Tankred Dorst

Tankred Dorst

Tankred Dorst (* 19. Dezember 1925 in Oberlind /Thüringen) ist ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Er lebt seit seiner Studentenzeit in München-Schwabing, wo er begann, für das Marionettentheater Kleines Spiel zeitkritische Stücke zu schreiben, die zum Teil heute noch aufgeführt werden. Außerdem ist er durch seine Drehbücher und als Regisseur international bekannt geworden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Tankred Dorst wuchs in einer wohlhabenden Oberlinder Bürgerfamilie auf, die am Ort eine Maschinenfabrik besaß. Aus der Oberschule wurde er noch als Schüler 1943 zum Reichsarbeitsdienst und 1944 zur Wehrmacht einberufen. Nach kurzer Ausbildungszeit ging er als Soldat an die Westfront und geriet dort in Kriegsgefangenschaft. Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte er in Gefangenenlagern in England und den USA. Als er Ende 1947 aus der Gefangenschaft nach Westdeutschland entlassen wurde, gehörten Oberlind und Sonneberg schon seit zwei Jahren zur sowjetischen Besatzungszone. Die Maschinenfabrik war enteignet worden und die Familie vor weitergehenden Repressalien zu Verwandten nach Westdeutschland geflohen.

Tankred Dorst holte in Lüdinghausen das Abitur nach und begann 1950 nahe seiner südthüringischen Heimat an der Universität Bamberg mit dem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte. 1951 zog er nach München, wo er bis 1959 außerdem noch Theaterwissenschaften studierte. Praktische Erfahrungen im Stückeschreiben und der Theaterarbeit sammelte er am studentischen Marionettenstudio “Das kleine Spiel”, für das er bis 1959 sechs Marionettenstücke schrieb.

Die ersten großen Theaterstücke kamen 1960 in Lübeck und Mannheim mit Erfolg auf die Bühne. Diesen Erfolg setzte er bis heute in einer Vielzahl von Bühnenwerken und einigen Verfilmungen vor internationalem Publikum fort. Schon 1963 wurde er als Mitglied in die Bayerische Akademie der Schönen Künste aufgenommen. Während der Arbeit am Fernsehfilm Sand lernte er Ursula Ehler kennen, die ihn seit Anfang der 1970er Jahre durch sein Leben und Werk als Lebensgefährtin und Co-Autorin begleitet. Seit Mitte der 70er Jahre hat er fast alle Veröffentlichungen mit seiner Frau gemeinsam herausgegeben.

Auch im Ausland fand er zunehmend Beachtung. So erhielt er z.B. 1973 Gastprofessuren in Australien und Neuseeland. 1978 wurde er zum Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt berufen und 1983 in die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz aufgenommen. 1992 war er Mitbegründer der Bonner Biennale. Seitdem ist er auch Teil der künstlerischen Leitung dieses Theaterfestivals, das seit 2004 unter dem Namen Neue Stücke aus Europa vorwiegend am Staatstheater Wiesbaden stattfindet. Als international renommierter deutscher Dramatiker hielt er 2003/2004 als Gastprofessor Poetikvorlesungen an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Dorst hat bei den Richard-Wagner-Festspielen 2006 in Bayreuth Richard Wagners Ring des Nibelungen neu inszeniert. Er sprang damit für den dänischen Filmregisseur Lars von Trier ein, der die Regie 2004 zurückgegeben hatte. Der deutsche Dramatiker, welcher im Alter von 78 Jahren erstmals bei einer Oper Regie führte, ist einer der am häufigsten gespielten Gegenwartsautoren auf deutschen Bühnen.

