Surfactant

Surfactant

Surfactant ist ein englisches Kunstwort (surface active agent) und bedeutet „grenzflächenaktive Substanz“. Die englische Bezeichnung hat sich im Deutschen für eine spezielle, bedeutsame oberflächenaktive Substanz in der Lunge durchgesetzt. Von spezialisierten Lungenzellen (Pneumozyten Typ II) werden Phospholipide und Proteine im Verhältnis 10:1 gebildet.

Die 90 % Lipide bestehen etwa zur Hälfte aus Dipalmitoylphosphatidylcholin. Phospholipide wirken hier ähnlich wie Seife, indem sie die Oberflächenspannung in den Lungenbläschen um etwa 83 % herabsetzen.

Die Surfactant-Proteine (SP) sind biophysisch (SP-B und SP-C), aber auch immunologisch (SP-A und SP-D) und regulatorisch (negativer Feedback durch SP-A) sehr wichtig bzw. überlebenswichtig.

Inhaltsverzeichnis

Funktion

Die Surfactant-Auskleidung hat also mindestens drei zusammenhängende biophysikalische Aufgaben:

  • Senkung des „Eröffnungsdrucks“ kleiner Alveolen und Vermeidung einer Umverteilung von Gas aus einer kleinen Alveole in eine große und damit den Kollaps der kleinen. Hier zeigt sich die dynamische Funktion und Struktur des Surfactant: Die Oberflächenspannung hängt von der Dichte des Surfactants ab, die bei kleinerem Radius steigt, womit die Oberflächenspannung noch weiter absinkt.
  • Erhöhung der Lungen-Nachgiebigkeit (Compliance), so dass eine kleinere Druckdifferenz und weniger Arbeit zur Inspiration nötig ist.
  • Verhinderung des Alveolenkollaps am Ende der Ausatmung. Der intrathorakale Druck nähert sich bei Exhalation dem Alveolardruck an, ohne Maneuver und physiologisch beide etwa 0 kPa. Unter Umständen kann der intrathorakale Druck auch leicht positiv werden, zum Beispiel bei forcierter Ausatmung mit der Atemhilfsmuskulatur. Nach der Young-Laplace-Gleichung muss der Alveolenradius nicht mehr so stark abfallen, um das Gleichgewicht von kollabierendem und expandierendem Druck zu balancieren.

Erkrankungen

Die Surfactantbildung beginnt ab der 28. Schwangerschaftswoche, aber erst in der 34./35. Schwangerschaftswoche wird es in ausreichenden Mengen produziert (→ Lungenreifung). Eine in der Schwangerschaft bestehende diabetische Stoffwechsellage (beispielsweise beim Schwangerschaftsdiabetes) kann allerdings die Bildung von Surfactant in der Fetalzeit stören, so dass auch reife Neugeborene über zu wenig Surfactant verfügen können. In einem solchen Fall spricht man von einem Newborn Respiratory Distress Syndrome (NRDS). Ebenso ist im Rahmen anderer Erkrankungen des Neugeborenen (z. B. bei einer schweren Infektion) der Verbrauch bereits produzierten Surfactants erhöht, so dass als Folge ebenfalls ein sekundäres Atemnotsyndrom entstehen kann. Eine weitere Erkrankung ist der Surfactant-Protein-C-Mangel, der von Geburt an mit einem chronischen Surfactant-Mangel einhergeht, in der Regel aber erst im Erwachsenenalter in Form einer interstitiellen Lungenerkrankung imponiert.[1]

Ohne Surfactant fallen nach der Geburt die Alveolen zunehmend in sich zusammen. Die Gasaustauschfläche der Lunge verkleinert sich, es entsteht ein Atemnotsyndrom. Die Atmung betroffener Frühgeborener ist massiv gestört. Ein Gasaustausch ist kaum oder gar nicht möglich. Das an einem Atemnotsyndrom leidende Frühgeborene hat eine Zyanose, die Atemanstrengung nimmt zu und äußert sich mit „Nasenflügeln“ und einer stöhnenden Atmung. Rippen und Brustbein treten bei jedem Atemzug deutlich sichtbar hervor. Unbehandelt entwickelt sich ein lebensgefährliches Krankheitsbild.

