Stürzende Linie

Stürzende Linie
Beispiel stürzender Linien

Auf Fotos nennt man Stürzende Linien solche Linien und Kanten, die aufeinander zustreben, obwohl sie in Wirklichkeit parallel verlaufen. Der Effekt tritt auf, wenn die Kanten des Abbildungsgegenstands nicht parallel zur Projektionsfläche liegen.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Hochhausfront mit stürzenden Linien
Hoher Turm

Verzeichnungsarme Kameraobjektive bilden Gegenstände in einer Zentralprojektion ab. Das Bild links zeigt eine Hochhausfront. Obwohl die Fenster in Wirklichkeit quadratisch und parallel zueinander angeordnet sind, scheinen die senkrechten Kanten in einem Punkt zusammen zu laufen.

Der Turm rechts im Bild erscheint an der Basis unverzerrt in Parallelprojektion. Im oberen Bereich geht die Projektion in eine Zentralprojektion über und verjüngt den Turm zu einer Spitze.


Wahrnehmung

Fischauge-Abbildung eines rechteckigen Zimmers.
Straße, perspektivisch verzerrt.

Wegen der Krümmung der Netzhaut bildet das menschliche Auge Gegenstände nur annähernd in einer Zentralprojektion ab. Das Auge sieht gekrümmte Linien, die das Gehirn aufgrund seiner Erfahrung entzerrt. Im linken Bild ist dieser Effekt durch die Verwendung eines so genannten Fischauge-Objektivs überzeichnet wiedergegeben.

Die Begrenzungskanten einer Straße verlaufen im Bild rechts annähernd senkrecht zur Abbildungsebene der Kamera. Als Folge ist die Straße auf dem Bild zu einem Dreieck verzerrt. Dennoch erkennt das Gehirn sowohl die Straße als auch ihren Verlauf in der räumlichen Tiefe.

Die Art und Weise fotografischer Darstellungen ist Modeströmungen unterworfen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte man, stürzende Linien in Fotos bei der Aufnahme zu vermeiden oder nachträglich zu korrigieren. Die Parallelprojektion wurde als die korrekte Wiedergabe angesehen. Heute ist die Zentralprojektion wie im Bild ganz oben links üblich, später vielleicht einmal die Kugelprojektion wie links bei einem Fischauge-Objektiv.

Wahrnehmungstäuschung

Ein startender Space Shuttle. Die Sonne steht links hinter der Kamera, und der Schatten der Rauchsäule wird in der Erdatmosphäre in Richtung des Mondes geworfen.
Sonnenstrahlen erscheinen radial um die Sonne angeordnet.
Parallele Sonnenstrahlen auf der Erde.

Aus der Erfahrung heraus kann das Gehirn verzerrte Bilder richtig interpretieren. In manchen Fällen gelingt dies nicht. Im linken Bild verdecken Wolken die Sonne und es kommt zum Effekt der Strahlenbüschel oder Wolkenstrahlen. Zu sehen sind Sonnenstrahlen, die radial um die Sonne angeordnet sind und divergent auseinander laufen.

Im Bild rechts scheint der Schatten der Rauchgase dagegen zu konvergieren. Da es (annähernd) Vollmond ist, der Mond also in Opposition zur Sonne steht, sieht man den aufgehenden Mond in der Verlängerung quasi als Fluchtpunkt stehen. Der Schatten dürfte etwa 1.000 km lang sein, der Mond ist 384.000 km entfernt.

In Wirklichkeit verlaufen die Strahlen, die die Erde erreichen, nahezu parallel (siehe Bild darunter). Uns fehlt aber der räumliche Eindruck der Tiefe, wie wir ihn bei dem Bild der Straße oben haben. Denn das Gehirn hat keine Kenntnis darüber, wie weit die Sonne vom Horizont entfernt ist.

Genauso werden Meteoritenschauer fehlinterpretiert. Während eines Schauers sieht man Leuchtspuren, die von einem Punkt aus zu kommen scheinen, dem Radianten. Auch hier treffen die Meteore wie die Sonnenstrahlen parallel auf die Erde. Wegen der fehlenden Entfernungsinformation erkennt das Auge die Zentralprojektion nicht und sieht nur radiale Strahlen.

Korrektur von unerwünschten Verzerrungen

Frankenturm in Trier, mit stürzenden Linien durch starkes Kippen der Kamera nach oben. Die senkrechten Linien scheinen zu kippen, der Turm wirkt in der Höhe verkürzt.
Bild entzerrt mit digitaler Bildbearbeitung ShiftN

Eine fotografische Kamera gehorcht den Gesetzen der Zentralperspektive. Parallele Linien im Motiv werden daher nur dann im Bild ebenfalls parallel verlaufen, wenn sie im Motiv in einer Ebene liegen, die parallel zur Filmebene liegt. Wird also die Kamera z. B. vor einem Haus nach oben verschwenkt, entstehen stürzende Linien, das Haus scheint nach hinten zu kippen. Bei Großformatkameras bzw. dem Tilt- und Shift-Objektiv von Kleinbild- und Mittelformatkameras wird dies vermieden, indem zur Wahl des Bildausschnitts nicht die Kamera verschwenkt, sondern der Bildausschnitt verschoben wird.

In vielen Fällen besteht aber der Wunsch derartige Verzerrungen nachträglich zu beseitigen. Dafür stehen die Methoden der

zur Verfügung.

Bei Entzerrung eines Bildes sollte man aber behutsam vorgehen. Werden stürzende Linien zu Parallelen verzerrt, hat der Betrachter den Eindruck, diese Linien würden nach oben auseinander laufen.


Siehe auch

Weblinks

  • ShiftN, automatische Korrektur stürzender Linien durch Auswertung der im Bild detektierten Objektkanten, siehe: ShiftN (Freeware)

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