Werke

Dramen

  • 1960 - Die Kurve; Uraufführung an den Bühnen der Hansestadt Lübeck, Regie: H. Utzerath.
  • 1960 - Gesellschaft im Herbst; Uraufführung im Nationaltheater Mannheim, Regie: H. J. Klein.
  • 1961 - Große Schmährede an der Stadtmauer; Uraufführung an den Bühnen der Hansestadt Lübeck, Regie: U. Brecht.
  • 1964 - Die Mohrin; Uraufführung an den Städtischen Bühnen Frankfurt, Regie: G. Klingenberg.
  • 1968 - Toller; Uraufführung am Staatstheater Stuttgart, Regie: P. Palitzsch.
  • 1973 - Eiszeit; Uraufführung am Schauspielhaus Bochum, Regie: P. Zadek.
  • 1975 - Auf dem Chimborazo; Uraufführung am Schlossparktheater Berlin, Regie: D. Dorn / 1976 Neufassung und Erstaufführung an den Münchner Kammerspielen, Regie: H. Clemen.
  • 1977 - Goncourt oder die Abschaffung des Todes (zusammen mit H. Laube); Uraufführung an den Städtischen Bühnen Frankfurt am Main, Regie: P. Palitzsch.
  • 1980 - Die Villa; Uraufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus/Württembergischen Staatstheater Stuttgart, Regie: J. Chundela/G. Krämer.
  • 1981 - Merlin oder Das wüste Land; Uraufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: J. Chundela.
  • 1985 - Heinrich oder die Schmerzen der Phantasie; Uraufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: V. Hesse.
  • 1986 - Ich, Feuerbach; Uraufführung am Bayerischen Staatsschauspiel München, Regie: V. Hesse.
  • 1987 - Der verbotene Garten - Fragmente über D'Annunzio; Uraufführung am Stadttheater St. Gallen, Regie: J. Gillar.
  • 1987 - Parzival; Uraufführung am Thalia Theater Hamburg, Regie: R. Wilson / 1990 Neufassung und Uraufführung an den Städtischen Bühnen Frankfurt am Main, Regie: A. Brill.
  • 1988 - Der verbotene Garten; deutsche Erstaufführung an der Freien Volksbühne Berlin, Regie: H. Neuenfels.
  • 1988 - Korbes; Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Regie: W. Minks.
  • 1988 - Grindkopf; Uraufführung an den Städtischen Bühnen Frankfurt am Main, Regie: A. Brill.
  • 1990 - Karlos; Uraufführung an den Münchner Kammerspielen, Regie: D. Dorn
  • 1992 - Fernando Krapp hat mir diesen Brief geschrieben; Uraufführung am Wiener Burgtheater ( Akademietheater), Akademietheater, Regie: W. Minks.
  • 1994 - Herr Paul; Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, Regie: Jossi Wieler.
  • 1994 - Nach Jerusalem; Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, Regie: M. Hartmann.
  • 1995 - Die Schattenlinie; Uraufführung am Burgtheater Wien, Akademietheater, Regie: H. Hollmann.
  • 1996 - Die Geschichte der Pfeile (ein Triptychon); Regie: T. Fischer.
  • 1997 - Die Legende vom armen Heinrich; Uraufführung an den Münchner Kammerspielen, Regie: J.-D. Herzog.
  • 1997 - Harrys Kopf; Uraufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: W. Minks
  • 1997 - Was sollen wir tun; Uraufführung am Schauspiel Bonn/Staatsschauspiel Dresden, Regie: A. Uitdehaag/T. Wellemeyer.
  • 1998 - Wegen Reichtum geschlossen (eine metaphysische Komödie); Uraufführung am Bayerischen Staatsschauspiel München, Regie: A. Lang.
  • 2000 - Große Szene am Fluss; Uraufführung am Bayerischen Staatsschauspiel München, Regie: K. Emmerich.
  • 2001 - Kupsch (Monolog); Uraufführung am Deutschen Theater Göttingen, Regie: B. von Poser.
  • 2002 - Die Freude am Leben; Uraufführung am Schauspiel Bonn, Regie: H. Clemen.
  • 2002 - Othoon (ein Fragment); Uraufführung am Schauspiel Frankfurt, Regie: A. Brill
  • 2005 - Die Wüste; Uraufführung am Theater Dortmund, Regie: H. Schmidt-Rahmer
  • 2008 - Künstler; Uraufführung am Theater Bremen, Regie: Christian Pade

Bearbeitungen für die Bühne

  • 1963 - Rameaus Neffe (Diderot übersetzt und bearbeitet); Uraufführung an den Städtischen Bühnen Nürnberg, Regie: R. Lansky
  • 1964 - Der gestiefelte Kater oder wie man das Spiel spielt (nach Ludwig Tieck); Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Regie: H. Lietzau.
  • 1966 - Der Richter von London (nach Thomas Dekker); Uraufführung an den Städtischen Bühnen Essen, Regie: J. Fontheim.
  • 1967 - Der Geizige (Molière übersetzt und bearbeitet); Erstaufführung am Württembergischen Staatstheater Stuttgart, Regie: Peter Zadek
  • 1967 - Der Preispokal (Sean O'Casey übersetzt und bearbeitet); Erstaufführung an den Wuppertaler Bühnen (unter dem Titel: Der Pott), Regie: Peter Zadek
  • 1968 - Der eingebildet Kranke (Molière übersetzt und bearbeitet); Erstaufführung am Staatstheater Kassel, Regie: K. Braak.
  • 1972 - Kleiner Mann, was nun? (nach dem Roman von Hans Fallada); Uraufführung am Schauspielhaus Bochum, Regie: Peter Zadek.
  • 1978 - George Dandin (Molière übersetzt und bearbeitet); Erstaufführung bei den Bad Hersfelder Festspielen, Regie: G. Heinz.
  • 1985 - Der Bürger als Edelmann (Molière übersetzt); Erstaufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Regie: Jérôme Savary.