Inzwischen kann man aus Tierlungen extrahiertes oder künstlich hergestelltes Surfactant als Emulsion über einen in die Luftröhre eingeführten Katheter oder Tubus in die Lungen von Frühgeborenen einbringen. Alternativ kann die Freisetzung von Surfactant in der Lunge des ungeborenen Kindes ausgelöst werden, wenn der Schwangeren bei einer abzusehenden Frühgeburt eine zweimalige Injektion Glucocorticoide, in der Regel Bethamethason, im Abstand von 24 Stunden verabreicht wird, um die kindliche Surfactantbildung zu induzieren. Die therapeutische Anwendung von Surfactant, die durch Tetsuro Fujiwara und andere entwickelt und Ende der 1980er Jahre eingeführt wurde, war für die Kinderheilkunde revolutionär. Die Überlebenschancen kleiner Frühgeborener wurde mit diesem Medikament erheblich verbessert.

Schädigung durch Langzeiteinwirkung hoher Sauerstoffpartialdrücke

Durch Langzeitanwendung sehr hoher Sauerstoffpartialdrücke kann es im Erwachsenen ebenso zu einer Schädigung des Surfactants mit den oben beschriebenen Symptomen kommen. Dies hat als Lorrain-Smith-Effekt besondere Relevanz beim Tauchen, vor allem für das technische Tauchen und die Hyperbare Sauerstofftherapie

Literatur

  • Roland R. Wauer: Surfactanttherapie. Grundlage, Diagnostik, Therapie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-111203-4
  • AquaMed Reise- und Tauchmedizin: AquaMed Oxygen Seminar. Medical Helpline Worldwide, Bremen 2007.

Einzelnachweise

  1. Erol Tutdibi, Ludwig Gortner: Atemstörungen des Neugeborenen – spielen genetische Faktoren eine Rolle? Universität des Saarlandes. PDF-Version

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • surfactant — ● surfactant nom masculin (de surface et tensioactif) Molécule amphiphile qui, placée en solution diluée dans l eau, abaisse sa tension superficielle. Substance tapissant l intérieur des poumons. ● surfactant (synonymes) nom masculin (de surface… …   Encyclopédie Universelle

  • surfactant — [sʉr fak′tənt] n. [surf(ace) act(ive) a(ge)nt] any substance that is SURFACE ACTIVE …   English World dictionary

  • Surfactant — Surfactants are wetting agents that lower the surface tension of a liquid, allowing easier spreading, and lower the interfacial tension between two liquids. Etymology The term surfactant is a blend of surface acting agent . Surfactants are… …   Wikipedia

  • Surfactant — A fluid secreted by the cells of the alveoli (the tiny air sacs in the lungs) that serves to reduce the surface tension of pulmonary fluids; surfactant contributes to the elastic properties of pulmonary tissue. In more technical terms, a… …   Medical dictionary

  • Surfactant — Sur|fac|tant [sə faektənt; engl. Kurzw. aus surface active agent = grenzflächenaktiver Stoff], das; s, s: 1) im dt. Sprachgebrauch unübliches Syn. für ↑ Tensid 2) in der Med. Bez. für ein die Innenfläche der Lunge auskleidendes System aus… …   Universal-Lexikon

  • surfactant — A surface active compound; the best known example of which is the lung surfactant that renders the alveolar surfaces hydrophobic and prevents the lung filling with water by capillary action. The lung surfactant is produced just at parturition,… …   Dictionary of molecular biology

  • Surfactant — Tensioactif Un tensioactif ou agent de surface est un composé qui modifie la tension superficielle entre deux surfaces. Les composés tensioactifs sont des molécules amphiphiles, c est à dire qu elles présentent deux parties de polarité différente …   Wikipédia en Français

  • surfactant — noun Etymology: surface active + ant Date: 1950 a surface active substance (as a detergent) • surfactant adjective …   New Collegiate Dictionary

  • surfactant — n. a wetting agent. Pulmonary surfactant, secreted by type II pneumocytes, is a complex mixture of compounds (including lipids, protein, and carbohydrates) that prevents the air sacs (alveoli) of the lungs from collapsing by reducing surface… …   The new mediacal dictionary

  • surfactant — ploviklis statusas T sritis Standartizacija ir metrologija apibrėžtis Aktyvioji paviršiaus medžiaga teršalams šalinti nuo kietųjų paviršių. atitikmenys: angl. detergent; surfactant vok. Detergens, n; Detergent, n; synthetisches Reinigungsmittel,… …   Penkiakalbis aiškinamasis metrologijos terminų žodynas

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”