Sugar Act

Sugar Act

Sugar Act („Zuckergesetz“) ist die gebräuchlichste Bezeichnung für ein im März 1764 vom britischen Parlament beschlossenes Zollgesetz, das die britischen Kolonien in Nordamerika betraf.

Es stellte formal eine Verlängerung und Änderung des Molasses Act dar, mit dem 1733 ein Importzoll auf Melasse festgelegt wurde, der aber systematisch durch Schmuggel untergraben wurde und so fast wirkungslos blieb. Darüber hinaus führte der Sugar Act Zölle auf zahlreiche weitere Handelsgüter ein und sah eine weitreichende Neuorganisation der Zollverwaltung in den Kolonien vor. Ziel des Gesetzes war es nicht nur, dem blühenden Melasseschmuggel Einhalt zu gebieten, sondern mit den Zollerlösen einen Teil der Unterhaltskosten für das stehende Heer aufzubringen, das nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 dauerhaft in Amerika stationiert wurde, und so die angespannten britischen Staatsfinanzen zu entlasten. In den betroffenen Kolonien von Georgia bis Massachusetts rief es heftigen Widerstand hervor und führte zu zahlreichen Sabotageakten gegen die britischen Zollbehörden sowie zu förmlichen Protesten der kolonialen Parlamente an die Adresse des britischen Parlaments. Diese Auseinandersetzungen verschärften sich 1765 noch mit dem Erlass des Stamp Act und markieren den Beginn der Amerikanischen Revolution.

Neben Sugar Act finden sich in der Literatur weitere Bezeichnungen des Gesetzes, so etwa American Revenue Act oder schlicht Revenue Act. In der Zählung von Pickerings Statutes at Large trägt es das Sigel 4 Geo. III c. 15.[1]

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Das Gesetz war eine der Maßnahmen, mit denen George Grenville, seit April 1763 zugleich Premierminister und Schatzkanzler, die Staatsfinanzen entlasten und zugleich die Verwaltung des wachsenden Empire, insbesondere jedoch der Kolonien in Nordamerika, effektiver zu gestalten versuchte. Dieses verstärkte Eingreifen der Regierung in die Belange der Kolonien beendeten die Ära des salutary neglect, also der Politik der „wohltuenden Vernachlässigung“, mit der London in den Jahrzehnten zuvor die weitreichende Selbstverwaltung und -besteuerung der Kolonisten befördert hatte.

Aus dem Siebenjährigen Krieg war Großbritannien zwar siegreich hervorgegangen und hatte etwa den größten Teil des französischen Kolonialreichs in Nordamerika hinzugewonnen, doch belastete der Krieg die Staatsfinanzen in einem zuvor ungekannten Ausmaß. 1763 beliefen sich die britischen Staatsschulden auf £122.606.336, mehr als 4 Millionen Pfund mussten jährlich allein für die Zinstilgung aufgebracht werden. In dieser Situation brachte Grenville eine Reihe von neuen Steuergesetzen durch das Parlament, die auch in England zu Unmut und teils zu gewaltsamen Protesten führten, wie etwa die Erhöhung der Steuer auf Cider in den Apfel-Anbaugebieten im Südwesten des Landes (den cider counties).

