Sultanat der Rum-Seldschuken

Sultanat der Rum-Seldschuken
Das Sultanat der Rum-Seldschuken um 1190. Der Stern markiert die Hauptstadt Konya

Das Sultanat der Rum-Seldschuken (arabisch ‏السلاجقة الروم‎, DMG as-Salāǧiqa ar-Rūm; persisch ‏سلجوقیان روم‎, Salǧūqiyān-i Rūm; türkisch: Anadolu Selçuklu Devleti – anatolisch-seldschukischer Staat), auch Sultanat Ikonion oder Sultanat Rum genannt, war der auf erobertem byzantinischem Boden in Anatolien errichtete Herrschaftsbereich der oghusisch-türkischen Rum-Seldschuken,[1] die sich – ebenso wie die Kerman-Seldschuken (1048) und die Seldschuken von Syrien (1078) – im Jahre 1081 vom Reich der Großseldschuken unabhängig machten und anschließend bis 1307 über ein bedeutendes Reich mit dem Zentrum Konya herrschten.[2] Nach der Schlacht am Köse Dağ (1243) war das Sultanat bis zu seiner endgültigen Auflösung jedoch nur noch ein machtloser Vasall der mongolischen Ilchane.

In ganz Anatolien entstanden nach der Schlacht von Manzikert und mit der Einwanderung zahlreicher Türken viele türkische Fürstentümer (Beyliks), die dem Sultanat der Rum-Seldschuken mehr oder weniger unterstanden. Das Fürstentum der Saltukiden (1072–1202) war dabei das erste, das noch vor der Gründung des Sultanats entstanden war.[2] Während der Herrschaft des Ilchans Öldscheitü (ab 1304) löste sich das rum-seldschukische Sultanat „sang- und klanglos“ auf.[3] Aus dem nordwestanatolischen Fürstentum des Osman Bey ging nun eine neue türkische Großmacht, das Osmanische Reich, hervor.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ein abtrünniger Prinz der Großseldschuken, Qutalmisch, wanderte mit seinem Stamm nach Anatolien ein. Nach der Schlacht von Mantzikert 1071 ging das Innere Kleinasiens für das Byzantinische Reich endgültig verloren. 1075 eroberte Sulaiman, Qutalmischs Sohn, die Städte Nikäa (İznik) und Nikomedia (İzmit) und nahm 1077 den Titel Sultan an. Im Jahr 1078 machte Sulaiman Nikaia, das heutige İznik, zu seiner Hauptstadt.[4] Der Name des Sultanats Rum (bilâd al-Rûm) leitet sich von Rom/Rhomaîoi ab und es heißt somit das „Römische Sultanat“, bezugnehmend auf das oströmisch-byzantinische Kaiserreich.

Der Rote Turm in Alanya, 1221–1226

1084 eroberte Sultan Malik-Schah I. mit Hilfe von Sulaiman mit 300 Männern Antiochia (Antakya), das zu dieser Zeit durch Philaretos Brachamios gehalten wurde, in einem Überraschungsangriff. Die Bewohner flüchteten sich in die Zitadelle. Als Sulaiman 1086 in Antiochia nach einer Niederlage gegen Tutusch I., dem seldschukischen Sultan von Aleppo, durch Selbstmord endete (Anna Komnena) oder auf Befehl von Tutusch getötet wurde, geriet die Dynastie in eine ernste Krise: Sulaimans Sohn Qilitsch-Arslan I. wurde Geisel am großseldschukischen Hof und kam erst nach dem Tode Malik-Schahs I. (1092) wieder frei.

Er konnte große Teile des verlorenen Territoriums wieder einnehmen. Infolge einer Niederlage gegen die Kreuzfahrer des Ersten Kreuzzugs bei Nikäa und Doryläum (Dorylaion) im Jahre 1097 drängten ihn die Byzantiner nach Anatolien zurück. In der Folgezeit konnte er seine Macht wieder festigen. 1101 siegte er über den Kreuzzug von 1101, eroberte Ikonion (Konya) und machte es zum Zentrum seines Reiches. 1107 eroberte er Mosul, fiel aber im selben Jahr im Kampf gegen Muhammad I. Tapar, den Sohn Malik-Schahs I.

