Subliminal (Psychologie)

Subliminal (Psychologie)

Subliminal (lat. sub: "unter" und limen: "Schwelle"; deutsch: unterschwellig) ist ein Begriff aus der Psychologie. Er bezeichnet die unterschwellige Darbietung bzw. Wahrnehmung von Reizen. „Unterschwellig“ bedeutet, dass die Schwelle des Bewusstseins nicht überschritten wird, dass also Menschen die ihnen dargebotenen subliminalen Reize nicht bemerken oder sie zumindest nicht diskriminieren (trennen) können; sie sind dem Bewusstsein nicht zugänglich.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen für Unterschwelligkeit von Reizen

Reize können aus verschiedensten Gründen an der Schwelle bewusster Wahrnehmung scheitern, etwa wenn ihre Darbietung zu kurz ist oder das Signal-Rausch-Verhältnis oder der Darbietungszeitpunkt ungünstig sind, etwa während Sakkaden (sakkadische Suppression). Zudem kann die Wahrnehmbarkeit durch die zeitliche oder räumliche Nähe weiterer ablenkender Reize beeinträchtigt sein (Aufmerksamkeit, s. a. attentional blink).

Eine andere Art der Unterschwelligkeit ist die Stereotypie gewisser Reize. Wir sind so sehr an diese Darstellungen gewöhnt, dass wir sie nicht mehr bewusst wahrnehmen. In der Werbung wird von Frauen häufiger der ganze Körper gezeigt, von Männern häufiger nur der Kopf. „Männer handeln, Frauen schauen zu.“ Frauen werden häufiger in abhängigen Rollen dargestellt als Männer.[1] Versicherer werben oft mit dem Versprechen, Sicherheit vor dem versicherten Risiko zu bieten - obwohl keine Unfallversicherung Unfälle verhindern kann.

In der Humanforschung werden subliminale Reize typischerweise durch eine sehr kurze (z. B. tachistoskopische) Darbietungszeit realisiert. Meist werden hierzu visuelle Reize (Bilder) nur für wenige Millisekunden dargeboten und anschließend von einem zweiten Störreiz überlagert, z. B. einer Maske aus zufälligen Punkten.

Dieser Ablenkungseffekt zeigt sich z. B. bei Neglect-Patienten, die einen normalerweise deutlich wahrnehmbaren Reiz nicht mehr bewusst erkennen, wenn gleichzeitig ein zweiter Reiz in der anderen Gesichtshälfte dargeboten wird. Noch dramatischer sind in diesem Zusammenhang Berichte von Rindenblindheit nach einer Schädigung des primären visuellen Cortex. Dennoch hinterlassen auch subliminale Reize nachweisliche Spuren im Gedächtnis (vgl. Priming) oder bewirken Verhaltenstendenzen, die nicht unbedingt im Einklang mit der bewussten Einstellung stehen müssen (unbewusste Informationsverarbeitung).

Experiment von Murphy und Zajonc

Im Experiment von Murphy und Zajonc (1993) wurde den Probanden ein chinesisches Schriftzeichen gezeigt, das sie auf einer Skala von 1 („gefiel mir gar nicht“) bis 5 („gefiel mir sehr gut“) bewerten sollten. Vor dem Schriftzeichen sahen sie für 4 Millisekunden, also subliminal, entweder ein freundliches Gesicht, einen neutralen Gegenstand oder ein wütendes Gesicht. Dieser Vorreiz hatte signifikanten Einfluss auf die Bewertung des Schriftzeichens. Bei diesem Experiment, wie bei allen Replikationen, wirkten subliminale Botschaften nur unter extrem kontrollierten Laborbedingungen, wenn es also keinerlei Ablenkungen o.ä. gab.[2]

Subliminale Botschaften in der Werbung

Hauptartikel Unterschwellige Werbung

In den USA gab es Ende der 1950er Jahre eine Welle der Empörung, als eine Werbefirma vorgab, Kinobesucher mittels im Kinofilm versteckter Einzelbilder zu beeinflussen und die Befürchtung aufkam, dies würde schon in breiter Praxis umgesetzt. Gleichzeitig wurde eine Kampagne von James Vicary als "wissenschaftliche Studie" dargestellt, die unter dem Namen Iss-Popcorn/trink-Cola-Studie bekannt wurde. Diese "Studie" entpuppte sich als Fälschung. Sie wurde niemals durchgeführt, war vom Forschungsdesign her unwissenschaftlich, und die Ergebnisse waren erfunden.

2007 sind subliminale Botschaften wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, als der kanadische Fernsehsender CBC bei Glücksspielautomaten des Herstellers Konami zufällig entdeckt hat, dass dort Gewinnsymbolkombinationen kurz aufblinken.[3] Die Wirksamkeit subliminaler Bilder und Botschaften auf Süchtige wird im Gegensatz zur unterschwelligen Werbung von Experten als kritisch eingeschätzt, da die Zielpersonen viel leichter beeinflussbar sind als die Durchschnittsbevölkerung.

Die Mehrheit der Menschen lehnt unterschwellige Werbebotschaften ab, obwohl überschwellige Werbung viel stärkere Wirkung hat.[4]

Subliminale Botschaften in der Politik

Während des Präsidentschaftswahlkampfs zwischen George W. Bush und Al Gore ließ Bush im September 2000 einen Fernsehspot senden, in dem bei dem Satz "Gores Finanzierungsplan: Die Bürokratie entscheidet" für eine dreißigstel Sekunde das Wort "RATS" (Ratten) aufblitzte.[5]

Subliminale Botschaften zur Selbsthilfe

Auch auf dem milliardenschweren Selbsthilfe-Markt werden Tonträger mit subliminalen Botschaften angeboten. Allein in den USA betrug der Umsatz mit entsprechenden CDs 1990 etwa 50 Millionen Dollar. Ihre Unwirksamkeit bei der Gewichtsreduktion, der Rauchentwöhnung, der Steigerung des Selbstwertgefühls und der Verbesserung des Gedächtnisses wurde mehrfach gezeigt.[6]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. Pearson Studium. 6. Auflage 2008. ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 224
  2. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. Pearson Studium. 6. Auflage 2008. ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 222
  3. Telepolis: Blinken Dollarzeichen in den Augen einarmiger Banditen? - von Jürgen Buchmüller, 1. März 2007
  4. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. Pearson Studium. 6. Auflage 2008. ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 223
  5. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. Pearson Studium. 6. Auflage 2008. ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 220
  6. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. Pearson Studium. 6. Auflage 2008. ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 221

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