Im Gegensatz zu den Steuern im Inland sollten die neuen Zölle auf die Importe der nordamerikanischen Kolonien nicht unmittelbar in die britische Staatskasse einfließen, sondern vor allem den Unterhalt des in den Kolonien selbst stationierten Militärs finanzieren. Nach dem Frieden von Paris hatte Grenvilles Vorgänger Bute beschlossen, ein rund 10.000 Mann starkes stehendes Heer in Amerika zu stationieren, um zum einen die westliche Siedlungsgrenze (frontier) der Kolonien gegen befürchetete indianische Angriffe zu sichern, aber auch, um die indianischen Gebiete vor einem illegalen Eindringen britischer Siedler zu schützen. Ein großer Teil dieser Truppen wurde in den im Pariser Frieden von Frankreich respektive Spanien abgetretenen neuen Kolonien Kanada sowie Ost- und Westflorida stationiert, offenbar da man sich der Loyalität der neuen Untertanen nicht allzu sicher schien. Die Kosten für den Unterhalt der Armee in Amerika schätzte Grenville auf rund £220.000 im Jahr. Es schien ihm angemessen, dass die Kolonien einen Beitrag zur Finanzierung des Heeres leisten sollten, zumal es in ihrem eigenen Interesse vor Ort seinen Dienst verrichtete. Insgesamt sollten durch die neuen Zollbestimmungen nach Berechnungen von Grenvilles Finanzministerium Einnahmen von rund £78.000 pro Jahr erbringen, also kaum mehr als ein Drittel der für das Heer veranschlagten Kosten, für den Rest würde Westminster selbst aufkommen.

Bestimmungen

Der Sugar Act stellte eine insofern einen Einschnitt in der britischen Politik dar, als dass er zum ersten Mal eine direkte Besteuerung der Kolonien darstellte. Stellte der frühere Molasses Act vor allem einen Schutzzoll dar, also ein Instrument der Marktregulierung, so war der Gesetzeszweck des Sugar Act erklärtermaßen, die Staatseinkünfte zu mehren.[2] Dieser Umstand führte auch zu der alternativen Bezeichnung des Gesetzes als Revenue Act, also „Ertragsgesetz“. Neu war auch, dass die Zolleinnahmen direkt in die britische Staatskasse fließen würden. Zwar waren auch zuvor Steuereinkünfte aus den Kolonien in den britischen Staatshaushalt geflossen, doch hatte die Schatzkanzlei zuvor für alle Kontributionen förmlich die Gouverneure der einzelnen Kolonien ersuchen müssen. Die Unzulänglichkeit dieses Vorgehens hatte sich gerade im vergangenen Franzosen- und Indianerkrieg gezeigt, in dem die Kolonien nur recht widerwillig und langsam auf Kontributionsforderungen reagierten, obwohl sie selbst zum Kriegsschauplatz wurden. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der neuen Steuern stand in den folgenden Jahren im Mittelpunkt der politischen Debatten der amerikanischen Revolution (no taxation without representation).

Neue Handels- und Zollbestimmungen

Der Sugar Act führte zahlreiche neue Importzölle auf ausgewählte Handelsgüter wie Kaffee, Indigo, Piment und Zucker ein. Auf Madeirawein, der sich in den Kolonien großer Beliebtheit erfreute, wurde ein besonders hoher Zoll von £7 pro Tonne erhoben. Auf diese Art sollten die Amerikaner ermuntert werden, ihren (zollfreien) Wein von englischen Händlern zu erwerben. Neben der Einführung neuer Zölle sah der Sugar Act auch die Abschaffung von Rückzöllen auf verschiedene in die Kolonien reexportierte Handelswaren vor, etwa auf französische Spitze oder chinesische Seide, was wiederum den Absatz der dadurch umso billigeren britischen Textilien ankurbeln sollte. Für andere Handelsgüter wurden rigide Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen eingeführt. So wurde etwa der Import von ausländischem Rum verboten. Holz aus den amerikanischen Wäldern, eines der wichtigsten Exportgüter der Kolonien, durfte nurmehr nach Großbritannien exportiert werden.

