Synkretismus

Synkretismus

Synkretismus bedeutet die Vermischung religiöser Ideen oder Philosophien zu einem neuen System oder Weltbild. Voraussetzung ist, dass diese Ideen oder Philosophien sich zuvor als inhaltlich voneinander unterschieden abgegrenzt haben und dass sie als religiös-philosophische Teilaspekte auf einen Absolutheitsanspruch verzichten. Synkretismus nimmt vielmehr die Aspekte unterschiedlicher Religionen bewusst auf und formt sie zu etwas Neuem.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung und Charakteristik

Der Buddhismus[1] beispielsweise ist offen für andere Lehren. Er verneint allerdings kategorisch die Existenz einer Seele (atma) und die Existenz einer Persönlichkeit (pudgala)[2]. Insbesondere in Japan und China ist es üblich, nicht einer Religion „anzugehören“, sondern verschiedene Religionen und Lehren (Buddhismus, Daoismus, Konfuzianismus, Shintō) nach eigener Vorstellung zu mischen (vgl. Shinbutsu-Shūgō, Japanische Götter, Drei Lehren, Quanzhen-Daoismus). Auch werden deren Heiligtümer abwechselnd verehrt.

Bei neu missionierten Völkern erlaubte auch das Christentum die Weiterbenutzung heidnischer Kulte, die allerdings uminterpretiert wurden. Hier ist allerdings der Begriff Synkretismus nicht mehr ganz zutreffend und geht in Assimilation über. Die Uminterpretationen der religiösen Formen missionierter Völker erlaubten nicht die gleichzeitige (adäquate) Verehrung der vormals verehrten Götter, sondern nur die Praktizierung der traditionellen Riten unter neuer, christlicher Vorgabe. Ein neues Weltbild ist somit nicht entstanden.

Positionen in der heutigen Religionswissenschaft betrachten ein gewisses Maß an Synkretismus als weit verbreitetes Phänomen, da dies eine naheliegende Folge des Umgangs mit Fremdheit oder Neuem ist. Diesem Vorgang wird daher umgangssprachlich oft eine gewisse „Natürlichkeit“ unterstellt. Aber sogar innerhalb einer Konfession treten praktisch Widersprüche und Ansichtsströmungen auf. Dieser Vorgang widerspricht jedoch dogmatischen Vorstellungen, die im Laufe der Zeit in manchen Religionsorganisationen (z. B. Kirchen) wachsen und einer Beliebigkeit entgegenwirken sollen. Monotheistische Religionen grenzen sich von synkretistischen Tendenzen in der Regel stärker ab als Religionen, deren innere Struktur ohnehin einen gewissen Pluralismus aufweist. Erkenntnistheoretisch ist weder ein synkretistisches noch ein dogmatisches System naheliegender.

In neuerer Zeit werden mit dem Begriff insbesondere sich neu bildende Mischreligionen wie Voodoo, Candomblé oder Santería bezeichnet.

Synkretismus darf nicht verwechselt werden mit dem politischen Begriff der Synkratie, der eine Herrschaftsform bzw. Staatsverfassung bezeichnet.

Sonderform Neuheidentum (Wicca)

Eine moderne Bewegung, die vielfach synkretische Züge annimmt, ist Wicca als eine Hauptströmung des Neuheidentums, die Neo-Keltismus mit den Philosophien der mystisch-magischen Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts verbindet. Über Wicca wird u. a. auch eine Brücke zu Thelema und Theosophie geschaffen, deren Ziel es war, eine neue Religion unter anderem basierend auf fernöstlichen Elementen aufzubauen. Bei Wicca sind römisch-katholische Elemente auszumachen, wie etwa die Übernahme der kirchlichen apostolischen Sukzession.

Literatur

  • Wolfgang Greive, Raul Niemann: Neu glauben. Gütersloher Verlagshaus 1990, ISBN 3-579-02168-0
  • Anselm Günthör OSB: Sind alle Religionen gleich? Fe-Medienverlag, Kißlegg 2007, ISBN 978-3-939684-12-1
  • Volker Drehsen und Walter Sparn (Hrsg.): Im Schmelztiegel der Religionen. Konturen des modernen Synkretismus, Gütersloh, 1996.

Weblinks

Referenzen

  1. Ein Lehrsystem gilt als buddhistisch, wenn es sich innerhalb des Rahmens der Vier Siegel bewegt: 1. Alles Erschaffene ist unbeständig 2. Alle verunreinigten Dinge sind leidhaft 3. Alle Erscheinungen sind leer und selbst-los. 4. Nirvana ist Friede. Aus: Das Auge einer neuen Achtsamkeit, S. 134, Dalai Lama
  2. The Vaibhasika School of Buddhist Thought by Prof. Anukul Chandra Banerjee (PDF)

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