Sun Ra

Sun Ra
Sun Ra im Februar 1992

Sun Ra (* 22. Mai 1914 in Birmingham, Alabama; † 30. Mai 1993; eigentlich Herman „Sonny“ Blount) war ein US-amerikanischer experimenteller, avantgardistischer Jazzkomponist und Jazzmusiker (Piano, Orgel, Keyboard), Poet und Philosoph.

Leben und Werk

Sun Ra galt schon zu Lebzeiten als Mythos und bis heute als einer der umstrittensten Jazzmusiker. Durch seinen ganz eigenen Stil und seine innovativen Ideen polarisierte er die Kritiker und Publikum. Sahen die einen in ihm einen genialen Innovator, so galt er anderen als Scharlatan. Sun Ras Leistung als einer der Wegbereiter des Free Jazz ist jedoch unbestritten.

Berühmtheit erlangte er durch seine bizarren astrologischen Predigten und Philosophien genauso wie durch seine musikalischen Kompositionen und Darbietungen. Er legte 1952 seinen Geburtsnamen ab, nahm den Namen Sun Ra an (Ra ist der Name des antiken ägyptischen Sonnengotts) und leitete eine Band mit ständig wechselnder Besetzung, die als Arkestra bekannt wurde. Die bemerkenswertesten Mitglieder des Arkestra waren die Saxophonisten John Gilmore, dessen Werk das von John Coltrane beeinflusste, und Marshall Allen, der das Arkestra heute (2008) noch leitet. Das Wort Arkestra begriff Sun Ra als Verbindung von Arché und Orchester.

Die musikalische Entwicklung Sun Ras kann grob in drei Perioden eingeteilt werden. In den 1950er Jahren entwickelte sich seine Musik aus dem Bigband-Swing, mit dem er in den 1940er Jahren ebenso wie bei Wynonie Harris seine Karriere begann. Als Brotjob lebte er aber auch von Aufträgen wie dem als Arrangeur im Chicagoer Club DeLisa, die ihm Red Saunders gab. In einer Neuerfindung seiner selbst bildete sich der thematisch von Weltraumthemen bestimmte „Cosmic Jazz“ heraus, mit dem er die Berühmtheit erlangte. Musikkritikern und Jazzhistorikern zufolge wurden einige seiner besten Werke in dieser Periode geschaffen. Bemerkenswerte Sun-Ra-Alben der 1950er Jahre sind unter vielen anderen Super-Sonic Jazz, Sun Ra Visits Planet Earth, Interstellar Low Ways, Angels And Demons At Play, We Travel The Spaceways und Jazz in Silhouette.

Zudem begann der Exzentriker ebenfalls in den 1950er Jahren, sonderbare Kostüme und Kopfschmuck in ägyptischem Stil zu tragen. Er behauptete, er stamme nicht von der Erde, sondern vom Planeten Saturn, und entwickelte eine Kunstfigur aus „kosmischen“ Philosophien und lyrischer Dichtung, die vor allem Bewusstsein und Frieden predigte. Er distanzierte sich vom Rassismus, unter dem er selbst häufig zu leiden hatte, wenn es um Tourneen und Konzerte des Arkestra ging, ohne sich jedoch öfter dazu zu äußern. Überhaupt sprach er, anders als viele schwarze Musiker seiner Generation, selten über umstrittene Themen. Er machte lieber Musik, während das Ensemble von Musikern, die mit ihm zusammenarbeiteten und auf Tour gingen, sich fast täglich änderte.

Während der 1960er Jahre durchlief seine Musik eine chaotische, experimentelle Periode. Während dieser Periode erreichte seine Popularität ihren Höhepunkt, als die Beat Generation und der Psychedelic Rock seine Musik aufnahmen. Ras Alben aus dieser Zeit sind für Hörer, die sich zum ersten Mal mit seiner Musik beschäftigen, oft nur schwer zugänglich. Bemerkenswerte Titel aus dieser Periode sind unter anderem The Magic City, When Sun Comes Out und Other Planes Of There.

Während der 1970er Jahre und später bewegte sich die Musik von Sun Ra und dem Arkestra auf konventionelleren Bahnen, blieb dabei aber weiter in hohem Maße eklektisch und energiegeladen. Durch die Zusammenarbeit mit der Sängerin June Tyson gelang es ihm, das Publikum zu fesseln. In den Konzerten wurden nun auch Jazzstandards interpretiert. Sun Ra fand zudem Geschmack an den Filmen von Walt Disney. Er begann Schnipsel aus Disneys Musikstücken in viele seiner musikalischen Darbietungen einzubeziehen. In den späten 1980er Jahren gab das Arkestra sogar ein Konzert in Walt Disney World. Die Version von Pink Elephants On Parade des Arkestras ist auf dem Album Stay Awake vertreten, einer Zusammenstellung von Disneymelodien, die von unterschiedlichen Künstlern interpretiert wurden.

Einige von Sun Ras Konzerten aus den 1970er Jahren sind auf CDs erhältlich, haben aber verglichen mit seinen früheren Werken keine weite Verbreitung gefunden. Das Album Atlantis kann als der Markstein angesehen werden, der den Beginn seiner 1970er Periode kennzeichnet.

Sun Ra war einer der produktivsten Musiker des Jazz. Im Laufe seiner Karriere nahm Sun Ra hunderte Alben auf, von denen viele jedoch von winzigen Plattenfirmen veröffentlicht und daher nur in kleinen Auflagen vertrieben wurden. Er veröffentlichte seine Musik zeitweilig (für die damalige Zeit außergewöhnlich) auf seinem eigenen Label „Saturn“ und vertrieb sie über den Versandhandel. So blieb seine Musik dem großen Publikum, das ihn nicht in Konzerten erlebte, unbekannt. In den 1990er Jahren wurden viele seiner Aufnahmen zum ersten Mal posthum auf CDs beim Plattenlabel Evidence veröffentlicht.

Sun Ra und sein Arkestra waren Gegenstand des Dokumentarfilms A Joyful Noise und im Jahre 1972 des Blaxploitationfilms Space Is the Place. Der Soundtrack zu diesem Film, ebenfalls von Sun Ra, ist auf CD erhältlich.

Literatur

  • John F. Szwed: Space Is The Place - The Lives and Times of Sun Ra, Pantheon Books, New York, 1997, ISBN 0-679-43589-1 (Biografie)
  • Hartmut Geerken, Bernhard Hefele: Omniverse Sun Ra, Waitawhile, D-82211 Wartaweil, 1994, Privatdruck (Diskografie mit Farbreproduktionen der LP-Cover)
  • Robert Campbell, Chris Trent: The Earthly Recordings of Sun Ra, 2nd edition, Cadence Jazz Books, Northwood, NY, 2000, ISBN 1-881993-35-3 (ausführliche Diskografie)
  • Hartmut Geerken (Hrsg.): Sun Ra, The Immeasurable Equation, Books on Demand, Norderstedt, 2005, ISBN 3-8334-2659-4 (Sun Ra's Lyrik)

Weblinks


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