Verfilmungen

  • 1960 - Die Kurve (Fernsehfilm, Regie: P. Zadek)
  • 1969 - Rotmord (Fernsehfilm, Regie: P. Zadek)
  • 1971 - Sand (Fernsehfilm, Regie: P. Palitzsch).
  • 1976 - Dorothea Merz (zweiteiliger Fernsehfilm, Regie: P. Beauvais)
  • 1978 - Klaras Mutter (Fernsehfilm in eigener Regie)
  • 1980 - Mosch (Fernsehfilm in eigener Regie)
  • 1983 - Eisenhans (Spielfilm in eigener Regie)

Libretti

  • 1960 - La Buffonata (Libretto Ballet Chanté; Musik: W. Killmayer); Uraufführung an den Städtischen Bühnen Heidelberg, Regie: H. Neugebauer
  • 1964 - Yolimba oder die Grenzen der Magie (musikalische Posse; Musik: W. Killmayer); Uraufführung Hessisches Staatstheater Wiesbaden, Regie: H. Neugebauer
  • 1969 - Die Geschichte von Aucassin und Nicolette (Libretto, Musik: G. Bialas); Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper München.
  • 2001 - Die Legende vom armen Heinrich (Oper von E. A. Klötzke); Uraufführung am Staatstheater Wiesbaden, musikalische Leitung: E. Delamboye, Regie: I. Gerath-Prein.

Theaterstücke für Kinder

  • 1982 - Ameley, der Biber und der König auf dem Dach; Uraufführung am Burgtheater Wien, Regie: P. M. Preissler.
  • 1994 - Wie Dilldapp nach dem Riesen ging; Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Regie: G. Loepelmann.
  • 2000 - Don't eat little Charlie!; Uraufführung am Royal National Theatre London / Erstaufführung in Deutschland als Friss mir nur mein Karlchen nicht! an den Städtischen Bühnen Heidelberg, Regie: W. M. Bauer.
  • 2000 - König Sofus und das Wunderhuhn; Uraufführung am Thalia Theater Halle, Regie: P. Mader.

Prosa-Stücke und Hörspiele

  • 1957 - Geheimnis der Marionette; 1. Veröffentlichung.
  • 1959 - Auf kleiner Bühne - Versuch mit Marionetten; Essays.
  • 1962 - Die Bühne ist der absolute Ort; Essay.
  • 1964 - Herausgeber der collection theater.
  • 1976 - Dorothea Merz; Fragmentarischer Roman.
  • 1978 - Klaras Mutter; Erzählung.
  • 1984 - Die Reise nach Stettin; Erzählung.
  • 1985 - Band 1 der Werkausgabe erscheint.
  • 1986 - Grindkopf; Libretto für Schauspieler.
  • 1986 - Der nackte Mann; Prosatext.
  • 1987 - Korbes; Produktion Süddeutscher Rundfunk
  • 2000 - Ich will versuchen Kupsch zu beschreiben; Künstlerbuch in der Raamin-Presse Roswitha Quadflieg.
  • 2001 - Die Freude am Leben. Kupsch; Stücke und Materialien, edition suhrkamp theaterreihe.
  • 2001 - Merlins Zauber; Suhrkamp Verlag.
  • 2002 - Othoon. Stück und Materialien; edition suhrkamp theaterreihe
  • 2009 - Glück ist ein vorübergehender Schwächezustand; Erzählung

Stipendien und Auszeichnungen

Literatur

  • Horst Laube (Hrsg.): Werkbuch über Tankred Dorst. Frankfurt (Suhrkamp) 1974
  • Günther Erken (Hrsg.): Tankred Dorst. Frankfurt (Suhrkamp) 1989

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.uni-bamberg.de/guk/aktuelle_hinweise_aus_der_fakultaet_guk/ehrenpromotion_von_herrn_tankred_dorst_am_05022009/

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