Das Sultanat befand sich in einem dauernden Konflikt mit dem byzantinischen Reich, war aber auch ein Pufferstaat zwischen Byzanz und der muslimischen Welt. Zu wesentlichen Verschiebungen der Grenze mit Byzanz kam es nicht. Zwischen 1097 und 1176 befand sich das Sultanat auch im ständigen Konflikt mit den Danischmenden, bis sie diese schließlich besiegten und ihrem Reich einverleibten. Ikonion wurde für einige byzantinische Renegaten zum Exil, teilweise kam es auch zu Bündnissen mit dem Königreich Kleinarmenien und mit den Kreuzfahrerstaaten.

Das Sultanat geriet 1243 nach der Schlacht vom Köse Dağ unter die Herrschaft der Ilchane und löste sich bis 1307 auf. Die aufstrebenden Osmanen traten zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Erbe der Seldschuken in Anatolien an und eroberten 1386 Konya, das Hauptstadt des seldschukischen Nachfolge-Sultanates Karaman geworden war. 1402 verloren die Osmanen Konya zwar wieder, das Sultanat Karaman wurde durch Timur Lenk nochmals wiederhergestellt, doch 1466 fiel Konya dann endgültig an die Osmanen.

Organisation

In dem feudalen Iqta-System wurden die einheimischen Bauern zu Untertanen der seldschukischen Emire, die das Land weiter an ihre Gefolgsleute und Soldaten vergaben. Der Inhaber eines Iqta erhielt die Abgaben seines Lehens, konnte es aber nicht vererben. Im 14. Jh wurde das Iqta-System durch Landvergaben an Soldaten ersetzt, die steuerfrei waren.

Auch die städtische Oberschicht bestand nun aus Seldschuken. Im Heer dienten die nicht steuerpflichtigen Turkomanen sowie Araber, später auch gefangene Christen sowie georgische und fränkische Söldner. Die Nomaden wurden an den Grenzen zum Kampf gegen die „Ungläubigen“ eingesetzt, es gab jedoch auch ständige Versuche, sie zur Ansiedlung zu zwingen und in die unfruchtbaren Gebirgsgegenden zurückzudrängen, eine Politik, die sich in osmanischer und türkischer Zeit fortsetzte bzw. weitgehend zum Abschluss kam.

Siehe auch

Literatur

  • Claude Cahen: Pre-Ottoman Turkey, übersetzt von J. Jones-Williams, New York 1968
  • Claude Cahen: The Formation of Turkey – The Seljuk Sultanate of Rum: Eleventh to Fourteenth Century, translated and edited by P. M. Holt from: Claude Cahen: La Turquie Pré-Ottomane, Paris 1988; Pearson Exducation, Harlow, Essex 2001 ISBN 0-582-41491-1
  • Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. Oxford 2005, ISBN 0-19-517726-6
  • Fazli Konuş: "Selçukular Bibliyografyası", Konya, 2006,

Einzelnachweise

  1. Der Zusatz Rūm / ‏روم‎ bedeutete in der arabischen Literatur Byzantiner und selten Rhomäer oder Melkiten. Rūm war ein geographischer Name für das von Byzanz beherrschte Kleinasien und wurde so von den Rum-Seldschuken übernommen. Die auf die Seldschuken folgenden Osmanen leiteten davon Rūm-ėli / ‏روم ايلى ab und bezeichneten damit analog Gebiete, die sie von Byzanz erobert hatten. Siehe Clifford Edmund Bosworth Rum in Encyclopaedia of Islam und Halil İnalcık Rumeli in Encyclopaedia of Islam
  2. a b Clifford Edmund Bosworth Saldjukids, Abschnitt The Saldjuks of Rum in Encyclopaedia of Islam
  3. Klaus Kreiser, Christoph K. Neumann Kleine Geschichte der Türkei, 2009, S.47
  4. Michael Neumann-Adrian/Christoph K. Neumann: Die Türkei. Ein Land und 9000 Jahre Geschichte, München 1990, S. 155

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