Unter all den verschiedenen Maßnahmen war der neu festgelegte Importzoll auf Melasse besonders einschneidend. Die zahlreichen Brennereien in den Kolonien erzeugten rund 80% ihres Rums aus französischer Melasse. Besonders in Neuengland stellte die Rumbrennerei einen bedeutenden Wirtschaftszweig dar, in Rhode Island war sie die größte Industrie überhaupt. Umgekehrt stellten die französischen Antillen mit ihren riesigen, mit hunderttausenden Sklaven bewirtschafteten Zuckerrohrplantagen einen bedeutenden Exportmarkt für amerikanisches Getreide und Fleisch dar. Zwar wurde seit dem Erlass des ersten Molasses Act 1733 nominell ein Zoll von 6d. pro Gallone auf importierte Melasse erhoben, doch wurde er durch Korruption und Schmuggel systematisch umgangen; Zollbeamte ließen sich mit einem Bestechnungsgeld von ½d. bis 1½d. pro Gallone „beschwichtigen“. Da offenkundig war, dass der Zoll zu hoch war, als dass es sich nicht gelohnt hätte, ihn zu umgehen, senkte der Sugar Act den Zoll auf französische Melasse auf 3d. je Gallone, allerdings in der erklärten Absicht, diesen Zoll tatsächlich auch eintreiben zu wollen.

Reform der Zollverwaltung

Die Umsetzung der neuen Steuerpolitik erforderte auch eine grundlegende Reform der Zollverwaltung. Vor dem Sugar Act war die Eintreibung der Zölle die Aufgabe von Hafenoffizieren, die von der Regierung in London ernannt wurden. Viele von ihnen betraten jedoch kaum je amerikanischen Boden, sondern delegierten ihre Aufgaben an Untergebene, während sie in England ihre Regierungsgehälter genossen. Die Hafenaufsichten in den Kolonien setzten sich so meistensteils aus schlecht bezahlten Handlangern zusammen, die für Korruption besonders anfällig waren. So beliefen sich die Zolleinnahmen aller amerikanischen Hafenbehörden auf gerade einmal £1.800 im Jahr. Mit der Verabschiedung des Sugar Act wurden schließlich alle Zöllner aufgefordert, sich unverzüglich auf ihren Posten zu begeben oder ihr Amt zu räumen (was, wie sich zeigte, tatsächlich viele einem Umzug nach Amerika vorzogen). Die Strafen für der Korruption überführte Zollbeamte wurden drastisch verschärft; selbst die Gouverneure der Kolonien wurden per Eid verpflichtet, für die Durchsetzung der Gesetze zu sorgen und regelmäßig Berichte über die Zolleinnahmen nach London zu übersenden. Weiterhin wurden die Zollbeamten mit einer umfassenden Immunität ausgestattet: so wurden die Schadensersatzansprüche von Reedern und Händlern, deren Schiffe und Waren zu Unrecht wegen Schmuggels konfisziert wurden, begrenzt; auch sollten in solchen Fällen die Prozesskosten nicht mehr auf die Zöllner abgewälzt werden können. Zuvor hatten stets örtliche Geschworenengerichte derartige Fälle entschieden, die allzu oft im Interesse der Händler ihrer jeweiligen Stadt entschieden; auch sahen sich örtliche Richter, die gegen die Interessen der örtlichen Händlerklasse entschieden, oft der Feindseligkeit ihrer Nachbarn oder gar der Gewalt bestellter Mobs ausgesetzt. Um eine solche Einflussnahme zu unterbinden, wurde mit dem Sugar Act ein neues Admiralitätsgericht, der Vice-Admiralty Court for All America, eingerichtet, dem die Staatsanwälte (Crown prosecutors) die Jurisdiktion über Streitfälle antragen konnten, wenn sie sich nicht an ein Geschworenengericht wenden wollten. Zum Sitz des neuen Gerichts wurde Halifax in der Kolonie Nova Scotia bestimmt, die zu weit entfernt von den großen Hafenstädten Neuenglands lag, als dass sich für viele Kläger der Weg zu einer Verhandlung gelohnt hätte, und zudem als Garnisonsstadt von tausenden britischen Soldaten geschützt wurde, so dass bestellte Mobs die Richter hier kaum zu bedrohen wagen würden.

