Sächsisches Tageblatt

Sächsisches Tageblatt

Sächsisches Tageblatt (ST) war der Titel der vom 1. Februar 1946 bis zum 31. Juli 1990 in Dresden erschienenen Landeszeitung der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDP).

Zu den Gründern gehörte der spätere Präsident der Volkskammer der DDR, Johannes Dieckmann (1893–1969). Das Blatt erschien in den ersten Jahren viermal wöchentlich, später werktäglich mit Bezirksausgaben in Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) und Görlitz in einer limitierten Auflage von 60.000 Exemplaren.

Neben der Zentrale in Dresden gab es eine weitere eigene Redaktion in Leipzig, die in den Anfangsjahren unter der Leitung des nachmaligen Chefredakteurs des LDP-Zentralorgans „Der Morgen“, Gerd Fischer, politisch maßgeblich von dem 1990 zum letzten Vorsitzenden des Staatsrates der DDR gewählten LDP-Politiker Manfred Gerlach bestimmt wurde. Bis zur Gründung der DDR 1949 unterlag die Zeitung der täglichen Vor-Zensur durch die sowjetische Militärverwaltung.

Unter den wenigen bis zur völligen Gleichschaltung der DDR-Presse Anfang der 1950er Jahre durch eigenständige und teilweise oppositionelle Berichterstattung hervortretenden Zeitungen nahm das „Sächsische Tageblatt“ neben dem Organ der Ost-CDU in Dresden, „Die Union“, in dem um diese Zeit der später im Westen prominente Publizist und Fernsekommentator Matthias Walden alias Otto von Saß tätig war, die Spitzenstellung ein. So berichtete das Blatt 1950 als einzige Zeitung der DDR über die spektakuläre geschlossene Flucht der damals im Osten populärsten Fußballmannschaft, SG Friedrichstadt (früher Dresdner SC) mit dem späteren Bundestrainer Helmut Schön, in den Westen. Die Redaktion war in diesen Jahren in ihrem Bemühen um einen unabhängigen Kurs stärksten Pressionen der Besatzungsmacht und danach der DDR-Machthaber ausgesetzt. Zwischen 1946 und 1954 wurden immer wieder Redakteure verhaftet.

Die Chefredaktion unterlag vom Gründungschefredakteur Ernst Scheiding und dessen Sohn Wolfgang Scheiding über Rudolf Zechmeister, Herbert Winkler, Dr. Heinz Haufe bis zu Christian Zeis (nach der Flucht in den Westen Kulturdezernent der Stadt Frankfurt/Main) einem ständigen Wechsel. Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 setzte sich fast die gesamte Redaktionsführung in einer nächtlichen Aktion nach West-Berlin ab, nachdem es dem Ministerium für Staatssicherheit durch die Einschleusung ihres „Geheimen Mitarbeiters“ Günter Hegewald (Deckname "GM Hans") in eine Dresdner LDP-Widerstandsgruppe gelungen war, auch das beim „Sächsischen Tageblatt“ von den Ressortleitern Heinz Rossig und Helmar Meinel geführte illegale Korrespondentennetz für den West-Berliner Sender RIAS zu enttarnen. Etwa zwölf Mitglieder der LDP-Gruppe, die Verbindungen zum Ostbüro der Freien Demokratischen Partei in West-Berlin unterhielten, konnten sich der Verhaftung nicht rechtzeitig entziehen und wurden in einem Schauprozess zu Zuchthausstrafen von bis zu 14 Jahren verurteilt. Dazu zählte in einem abgetrennten Verfahren auch der Leiter des Wirtschaftsressorts des „Sächsischen Tageblatts“, Rudolf Jordan-Bautzen.

Von den Abonnenten des „ST“ wurde die Zeitung auch nach der Gleichschaltung als Alternative zu den im „Parteichinesisch“ gehaltenen Blättern der SED-Presse geschätzt. Das Bestreben der Redaktion war, nicht in den Verlautbarungsjournalismus zu verfallen, durch unpolitische Beiträge zu Problemen des täglichen Lebens in der DDR Lebenshilfe zu leisten und besonderes Gewicht auf die in Dresden vorrangig interessierenden kulturellen Themen zu legen. Dies wurde von den in der Regel aus dem früheren Mittelstand und der neuen Intelligenz stammenden Leserschaft bis zum Ende honoriert, auch wenn die redaktionelle Handlungsfreiheit durch von der LDP-Parteileitung in Berlin vorgegebene Pflichtartikel und Argumentationsanweisungen zeitweilig stark eingeschränkt war. „Meine Meinung kommt um zwei Uhr aus Berlin!“ lautete dazu ein geflügeltes Wort der Redakteure.

Nach der von der Zeitung voll mitgetragenen politischen Wende in der DDR wurde das „Sächsische Tageblatt“ 1990 eingestellt und zusammen mit den Dresdner Tageszeitungen „Die Union“ und „Sächsische Neueste Nachrichten“ in den neuen Titel „Dresdner Neueste Nachrichten“ eingebracht. Diese mit täglich rund 32.000 Exemplaren drittgrößte Zeitung der Region wird von der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG herausgegeben, an der die zur SPD-Medienholding dd_vg zählende Verlagsgesellschaft Madsack und die Axel Springer AG bis 2009 die Hauptanteile hielten. Im Februar 2009 hat die Axel Springer AG ihre Anteile an die Madsack Gruppe verkauft.[1]Die Verlagsgesellschaft gibt auch die „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) als einzige Lokalzeitung der Messestadt heraus.

Einzelnachweise

  1. Pressemeldung Axel Springer AG: „Axel Springer verkauft Regionalzeitungsbeteiligungen an Verlagsgruppe Madsack“

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