Tasten

Tasten
Ertasten einer Betonstruktur
haptischer Pfad zur Förderung der Sinneswahrnehmung, aus Park der Sinne, Laatzen/Hannover

Als haptische Wahrnehmung (griech.: haptόs „fühlbar“, haptikόs „zum Berühren geeignet“) bezeichnet man das aktive Erfühlen von Größe, Konturen, Oberflächentextur, Gewicht usw. eines Objekts durch Integration aller Hautsinne und der Tiefensensibilität. Die Gesamtheit der haptischen Wahrnehmungen erlaubt es dem Gehirn, mechanische Reize, Temperaturreize und Schmerz zu lokalisieren und zu bewerten.

Die Lehre von der haptischen Wahrnehmung wird als Haptik bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Mensch

Die Sinne der haptischen Wahrnehmung beim Menschen sind:

Bei der haptischen Wahrnehmung ist der Motorkortex immer aktiv; sie steht damit im Gegensatz zur Wahrnehmung passiver Reizeinwirkungen, wie berührt werden. Lederman & Klatzky (1987) haben die folgenden Erkundungsprozeduren (exploratory procedures) identifiziert:

  1. Überstreichen der Oberfläche (lateral motion)
  2. Drücken (pressure)
  3. Umfassen (enclosure)
  4. Konturen nachfahren (contour following)

Für eine Übersicht über die Fühlsinne des Menschen siehe Sensibilität.

Säugetiere

Der Tastsinn der Säugetiere beschreibt die Wahrnehmung mechanischer Umwelteinflüsse über verschiedene Mechanorezeptoren der Haut oder besondere Tasthaare (Vibrissen). Die mit den haptischen Wahrnehmungen verbundenen Informationen ermöglichen es dem Gehirn, Berührungen, Drücke und Temperaturen zu lokalisieren und zu bewerten. Die Aufnahmekapazität (beim Menschen) beträgt pro Sekunde etwa 1 Million Bit.

Die Weiterleitung der verschiedenen Reize geschieht über unterschiedlich schnelle Nervenzellen. Durch Verschaltungen wird eine Habituation ermöglicht, die es gestattet, überflüssige Informationen (beim Menschen z. B. durch die Kleidung) zu unterdrücken, welche sonst eine „Überlastung des Systems“ hervorrufen würden.

Im Einzelnen werden unterschieden:

Qualität Rezeptor Charakter Adaptation
Druck Merkel-Zellen, Ruffini-Körperchen Intensitätsdetektoren (Proportional) langsam
Berührung Meissner-Körperchen, Haarfollikelrezeptoren Geschwindigkeitsdetektoren (Differential) schnell
Vibrationen Vater-Pacini-Körperchen Beschleunigungsdetektoren sehr schnell
Schmerz Freie Nervenendigung (Nozizeptor) nicht adaptierend
Temperatur Warm-Rezeptor und Kalt-Rezeptor Proportional und Differenzial Adaptation zwischen 20 und 40 Grad Celsius

Adaptation bedeutet im Zusammenhang mit obigen Rezeptoren die Abnahme der Antwortrate der Zellen bei einem bestimmten Reiz. Die Rezeptoren wandeln den mechanischen Reiz in ein elektrisches Signal (Aktionspotential), welches sie über nachgeschaltete Nervenfasern weiterleiten. Die Information wird dabei über die Frequenz der Aktionspotentiale (die „Feuerrate“) kodiert. Adaptiert ein Rezeptor schnell, dann weist er immer, wenn sich ein mechanischer Reiz ändert, kurzzeitig eine hohe Feuerrate auf. Verändert sich der Reiz hingegen nicht (obwohl er noch vorhanden ist und weiter mechanische Kraft auf die Haut auswirkt), feuert der Rezeptor kaum. Dadurch kann die dynamische Qualität eines Reizes – also seine zeitliche Änderung – wahrgenommen werden. Dies spielt vor allem beim Betasten von Dingen oder bei der Bewegungswahrnehmung eine Rolle.

Ein langsam adaptierender Rezeptor feuert immer dann stark, wenn ein mechanischer Reiz vorhanden ist. Diese hohe Feuerrate bleibt während der gesamten Reizdauer (unabhängig davon, ob sich der Reiz beispielsweise bewegt) erhalten und wird mit Beendigung des Reizes gesenkt. Somit kann die tonische Qualität eines Reizes wahrgenommen werden. Das ist beispielsweise wichtig, wenn etwas festgehalten wird.

Alle Mechanorezeptoren (Vater-Pacini-, Meißner-, Ruffinikörper sowie Merkel-Scheiben) sind hochempfindlich bzw. haben eine niedrige Auslöseschwelle, werden also bereits bei sehr schwachen Reizen aktiv. Zudem sind sie verkapselt, also myelinisiert. Die Nozi- und Thermorezeptoren sind hingegen in der Regel nicht oder nur sehr schwach myelinisiert.

Die haptische Wahrnehmung ist für Säugetiere von Bedeutung, weil sie ihnen ermöglicht, auf Gefahren zu reagieren. Die Rezeptoren sind im Körper unterschiedlich dicht verteilt. An den Fingerspitzen und der Zungenspitze sind sie besonders dicht (1–5 mm Abstand) und am Rücken (> 60 mm) sehr weit voneinander angeordnet.

Genaugenommen gibt es aber nicht eines, sondern mehrere haptische Wahrnehmungssysteme. Schon der Tastsinn teilt sich in zwei Systeme auf. Nervenreize über Vibration, Berührung und Druck wandern auf derselben Körperseite im Hinterstrang des Rückenmarks zum Gehirn (lemniskales System), während Nervenreize über Schmerz und Temperatur auf der gegenüberliegenden Seite des Rückenmarks im Tractus spinothalamicus zum Gehirn gelangen. Im Großhirn werden haptische Informationen im somatosensorischen Kortex verarbeitet und damit bewusst wahrgenommen.

Durch den Tastsinn können Reflexe ausgelöst werden. Ein Beispiel wäre ein Stachel, der rechtzeitig gespürt wird, um sich zurückzuziehen.

Im primären und sekundären somatosensorischen Kortex von Affen fand man Neurone, die

  • feuern, wenn der Affe etwas berührt, aber nicht, wenn derselbe Affe an derselben Stelle mit demselben Objekt berührt wird
  • feuern, wenn der Affe beim Ertasten aufmerksam ist, aber nicht, wenn er dabei abgelenkt ist
  • feuern, wenn der Affe etwas Eckiges ergreift, aber nicht, wenn er etwas Rundes ergreift.

Fische

Fische besitzen einen Ferntastsinn durch ihre Seitenlinienorgane. Diese bestehen aus Sinneszellen, die in Reihen an der Oberfläche seitlich in Hautkanälchen liegen. Sie beginnen am Kopf und setzen sich als Seitenlinie am Rumpf fort. Im Inneren des Kanals sind Sinneszellen, durch Poren steht der Kanal mit dem umgebenden Wasser in Verbindung. Die Seitenlinienorgane reagieren auf den Staudruck des Wassers. Dies informiert den Fisch über Richtung und Geschwindigkeit des Wassers.

Siehe auch

Literatur

  • M. Grunwald, L. Beyer (Hrsg.): Der bewegte Sinn, Birkhäuser Verlag 2001, ISBN 3-7643-6516-1
  • M. Grunwald (Ed.): Human Haptic Perception - Basics and Applications. Berlin, Basel, Boston: Birkhäuser 2008. ISBN 978-3-7643-7611-6

Weblinks


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