Um den florierenden Schmuggel zu zerschlagen, wurden alle Handelsschiffe einem ausgefeilten Kontrollsystem unterworfen, wie es in den Häfen Großbritanniens schon seit langem im Gebrauch war: Reeder mussten ab nun für jedes ihrer Schiffe vor dem Auslaufen eine hohe Kaution bei den Zollbehörden hinterlegen. Kapitäne wurden verpflichtet, ihre gesamte Ladung vom Hafenzoll zu begutachten zu lassen und eine vom Zoll versiegelte Frachturkunde (cocket) mit sich zu führen; im Zielhafen musste die Ladung wiederum von Zöllnern mit dieser Urkunde verglichen werden, bevor sie gelöscht werden durfte. Jede Abweichung von der in der Frachturkunde aufgelisteten Fracht konnte einen Verlust der Kaution und eine Anklage wegen Schmuggels nach sich ziehen.

Auswirkungen

Die durch den Sugar Act eingeführten Vorschriften führte zu einem Zusammenbruch des Handels mit Madeira, den Azoren, den Kanaren und den französischen Westindischen Inseln (Guadeloupe, Martinique und Santo Domingo, jetzt Haiti) und brachte die Wirtschaft in den Kolonien zum Erliegen, da es deren Absatzmärkte erheblich einschränkte.

Vor allem war durch die Verschärfung der Maßnahmen zur Durchsetzung der Zollbestimmungen der Schmuggel zugleich weniger gewinnbringend und viel riskanter geworden. Die britische Regierung konnte daher erwarten, dass die Importeure lieber den niedrigeren Zoll entrichten würden als sich bei illegalen Transport- und Einfuhrgeschäften erwischen zu lassen.

Der Sugar Act stieß auf massiven Widerstand bei den Kolonisten. Die Proteste wurden angeführt durch Samuel Adams und fachten schließlich den breiten Widerstand gegen das Stempelgesetz von 1765 mit an. Aufgrund der Proteste wurde das Gesetz schließlich aufgehoben.

Literatur

Quellen
Sekundärliteratur
  • John L. Bullion: A Great and Necessary Measure: George Grenville and the Genesis of the Stamp Act, 1763-1765. University of Missouri Press, Columbia 1983.
  • Lawrence Henry Gipson: The British Empire before the American Revolution, Band X: The Triumphant Empire: Thunder-Clouds Gather in the West, 1763-1766. Alfred A. Knopf, New York 1961.
  • Edmund S. Morgan und Helen M. Morgan: The Stamp Act Crisis: Prologue to Revolution. University of North Carolina Press, Chapel Hill 1953.
  • Alvin Rabushka: Taxation in Colonial America. Princeton University Press, 2008. ISBN 069113345X
  • Frederick Bernays Wiener: The Rhode Island Merchants and the Sugar Act. In: The New England Quarterly 3:3, 1930. S. 464-500.

Einzelnachweise

  1. Der Langtitel lautet: An act for granting certain duties in the British colonies and plantations in America; for continuing, amending, and making perpetual, an act passed in the sixth year of the reign of his late majesty King George the Second, (initituled, An act for the better securing and encouraging the trade of his Majesty’s sugar colonies in America;) for applying the produce of such duties, and of the duties to arise by virtue of the said act, towards defraying the expences of defending, protecting, and securing the said colonies and plantations; for explaining an act made in the twenty fifth year of the reign of King Charles the Second, (intituled, An act for the encouragement of the Greenland and Eastland trades, and for the better securing the plantation trade;) and for altering and disallowing several drawbacks on exports from this kingdom, and more effectually preventing the clandestine conveyance of goods to and from the said colonies and plantation, and improving and securing the trade between the same and Great Britain. Danby Pickering (Hg.), The Statutes at Large, Bd. XXVI, J. Bentham, Cambridge 1764. S. 33ff.
  2. John Philipp Reid: Constitutional History of the American Revolution: The Authority to Tax. Band 2. University of Wisconsin Press, Madison 1987. S. 28-29.

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