählt, ausgebildet, kontinuierlich weitergebildet und durch regelmäßige Supervision von Fachleuten begleitet.
  • Offenheit: Die Telefonseelsorge ist offen für alle Problembereiche, für alle Anrufenden in ihrer jeweiligen Situation. Sie ist da für alle Anrufenden – unabhängig von Konfession und Weltanschauung, von Nationalität oder Geschlecht.
  • Gebührenfreiheit: Für die Ratsuchenden entstehen keine Kosten außer den Verbindungsentgelten (in Deutschland übernimmt die Telekom als Partner der Telefonseelsorge die Verbindungsentgelte).

Internationale Vernetzung

Es gibt weltweit zwei Dachverbände für Telefonseelsorge: IFOTES (International Federation of Telephone Emergency Services) und die Samaritans. In der gültigen Fassung der „Ethik Charta“ von IFOTES (verabschiedet in Jerusalem am 14. Juli 1994) sind die internationalen Grundsätze der Telefonseelsorge festgehalten. Die Grundsätze der Samaritans und von IFOTES sind weitgehend identisch. Über die internationalen Normen hinaus gibt es Regelungen der nationalen Verbände sowie Satzungen und Konzeptionen der jeweiligen Stellen vor Ort. Diese dienen dazu, die Idee der Telefonseelsorge entsprechend den nationalen und regionalen Gegebenheiten zeitgemäß zu verwirklichen und konkrete Mindeststandards zu gewährleisten. Tagungen und Kongresse auf nationaler und internationaler Ebene fördern dabei den Austausch und die Verständigung auf fachlicher Ebene aber auch von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion. Der Grundsatz, möglichst unvoreingenommen auf Ratsuchende einzugehen, kann so in der Begegnung mit fremden und unbekannten Menschen aus anderen Telefonseelsorge-Einrichtungen erlebt und eingeübt werden.

Literatur

  • Franz-Josef Hücker: Sorgen kann man teilen. Das Konzept der Telefonseelsorge. In: Sozial Extra 3/4 2011, 35. Jg. (VS Verlag Wiesbaden), S. 10-15.
  • Traugott Weber (Hg.), Handbuch Telefonseelsorge, Göttingen ²2006, ISBN 3-525-62386-0.
  • Helmut Harsch, Theorie und Praxis des beratenden Gesprächs : Ausbildungskurs d. Evang. Telefonseelsorge München. München 1973.
  • Chad Varah, Samariter. Hilfe durchs Telefon. Stuttgart 1966.
  • Stange, Erich, Telefonseelsorge, Kassel 1961.

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